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ESG bei EMD: Governance stärker in den Fokus rücken!

Der Head of Fixed Income bei Ninety One erklärt, warum bei Emerging Market Debt-Investments inbesondere die Governance eine sehr hohe Bedeutung hat und veranschaulicht dies an mehreren Beispielen aus der Praxis.

Peter Eerdmans, Ninety One
Peter Eerdmans, Ninety One© Ninety One

Bei Schwellenländeranleihen gehört im Rahmen eines ESG-Ansatzes insbesondere die Governance stärker in den Fokus gerückt, meint Peter Eerdmans, Head of Fixed Income, Ninety One, in einem "Institutional Money" exklusiv vorliegenden Beitrag.

Governance weiterhin entscheidend
Die Qualität der Regierungsführung und ihre Messung sind für Investoren, die aktiv in Staatsanleihen der Schwellenländer anlegen, seit jeher von zentraler Bedeutung, besteht doch ein enger Zusammenhang zwischen einer guten Staatsführung, einer höheren Bonität und den Anleiherenditen. "In den letzten Monaten hat die Debatte an Breite gewonnen, denn die ökologische Komponente der ESG-Faktoren gewinnt zusehends an Bedeutung. Ungeachtet dieser willkommenen und wichtigen Entwicklung ist eine gute Regierungsführung so essenziell wie eh und je", betont Eerdmans.

Eine umfassende Kennzahl
Governance sei für Ninety One ein weit gefasster Begriff, der die institutionellen Planungs- und Ausführungskapazitäten eines Landes ebenso umfasst wie die Transparenz und Integrität der Regierungsführung. Im Wesentlichen geht es dabei um die wirtschaftliche Glaubwürdigkeit und darum, ob Gesetze bzw. Reformen in Kraft sind, die einem Land helfen, sich in die richtige Richtung zu entwickeln. "Dies festzustellen, ist kein leichtes Unterfangen im überaus vielfältigen Universum der Schwellenländeranleihen. Es erfordert gründliche Analysen und einen intensiven Dialog, um die politischen Rahmenbedingungen sowie die relativen Stärken und Schwächen der Institutionen zu verstehen, die diese Politik vorantreiben und umsetzen", erinnert Eerdmans.

Differenzierterer Ansatz
Die Art und Weise, wie Ninety One aus allen diesen Erkenntnissen und Analysen eine Kennzahl für die Regierungsführung ableiten, hat sich parallel zu dieser Anlageklasse und der besseren Verfügbarkeit von Daten weiterentwickelt. So nahm Ninety One letztes Jahr beispielsweise eine neue Governance-Unterkategorie in die hauseigenen ESG-Bewertungsbogen auf – die Zivilgesellschaft. Sie bietet eine gute Möglichkeit, Trends in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Pressefreiheit und allgemeine Rechenschaft von Regierungen zu bewerten. Bis dahin hatte Ninety One diese Aspekte bei den Werten für den Arbeitsmarkt und institutionelle Kapazitäten berücksichtigt.

Mit diesem differenzierteren Ansatz lässt sich genauer zwischen Ländern mit besonders starker bzw. schwacher Bilanz in Sachen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte unterscheiden, denn diese Faktoren wirken sich mittel- bis langfristig auf die Bonität und die Wirtschaftsaussichten eines Landes aus. Dies verdeutlichtet Eerdmans in seinem Beitrag an einigen Beispielen.

Tschechien
Obwohl die Tschechische Republik auch im Bereich der Sozialpolitik gut abschneidet, liegt ihre ESG-Stärke Eerdmans zufolge vor allem im Bereich der Staatsführung, also der Governance. "Die wirtschaftliche Glaubwürdigkeit des Landes belohnen wir durch eine hohe Punktzahl und erkennen damit dessen Fortschritte bei der Innovationsfähigkeit, dessen gute Finanz- und Geldpolitik sowie dessen beeindruckende gesamtwirtschaftliche Stabilität an", erklärt Eerdmans.

Die tschechische Zentralbank ist unabhängig, und das Land hat ein wahrhaftig gut funktionierendes demokratisches System. Die jüngsten Rechtsreformen haben die Unabhängigkeit der Justiz gestärkt und zu mehr Transparenz beigetragen. Gleichwohl gibt es noch Verbesserungspotenzial angesichts der fehlenden Fortschritte bei der Umsetzung der Antikorruptionsstrategie 2018-2022 und der damit verbundenen Aktionspläne der Regierung. Zudem ist das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen erstaunlich gering.

"Tschechiens gute Regierungsführung hat erheblichen Anteil am hohen und stabilen Länderrating und gewährleistet, dass die Risikoaufschläge tschechischer Staatsanleihen gegenüber solchen aus Industrieländern niedrig bleiben und sich in einer engen Spanne bewegen", merkt Eerdmans an.

Turnaround-Story Sambia
Ein weiteres Beispiel ist Sambia. Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Sambia im August 2021 war ein Wendepunkt. Im Vorfeld der Wahlen war eine kontinuierliche Verschlechterung der Rechtsstaatlichkeit sowie der Planung und Umsetzung politischer Maßnahmen unter Präsident Lungu zu beobachten, der unbedingt an der Macht bleiben wollte. Aus den Wahlen ging der Oppositionsführer als Sieger hervor. Dies war insofern von großer Bedeutung, als es zeigte, dass die Zivilgesellschaft in der Lage ist, vor dem Hintergrund freier und fairer Wahlen positive Veränderungen herbeizuführen, die in einem reibungslosen Machtwechsel gipfelten.

In der Zeit danach gingen die Risikoaufschläge der Staatsanleihen von ihren notleidenden Niveaus, auf denen sie seit dem Zahlungsausfall 2020 gehandelt wurden, stetig zurück. Und der gute Ausblick in Sachen Staatsführung verheißt Gutes für eine investorenfreundliche Umschuldung im Spätjahr.

Entwicklung in die falsche Richtung
Die Türkei wiederum gehört zu den Ländern in Ninety Ones Anlageuniversum, deren Regierungsführung als schwach eingeschätzt wird. Die wirtschaftliche Glaubwürdigkeit ist sehr gering und wird durch unorthodoxe Maßnahmen weiter untergraben. Präsident Erdogan nimmt zunehmend Einfluss auf in der Vergangenheit als relativ unabhängig und stark geltende Institutionen beziehungsweise hat die Kontrolle über sie an sich gerissen. Immer mehr Technokraten werden aus ihren Ämtern entfernt, und die verbleibenden haben nur noch wenig Einfluss auf Entscheidungen. Ninety One beobachtet eine stetige Aushöhlung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Unabhängigkeit der Justiz.

"Dies wirkt sich ungünstig auf die Währung und die Anleihen des Landes aus und untergräbt allmählich die Stärke des Unternehmenssektors, der einst als gut geführt galt. Das lässt sich auch an der kontinuierlichen Herabstufung der Kreditwürdigkeit des türkischen Staates vom Investment-Grade- auf den High-Yield-Status ablesen", erklärt Eerdmans abschließend. (aa)

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