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Pimco: Das ist zukünftig von den Schwellenländern zu erwarten

Da die beschleunigte Disruption das makroökonomische Umfeld verändert, erwartet Pimco eine erhöhte Volatilität, aber zugleich auch Anlagechancen in den Schwellenländern.

Gene Frieda, Global Strategist beim Vermögensverwalter Pimco
Gene Frieda, Global Strategist beim Vermögensverwalter Pimco© Pimco

"Unserer Ansicht nach werden die externen Faktoren, die traditionell einen großen Einfluss auf Schwellenländer ausüben, an Bedeutung verlieren. Dies meint insbesondere das chinesische Wirtschaftswachstum sowie das Zinsniveau in den USA. Das langsamere BIP-Wachstum in China wird den Einfluss auf die Konjunkturzyklen der Schwellenländer dämpfen. Gleichzeitig wird das anhaltende übergeordnete Niedrigzinsumfeld in den USA den Einfluss der US-Notenbank auf die Kapitalströme in die Emerging Markets verringern", schreiben Gene Frieda, Global Strategist, Pimco, und Pramol Dhawan, Leiter Emerging Markets, Pimco, in einer "Institutional Money" exklusiv vorliegenden Marktanalyse.

Stattdessen sehen Frieda und Dhawan die Schwellenländer künftig mit einer Reihe komplexer externer Faktoren konfrontiert. Darunter der Konflikt zwischen den USA und China, der Klimawandel sowie die Bemühungen um dessen Eindämmung, die schnelle Verbreitung von Technologien, aber auch politischer Populismus. Es ist davon auszugehen, dass die Beurteilung der Sensitivität der Schwellenländer gegenüber jedem dieser Disruptoren zunehmend wichtiger wird.

Ausgangslage
Zunächst sei festzuhalten, dass COVID-19 die Bilanzen der Emerging Markets auf aggregierter Ebene nicht grundlegend verändert hat. Die meisten Schulden sind nach wie vor in Landeswährung denominiert, die Kreditaufnahme des Privatsektors hat nicht zugenommen und die Inflation scheint auf einem gedämpften Level geblieben zu sein. Mit Blick auf die Zukunft dürften die weltweit niedrigen Zinssätze dazu beitragen, die durch den Schuldendienst entstehende Belastung der öffentlichen Haushalte der Schwellenländer trotz höherer Staatsverschuldung in Grenzen zu halten. Friedas und Dhawans Einschätzung nach ist davon auszugehen, dass die meisten Schwellenländer kreditwürdig bleiben. Die relevanteren Fragen beziehen sich auf die Risiken der künftigen Wachstumsaussichten.

Wo es hohes Wachstum gibt
Hier sehen Frieda und Dhawan zwei mögliche Komplikationen. Erstens haben sich die regionalen Unterschiede stärker ausgeprägt: Die Risiken für das künftige Wachstum haben in Lateinamerika, China und Afrika zugenommen, während sich die Wachstumsaussichten in den aufstrebenden Ländern Europas und Asiens (ohne China) verbessert haben.

Zweitens gibt es abseits der standardmäßigen Risikofaktoren weitere Anzeichen für gesellschaftlichen Stress, die unter Oberfläche brodeln. Soziale Not und steigende Arbeitslosigkeit infolge hoher COVID-19-Infektionsraten sowie verzögerter Impfprogramme scheinen das Produktivitätswachstum zu beeinträchtigen und die Haushaltseinkommen durch höhere Lebensmittel- und Energiekosten zu schmälern. Die Wachstumsmodelle vieler Länder müssen sich weiterentwickeln. Manche werden diese Transformation meistern, andere jedoch nicht.

