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Sind Green Bonds mehr als nur grüne Illusion?

Können grüne Anleihen, die ausschließlich zur Finanzierung ökologischer Projekte ausgegeben werden, für eine Revolution an den Finanzmärkten sorgen? Oder handelt es sich lediglich um eine grüne Illusion? Wenn man auf die jüngste Entwicklung dieses Marktes blickt, scheint Letzteres der Fall zu sein.

© vincenzo addomino/EyeEm / stock.adobe.com

Zum ersten Mal, seitdem es grüne Anleihen gibt, war deren Emissionsvolumen im Vorjahresvergleich rückläufig, berichtet Alexis Bienvenu, Fondsmanager Multi Asset bei LFDE. Der Organisation Climate Bonds Initiative zufolge sank es von 596 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 auf 443 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022. Das ist ein Rückgang um 25 Prozent. Dabei ist laut Bienvenu allerdings zu beachten, dass der gesamte Anleihenmarkt 2022 eingebrochen ist. Er stürzte angesichts einer historisch hohen Inflation, die zu aggressiven Zinserhöhungen der Zentralbanken führte, ins Chaos. In diesem Umfeld boten auch die grünen Anleihen keinen Schutz. Sie fielen sogar stärker als herkömmliche Anleihen: Der Index Bloomberg MSCI Green Bond TR Hedged USD verzeichnete 2022 -17 Prozent, verglichen mit minus elf Prozent für den Bloomberg Global Aggregate TR Value Hedged USD.

Green Bonds-Universum unterscheidet sich von breiten Benchmarks
Das liegt jedoch laut Bienvenu nicht am Nachhaltigkeitscharakter der Papiere. Einen Nachteil weisen sie allerdings auf: Sie sind weniger stark über Branchen und Instrumente diversifiziert, da der Markt noch jung ist. Das Nachhaltigkeitskonzept an sich ist aber nicht als negativ zu werten. Im Übrigen war die Entwicklung zu Beginn des Jahres 2023 das genaue Gegenteil der Situation von Anfang 2022. Die Emissionen legten im Januar im Vergleich zum Vorjahresmonat um 25 Prozent auf 39 Milliarden Euro zu. Viele Banken gehen davon aus, dass das Emissionsvolumen 2023 wieder auf das Niveau von 2021 steigt.

Grüne Pläne in USA, Europa und China dürften Marktwachstum beschleunigen
Das ist laut Bienvenu sicherlich erst der Anfang. Die Climate Bonds Initiative rechnet ab 2025 mit einem Emissionsvolumen von 5.000 Milliarden US-Dollar pro Jahr, wenn sich der Anstieg, der im letzten Jahrzehnt verzeichnet wurde, fortsetzt oder angesichts der neuen Regierungspläne in den USA (Inflation Reduction Act), Europa (Green Deal) und China sogar noch verstärkt.

Das Interesse der Investoren und der von vielen Seiten ausgehende Druck zur Dekarbonisierung der Wirtschaft dürften zudem unterstützend wirken. Damit würde ein äußerst liquider Markt entstehen. China unternimmt vielversprechende Anstrengungen auf diesem Gebiet. Obwohl die chinesische Wirtschaft noch immer stark von Kohle abhängt, war das Land der größte Emittent grüner Anleihen im Jahr 2022. Andere Länder werden das Feld sicher nicht kampflos räumen, was für eine weitere Zunahme grüner Emissionen spricht. Unterdessen werden die CO2-Emissionen hoffentlich sinken.

Misstrauen nimmt zu
Auch wenn der Rückgang des Emissionsvolumens im Jahr 2022 nur ein vorübergehendes Phänomen gewesen sein sollte, könnte ein anderer Trend eingesetzt haben: ein zunehmendes Misstrauen gegenüber verantwortungsbewussten Investments. Diese Entwicklung ist insbesondere in den USA zu beobachten. So zog sich Vanguard, der weltweit zweitgrößte Vermögensverwalter, Ende 2022 aus der Net Zero Asset Managers Initiative zurück.

Für grüne Initiativen stellt dies einen Dämpfer dar. Angesichts der allgemeinen Bestrebungen hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft ist es allerdings schwer vorstellbar, dass sich diese Entwicklung deutlich negativ auf grüne Finanzprodukte auswirken wird. Die Marktakteure werden sich schlicht darauf einstellen müssen.

Say-Do-Gap überwinden
Grüne Anleihen und nachhaltige Anleihen im Allgemeinen werden jedoch durch einen weiteren, wichtigen Umstand belastet, hält Bienvenu fest. Gemeint ist nicht der im Vergleich zu konventionellen Anleihen etwas höhere Preis. Denn die Anleger sind offenbar bereit, etwas mehr für einen Titel zu zahlen, den sie aus anderen Gründen für sinnvoll halten. Das Hauptrisiko ist, dass irreführende Aussagen über den ökologischen Wert von Projekten, d. h. Greenwashing, das Vertrauen der Anleger untergraben.

So geht die Climate Bond Initiative in ihrem Bericht von 2021 davon aus, dass nur 20 Prozent der grünen Anleihen die Voraussetzungen für eine Zertifizierung erfüllen. Damit sich der grüne Markt weiterentwickeln kann, müssten es mindestens 80 Prozent sein. Die Liste der Herausforderungen ist nach wie vor lang.

"Wenn grüne Anleihen zum Standard in Portfolios werden sollen, reicht die Angabe, man investiere in grüne Projekte, nicht aus – Emittenten müssen entsprechend handeln und es auch belegen. Nur unter dieser Voraussetzung können grüne Anleihen mehr als eine Illusion sein. Bis dahin ist es die Aufgabe des Anlegers, den tatsächlichen ökologischen Wert der jeweiligen grünen Anleihe gründlich zu analysieren", empfiehlt Bienvenu abschließend. (aa)

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