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DWS: Worum es in Putins Krieg wirklich geht

Der Ukraine bietet die EU-Mitgliedschaft ein Modell, wie wirtschaftliche mit politischer Freiheit kombiniert werden kann, sagen die Experten der DWS Group. Das mache sie zu einer Bedrohung für den Kreml.

© guteksk7 / stock.adobe.com

Wenn es etwas gab, was die Bürger des Ostblocks Anfang der 1990er-Jahre noch einte, dann war es die weit verbreitete Hoffnung, der sowjetischen Eintönigkeit zu entkommen. Unabhängig von ihrer unterschiedlichen Nationalität oder ihrem Alter hofften sie auf ein „normales“ Leben, wie es die meisten Bürger der demokratischen Gesellschaften im „Westen“ für selbstverständlich halten.1) Wohlstand natürlich, aber auch lesen und denken können, was man will, und sagen oder schreiben, was man denkt, ohne Angst vor staatlicher Unterdrückung oder ausländischer Invasion.

Der bessere Weg
30 Jahre nach dem Ende des Sowjetkommunismus ist klar, welche wirtschaftlichen Vorteile die EU-Mitgliedschaft bieten kann.

* Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in aktuellen Preisen

Quellen: IMF, World Economic Outlook Database, DWS Investment GmbH; Stand: 31.10.2021

Balten und Polen erfolgreicher als Russland
In rein wirtschaftlicher Hinsicht sind einige Länder 30 Jahre später erfolgreicher als andere, wie der Chart illustriert. Gemessen in aktuellen Preisen und Kaufkraftparitäten zeigt dies, dass die Ukraine am Ende des Kommunismus ungefähr das gleiche Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf hatte wie Polen. Heute ist es nur noch ein Bruchteil. Polen hat sogar das rohstoffreiche Russland deutlich überholt. Dasselbe gilt für Lettland; die anderen beiden baltischen Staaten haben noch besser abgeschnitten.

Russischer Durchschnittshaushalt
Für diesen sieht es sogar noch schlechter aus, nicht nur wegen des vergleichsweise höheren Einkommensniveaus als Machtzentrum des alten Ostblocks. Seit 1990 hat sich die Verteilung von Einkommen und Vermögen in Russland besonders ungleich entwickelt; einige Schätzungen gehen davon aus, dass die privaten Vermögen, die im Laufe der Jahre von den reichsten Russen ins Ausland abgeschöpft wurden, 2015 bereits etwa das Dreifache der offiziellen Nettofremdwährungsreserven betrugen.

Eingeschüchterte Journalisten
Für kritische russische Journalisten, die als Feinde galten, begannen die Repressalien, Einschüchterungen und schließlich die Ermordung schon fast unmittelbar nach Putins ersten Machtantritt. Für die meisten Osteuropäer, nicht zuletzt in Polen und den baltischen Staaten, bot die Mitgliedschaft in der EU eine attraktivere Alternative, um wirtschaftliche mit politischer Freiheit zu verbinden. Russlands erster Überfall auf die Ukraine im Jahr 2014 wurde durch ein Handelsabkommen mit der EU ausgelöst, nicht durch eine realistische Aussicht auf eine NATO-Erweiterung. Auch im benachbarten Weißrussland waren bessere Beziehungen zur EU die Hauptforderung, die letztlich zur von Moskau unterstützten Niederschlagung der Demokratiebewegung führten.

Nationale Selbstbestimmung läuft Kreml-Interessen zuwider
Anders als Putin zu glauben scheint, verstehen sich die Ukrainer seit langem als eine klar eigenständige, wenn auch noch in der Entwicklung befindliche, europäische Nation. Und als wäre das nicht Provokation genug, wollen sie ihre eigene Zukunft durch freie und geheime Wahlen selbst bestimmen – wie das im Rest Europas inzwischen selbstverständlich ist. Dass Putin darin nunmehr eine tödliche Bedrohung sieht, sagt genauso viel über sein Regime aus wie die grauenhaften Fernsehbilder zerstörter ukrainischer Städte. (kb)

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