Säkulare Antriebskräfte
Soweit es die säkularen Antriebskräfte betrifft, beobachtet Pimco die potenziellen Störungen durch Populismus weiterhin sehr genau. Zwar beginnen sowohl China als auch die USA damit, die zunehmende Einkommensungleichheit zu bekämpfen, doch Frieda und Dhawan erwarten trotzdem, dass sich diese zum einen innerhalb der meisten Schwellenländer und zum anderen zwischen den Emerging Markets und den entwickelten Märkten in der kommenden Dekade verschärft. "Es wird deshalb noch wichtiger, Frühwarnindikatoren für qualitativ schwächere Schwellenmärkte, die möglicherweise von einem harten Schuldenausfall bedroht sind, in unsere Analyse einzubeziehen", betonen Frieda und Dhawan.

In Bezug auf den Klimawandel sei besonders interessant, dass gerade die am stärksten von der globalen Erwärmung betroffenen Schwellenländer am meisten von einem raschen Übergang von brauner zu grüner Energie profitieren. Mit der anhaltenden Zunahme ESG-orientierter Mandate sehen Frieda und Dhawan eine steigende Tendenz, Kapitalflüsse in Schwellenländer mit einem „gerechten Übergang“ zu verknüpfen. Diese Praxis unterstützt die Länder, Sektoren und Einzelpersonen, die potenziell wirtschaftlich am meisten zu verlieren haben und wo der grüne Nutzen am größten sein könnte.

Zudem ergeben sich aus einer beschleunigten Digitalisierung heraus erhebliche potenzielle Gewinne für Schwellenländer. Ob als Instrument für die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen oder die finanzielle Inklusion durch einen breiteren Zugang der Gesellschaft zu Krediten, erachten Frieda und Dhawan die beschleunigte Verbreitung von Technologie für die meisten Schwellenländer insgesamt gesehen als positiv. Die entscheidende Herausforderung wird wohl darin bestehen, denjenigen, die durch den Wandel verdrängt werden, sinnvolle Alternativen zu bieten.

Schlussfolgerungen
Insgesamt gehen Frieda und Dhawan davon aus, dass die externe Kreditwürdigkeit im Allgemeinen intakt bleiben wird, wenn auch mit einer stärkeren Aufspaltung zwischen den stabileren Ländern und einer kleinen Untergruppe ausfallgefährdeter und fragiler Staaten.

Die lokalen Märkte der Schwellenländer bieten weiter ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Hier werden tendenziell größere Risikoprämien zu finden sein, da die traditionellen Wachstumsmodelle eine Disruption durchlaufen. Gleichzeitig kann eine niedrige Inflation nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden.

Die Belastung durch eine straffere Geldpolitik kann als Ausgleich für fiskalische Risiken kurzfristig einen starken Katalysator für die Aufwertung der Wechselkurse darstellen, auch wenn dies zu einer Verlangsamung des Wachstums führt.

Dem Liquiditäts- und Politikrisiko sollte insgesamt wieder ein höheres Gewicht beigemessen werden, da verschiedene Formen von Kapitalkontrollen und unkonventionellen Marktinterventionen wieder zum Instrumentarium der Politik in den Schwellenländern gehören.

"Obwohl es momentan relativ betrachtet an Risikoprämien mangelt, sind wir der Ansicht, dass Asien in Zukunft wohl ein vielfältiges Chancenspektrum bieten wird, da dort gleichzeitig Anstrengungen unternommen werden, die Lieferketten neu auszurichten, die Wertschöpfungskapazitäten in der Produktion zu verbessern und die Bereiche mit übermäßigen Investitionen in China zu zügeln", halten Frieda und Dhawan fest.

Generell dürften die säkularen Antriebskräfte ein volatiles und weniger synchronisiertes globales Wirtschaftswachstum mit differenzierteren Anlagemöglichkeiten in den einzelnen Ländern mit sich bringen. "Aktive Manager, die verstehen, wie sich die genannten disruptiven Kräfte auf die verschiedenen Volkswirtschaften der Emerging Markets sowie die Anlageklassen auswirken, sollten in der Lage sein, Risikoprämien besser zu bewerten", betonen Frieda und Dhawan abschließend. (aa)

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