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Mit Peter E. Huber über den Tag hinaus gedacht: Was wirklich zählt

Durch den Ausschluss Russlands vom SWIFT-System hat der Westen eine „finanzielle und wirtschaftliche Atombombe“ gezündet, wie Politiker mit stolzgeschwellter Brust verkünden. Putin aktiviert sein militärisches Nuklearpotential. Diese weitere Eskalation ist dumm und kurzsichtig, sagt Peter E. Huber.

Peter E. Huber zu den aktuellen Entwicklugen und deren Einordnung
Peter E. Huber zu den aktuellen Entwicklugen und deren Einordnung© Christoph Hemmerich für FONDS professionell

Es ist wahr: Der Krieg kennt (fast) nur Verlierer. Das ständige Drehen an der Eskalationsschraube erhöht zudem die Gefahr, dass aus einem regional begrenzten Konflikt ein Flächenbrand wird. Die Kollateralschäden steigen für beide Seiten massiv an. Das vorläufige Résumé von Peter E. Huber, Investment-Urgestein und nunmehr Manager zweier Investmentfonds bei Taunus Trust, lautet: "Der einzige - vorläufige - Gewinner ist Joe Biden. Denn Nord Stream 2 ist tot. Wir werden im Sommer unsere Gasspeicher mit dem teuren amerikanischen Flüssiggas (LNG) füllen. Und Europa ist wirtschaftlich geschwächt und mehr denn je vom militärischen Schutz durch die USA abhängig."

Über den Tag hinaus zu denken, macht den guten Investor aus
Auch wenn es aktuell schwerfalle, sollte man aber zeitlich befristete Einflussfaktoren wie Kriege, Pandemien oder die Unterbrechung von Lieferketten von grundlegenden Paradigmenwechseln unterscheiden, die uns langfristig beeinflussen könnten, so Peter E: Huber weiter. Dazu gehörten das Comeback der Inflation, der Regimewechsel in der Notenbankpolitik von expansiv auf restriktiv oder der Kampf gegen die Klimakrise. Allerdings könnte auch die neue Allianz zwischen Russland und China die geopolitischen Gewichte langfristig - zulasten des Westens - verschieben.

An der Quelle der Inflation steht die krasse Ausweitung der Notenbankenbilanzen
Obwohl schon totgeglaubt, hat sie sich mit Steigerungsraten von 7,5 Prozent in den USA und über fünf Prozent in Europa eindrucksvoll zurückgemeldet. Für Huber kommt sie nicht überraschend und ist auch nicht vorübergehend, wie die Vertreter der Notenbanken seit Monaten den Akteuren weismachen wollen: "Wir warnen schon seit längerem davor, dass eine schier unbegrenzte Ausweitung der Notenbankbilanzen zur Finanzierung von Schuldenexzessen der öffentlichen Haushalte nicht ohne Auswirkung auf die Teuerungsraten bleiben kann. Allein seit dem Amtsantritt von Christine Lagarde im November 2019 haben sich die Anleihenbestände der EZB von 2.571 Milliarden Euro auf 4.916 Milliarden Euro fast verdoppelt. Und die amerikanische Notenbank hat in relativer kurzer Zeit ihre Bilanz um 4.500 Milliarden US-Dollar ausgeweitet."

Ein weiterer Inflationstreiber ist der Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise
Doch auch dieser kommt nicht von ungefähr, sondern hängt mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise zusammen. So wurden etwa die Banken dazu verdonnert, keine Investitionen in die Erschließung neuer fossiler Energie- und Rohstoffvorkommen mehr zu finanzieren. Entsprechend hat sich das Investitionsaufkommen großer Energiekonzerne seit 2014 mehr als halbiert, und es werden kaum mehr neue Vorkommen erschlossen. Da der Energiebedarf weltweit weiter deutlich steigt, wird das Angebotsdefizit zu noch weit höheren Preisen führen, ist Huber überzeugt.

