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Ninety One über das nunmehr veränderte Anlageumfeld

Der Co-Head of Multi-Asset Growth bei Ninety One erörtert den dramatischen Wechsel des politischen Kurses hin zu Verteidigungs- und Energieausgaben in Europa und erklärt, warum der Konflikt einen Wendepunkt in der Abhängigkeit der Welt von der US-Währung markieren könnte.

Philip Saunders, Ninety One
Philip Saunders, Ninety One© Ninety One

Auch wenn die Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Weltwirtschaft und die Märkte noch nicht in vollem Umfang absehbar sind, lassen sich, ähnlich wie bei der Corona-Krise, einige wichtige mittel- und längerfristige Themen bereits jetzt erkennen, erklärt Philip Saunders, Co-Head of Multi-Asset Growth bei Ninety One in einer aktuellen Markteinschätzung.

Im europäischen Kontext sei die Energie- und Verteidigungspolitik dabei, sich tiefgreifend zu verändern. Die Abhängigkeit von Russland als Energielieferant wird sich stark und wesentlich verringern, unabhängig davon, wie der Konflikt letztendlich gelöst wird. Im Nachhinein wird das Ausmaß der Abhängigkeit von einer personalisierten Diktatur bei wichtigen Rohstoffen als außerordentlich fehlgeleitet erscheinen. "Merkels Nachfolger als Bundeskanzler, Olaf Scholz, hat dankenswerterweise die Notwendigkeit eines drastischen Politikwechsels und einer Verdopplung der erneuerbaren Energien erkannt, und die mutmaßlichen Gräueltaten von Bucha werden nun jeglichen anhaltenden Widerstand gegen einen radikalen Wandel erstickt haben", erklärt Saunders.

Wie groß die Herausforderung für Europa ist, lässt sich an den Zahlen ablesen. Seit Beginn des Krieges haben die EU-Staaten an Russland unter der Führung Putins über 35 Milliarden Euro an Energielieferungen gezahlt; im Gegensatz dazu habe die Ukraine eine Milliarde Euro an Waffen und Rüstungsgütern erhalten.

Donald Trump hatte Recht
Eine weitere Kehrtwende gab es bei den Verteidigungsausgaben. Die europäischen Delegierten wurden auf dem NATO-Gipfel im Juli 2018 lachend aufgezeichnet, als der damalige Präsident Trump sie über die Notwendigkeit der Erfüllung ihrer Verteidigungsverpflichtungen belehrte und sie angesichts ihrer derzeitigen und geplanten Abhängigkeit von russischem Öl und Gas als „Gefangene Russlands" bezeichnete, erinnert Saunders.

Deutschland hat sich nun verpflichtet, die Verteidigungsausgaben zu verdoppeln, und das bündnisfreie Schweden hat angekündigt, dass sein Verteidigungshaushalt auf drei Prozent des BIP steigen wird.

Die Friedensdividende gehört Saunders zufolge so gut wie der Vergangenheit an. Die höheren Ausgaben werden nach dem Vorbild der Covid-Rettungsfonds EU-weit mit Schulden finanziert, was die EU weiter auf den Weg der Währungsunion bringen wird.

China in der Zwickmühle
China befindet sich in einer unangenehmen Lage, nachdem Xi am 4. Februar - nur 20 Tage vor dem russischen Einmarsch in der Ukraine - die „grenzenlose" Partnerschaft mit Russland angekündigt hatte. Die Folgen der engen Zusammenarbeit mit Russland für China sind noch nicht absehbar, aber die Folgen der Bereitschaft der USA, ihre Währung durch die Sperrung oder Beschlagnahmung von Reserven und den Ausschluss von SWIFT, dem US-Dollar-Zahlungssystem, als Waffe zu benutzen, sind klar.

Geostrategische Zwänge werden China Saunders Einschätzung nach dazu zwingen, eine schnellere Internationalisierung seiner Währung zuzulassen und einen alternativen Zahlungsmechanismus zu entwickeln. Andere Länder werden solche Entwicklungen wahrscheinlich unterstützen, um ihre Abhängigkeit von der US-Währung und den Zahlungssystemen zu verringern. Saudi-Arabien zum Beispiel hat kürzlich mit China verhandelt, um Ölzahlungen in Renminbi zu akzeptieren und so die Notwendigkeit von Transaktionen in US-Dollar zu vermeiden.

Entdollarisierung?
Mit einem Schlag habe die Dynamik der Entdollarisierung einen erheblichen Auftrieb erhalten. "Das soll nicht heißen, dass die Vormachtstellung des Dollars in naher Zukunft verdrängt werden wird, dafür ist er zu tief im Welthandelssystem verankert. Dies markiert jedoch wahrscheinlich den Höhepunkt der Dollar-Ära, und Amerikas „exorbitantes Privileg" - um einen treffenden Ausdruck des ehemaligen französischen Präsidenten Giscard d'Estaing zu verwenden -, den ersten Zugriff auf die Ersparnisse der Welt zu haben, wird allmählich ausgehöhlt werden", merkt Saunders abschließend an. (aa)

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