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EZB-Direktorin Schnabel: "Wir müssen möglicherweise energischer handeln"

Die deutsche Vertreterin im EZB-Direktorium warnt die Märkte vor zu großem Optimismus betreffend eine zukünftig freundlichere Geldpolitik und betont, dass die EZB entschlossen gegen die Inflation weiterkämpfen wird. Dieser Kampf könnte länger andauern.

Isabel Schnabel, EZB
Isabel Schnabel, EZB© Alex Kraus / Bloomberg

Die Bonner Wirtschaftsprofessorin Isabel Schnabel gehört als Direktoriumsmitglied zu den ranghöchsten Währungshüterinnen der Europäischen Zentralbank. Im Interview mit Bloomberg warnte sie vor der Gefahr, dass die Finanzmärkte die Hartnäckigkeit der Inflation unterschätzen - und damit auch die von Seiten der EZB notwendigen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung.

“Wir sind noch weit davon entfernt, die Inflation zu besiegen”, sagte Schnabel in dem Interview und verwies auf die Stärke des zugrunde liegenden Preisdrucks und raschere Lohnsteigerungen. Die Konjunktur reagiere langsamer als früher auf die Zinserhöhungen: “Wir müssen daher möglicherweise energischer handeln.”

Schnabel zeigt als "Falke" ihre Krallen
Die EZB hat für März eine weitere Anhebung um einen halben Prozentpunkt mehr oder weniger angekündigt, eine falkenhafte Haltung, die sich mit dem Ansatz der US-Notenbank deckt, die Zinssätze kontinuierlich zu erhöhen. Auf die Frage, ob Ökonomen und Anleger zu Recht davon ausgehen, dass die EZB bei einem Zinssatz von 3,5 Prozent mit der Straffung aufhören wird, gab Schnabel zu verstehen, dass dies zu optimistisch sein könnte.

“Märkte sind für Perfektion positioniert”, sagte Schnabel. “Sie gehen davon aus, dass die Inflation sehr schnell auf zwei Prozent sinken und dort bleiben wird, und dass es der Wirtschaft gut gehen wird. Das wäre ein sehr gutes Ergebnis, aber es besteht das Risiko, dass sich die Inflation als hartnäckiger erweist, als derzeit von den Finanzmärkten eingepreist wird.”

Die kurzfristigen Inflationserwartungen an den Geldmärkten haben sich nach dem energiebedingten Anstieg im letzten Jahr zwar stark zurückgebildet, aber längerfristig preisen die Händler noch eine Inflation von rund 2,4 Prozent ein, nach wie vor über dem Zwei-Prozent-Ziel der EZB.

Nach Schnabels Äußerungen erhöhten Händler ihre Wetten auf eine Zinsanhebung und rechneten erstmals mit einem Höchststand des Einlagensatzes von 3,75 Prozent bis Ende Oktober. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen stieg unterdessen um bis zu neun Basispunkte auf 2,57 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 2011.

EZB scheint unzufrieden zu sein, Lohn-/Preisspirale beginnt sich zu drehen
Schnabel, die in der EZB für Märkte zuständig ist und zu den Falken im Direktorium zählt, deutete an, dass die Notenbanker die Inflationsaussichten wahrscheinlich nicht als zufriedenstellend beurteilen werden, wenn sie im März neue Projektionen veröffentlichen.

Eine Anhebung um 50 Basispunkte im nächsten Monat sei “in praktisch allen plausiblen Szenarien” erforderlich, sagte sie und betonte: “Es gibt keinen Widerspruch zwischen unserem Prinzip der Datenabhängigkeit und diesen Absichten, weil es sehr unwahrscheinlich ist, dass die eingehenden Daten diese Absicht in Frage stellen werden.”

Während die Gesamtinflation in der Eurozone parallel zu den Energiekosten schneller als erwartet zurückgegangen ist, verharrt die Kernrate weiterhin auf Rekordhöhe. “Ein breiter Disinflationsprozess hat in der Eurozone noch nicht einmal begonnen”, erklärte Schnabel.

Die Lohnentwicklung gibt daher Anlass zur Sorge. Schnabel verwies auf Prognosen, wonach die Löhne in den kommenden Jahren um bis zu fünf Prozent steigen werden, was im Vergleich zum Inflationsziel der EZB von zwei Prozent zu hoch sei.

“Das Lohnwachstum hat deutlich angezogen”, sagte Schnabel. Angesichts der längeren Laufzeit von Lohnverträgen im Euroraum im Vergleich zu den USA und eines stärker zentralisierten Verhandlungsprozesses könne man erwarten, “dass das Lohnwachstum im Euroraum persistenter sein wird”.

Auf der Suche nach belastbarer Evidenz
Am Mittwoch bekräftigte EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Absicht der EZB, die Zinssätze auf einem Niveau zu halten, das die Wirtschaft abkühlt und dem Risiko dauerhaft höherer Inflationserwartungen vorbeugt.

Schnabel ist sich nicht so sicher, dass das derzeitige Niveau der Zinsen das Wachstum bereits bremst.

“Es ist nicht so einfach zu beurteilen, ob unsere Geldpolitik bereits restriktiv ist”, führte sie aus. Eher könnte die Risikoaversion angesichts der nachlassenden konjunkturellen Dynamik die Gesamtnachfrage geschwächt haben.

Auch der Wechsel von variablen zu festverzinslichen Hypotheken, längere statt kürzere Anleihe-Laufzeiten, ein starker Arbeitsmarkt und Investitionen zur Förderung des ökologischen Wandels könnten dazu führen, dass die Wirtschaft weniger stark auf die EZB-Politik reagiert, so Schnabel.

“Die Geldpolitik wird solange restriktiv bleiben, bis wir belastbare Evidenz dafür sehen, dass die Inflation – und insbesondere die Kernrate – zeitnah und dauerhaft auf unser Ziel von zwei Prozent zurückgeht”, erklärte die Direktorin. “Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Inflationsdruck von selbst verschwindet.”

Höheres Quantitative Tightening?
Ab März wird die EZB die Anleihebestände in Höhe von fünf Billionen Euro in ihrer Bilanz verringern. Im Zuge der sogenannten quantitativen Straffung wird die Bilanz bis Juni um durchschnittlich 15 Milliarden Euro pro Monat verkürzt. Danach könnte das Tempo schneller werden, so Schnabel, auch wenn noch nichts entschieden sei.

“Wir könnten QT beschleunigen, wie es derzeit an den Finanzmärkten eingepreist wird. Aber das muss noch entschieden werden”, sagte Schnabel. “Wir müssen die Bilanz reduzieren, und wir wollen dies auf maßvolle und vorhersehbare Weise tun, ohne Störungen zu verursachen.”

Der Prozess werde vor allem von technischen Erwägungen bestimmt, wie etwa der Frage, wie viel Liquidität benötigt wird, um die Geldmarktsätze erfolgreich zu steuern, und es werde auch berücksichtigt, inwieweit der Einfluss der EZB das Funktionieren des Marktes beeinträchtigt, sagte sie.

Da bis Ende des Jahres eine Strategieüberprüfung über die künftige Durchführung der Geldpolitik durchgeführt werde, sei es noch zu früh, um über die Zukunft von QT zu sprechen.

Die EZB sei “selbst von Endpunkten, die auf der höheren Seite liegen, noch ziemlich weit entfernt”, sagte Schnabel. “Das verschafft uns etwas Zeit, aber ich halte es trotzdem für wichtig, irgendwann einen Hinweis darauf zu geben, wo die Bilanz unserer Meinung nach enden wird.” (aa)

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