Das Comeback der Inflation ist also hausgemacht
Sollten sich die Teuerungsraten wegen des Auslaufens der Basiseffekte in den nächsten Monaten nicht wieder auf ein Niveau von unter zwei Prozent zurückbilden und sich vielleicht noch die Konjunktur abschwächen (in den USA wird das Brutto-Inlandsprodukt zu über 70 Prozent durch den Konsum bestimmt), kämen die Notenbanken in ein echtes Dilemma. Denn sie hätten ihr Pulver verschossen, und es drohe eine Stagflation. Wieder noch mehr Geld zu drucken oder die historisch niedrigen Zinsen weiter zu senken, sei keine Option. Natürlich könne man die Inflation wirksam bekämpfen, wenn man die kurzfristigen Zinsen deutlich über die Teuerungsraten anhöbe, wie es der damalige FED-Chef Paul Volcker ab 1982 eindrücklich vorgemacht hat. Doch diese Option falle angesichts der aktuellen Staatsverschuldung aus.

Die große Umschichtung von Anlehenin Aktien kommt noch
Das traurige Fazit sei, so Huber, dass wir die nächsten zehn Jahre mit negativen Realzinsen leben müssten. Es werde deshalb zu massiven Umschichtungen aus Anleihen in Aktien kommen.

Deutliche Divergenzen auch an den Aktienmärkten
Aber auch an den Aktienmärkten haben sich seit dem Tief aus der Finanzkrise am 9. März 2009 erhebliche Divergenzen herausgebildet. So stieg per Ende Februar 2022 in EUro und inklusive Divikdenden die amerikanische Technologiebörse NASDAQ bis heute um 1.307 Prozent, der S&P 500 um 844 Prozent, der STOXX Europe 600-Index um 343 Prozent und der marktbreite japanische TOPIX gar nur um 230 Prozent:

Quelle: Bloomberg

Gewöhnlich wird argumentiert, dass diese unterschiedliche Kursentwicklung durch eine bessere Unternehmenskultur (Corporate Governance), bessere Technologie und eine bessere Gewinnentwicklung begründet ist. Peter E, Huber dazu: "Das stimmt aber nicht. Die großen Unternehmen sind heute alle international und technologisch ähnlich aufgestellt. Im Gegenteil haben zum Beispiel japanische Unternehmen in den letzten zehn Jahren eine deutlich bessere Entwicklung bei wichtigen Firmenkennzahlen (Umsätze, Gewinne, Buchwerte) aufzuweisen als die Amerikaner. Tatsächlich ist der Kursanstieg einer permanenten Höherbewertung (Multiple Expansion) geschuldet, verursacht unter anderem durch aggressive Aktienrückkäufe und überproportionale Mittelzuflüssse dank hohem US-Gewicht im MSCI-Weltaktienindex. Als Folge werden US-Aktien heute mit einem Shiller-KGV von 34,2 weit über ihrem historischen Durchschnitt bewertet, während Unternehmensanteile in Asien, Europa und den Schwellenländern deutlich moderater gepreist sind.

Quellen: Refinitiv, Taunus Trust

Peter E. Huber geht deshalb davon aus, dass sich die Bewertungen in den nächsten Jahren wieder angleichen und dass es zu erheblichen Umschichtungen aus amerikanischen Aktien in europäische und asiatische Titel kommen wird.

Bewertungsaufschlag von Wachstumsaktien
Ein weiteres Phänomen ist, dass dieser noch nie so hoch war wie heute. Huber führt aus: "Das Zukunftspotential mag gegeben sein, doch stellt sich die Frage, ob Apple tatsächlich 3.000 Milliarden US-Dollar und damit soviel wert ist, wie die 100 größten börsennotierten deutschen Gesellschaften, und ob Tesla tatsächlich weit mehr wert ist als alle europäischen Autobauer zusammengenommen. So etwas ist eigentlich nur durch eine lange Periode extrem niedriger Inflationsraten und historischer Tiefststände bei den Zinsen zu erklären, wodurch zukünftige Gewinne weit höher bewertet werden als in normalen Zeiten. Doch dieses ideale Umfeld gehört der Vergangenheit an."

Abgebildet ist der durchschnittliche Bewertungsaufschlag globaler Wachstumsaktien im Vergleich zu globalen Value-Aktien auf Basis der folgenden Bewertungskriterien: KGV, KBV, KCC und DIvidendenrendite

Quelle: Taunus Trust

Fazit
Peter E. Huber und Taunus Trust gehen davon aus, dass sich die regionale Bewertungsschere in den nächsten Jahren wieder schließen wird und aus amerikanischen in europäische und asiatische Titel umgeschichtet wird. Zudem erwartet man Umschichtungen von hoch bewerteten Wachstumsaktien in preiswerte Substanz- und Qualitätsaktien in den nächsten Jahren. (kb)

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