Logo von Institutional Money
| Märkte

Ninety One über die Aussichten des taumelnden Sri Lankas

Sri Lankas Bevölkerung kriegt nun die Rechnung für eine langjährige schlechte Politik, zu der auch eine verfehlte Öko-Wende gehört, präsentiert. Den entscheidenden Todesstoß gaben nun höhere Rohstoffkosten. Ninety Ones Head of Fixed Income erklärt, wie es nun aus Investorensicht weitergehen könnte.

Peter Eerdmans, Ninety One
Peter Eerdmans, Ninety One© Ninety One

Nachdem sich die Wirtschaftskrise Sri Lankas weiter zuspitzt, ist es Peter Eerdmans, Head of Fixed Income bei Ninety One, angebracht, die aktuelle Situation näher zu beleuchten. "Seit Langem sind wir der Ansicht, dass Sri Lankas Wirtschaftspolitik zu locker und nicht nachhaltig ist. Diese Einschätzung schlägt sich auch in unserem schwachen Governance-Rating nieder, das wir dem Land basierend auf unserer ESG-Bewertung erteilt haben. Das Versprechen von „Wohlstand und Glanz“, das der Regierung 2019 zum Wahlsieg verhalf, beinhaltete großzügige Steuersenkungen, die sich Sri Lanka schon vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie nicht leisten konnte. Zwei Jahre später hat sich die Situation angesichts der hohen Inflation und steigenden Rohstoffpreise weiter zugespitzt", schreibt Eerdmans in einem "Institutional Money" exklusiv vorliegenden Beitrag.

Hoher Ölpreis ließ Anleihenotierungen einbrechen
Im vergangenen Monat stieg der Preis für ein Barrel Öl auf über 130 US-Dollar, und mit ihm stürzte der Kurs der Staatsanleihe des erdölimportierenden Landes auf ein notleidendes Niveau ab. Danach gab es zaghafte positive Signale, denn die Regierung wandte sich mit der Bitte um Unterstützung an den IWF. Zugleich hob die Zentralbank die Währungsanbindung der Sri Lanka-Rupie auf, sodass diese abwerten konnte. Darauf reagierten Anleiheninvestoren positiv, und die Anleihenkurse erholten sich, berichtet Eerdmans.

Aber die Umsetzung der neuen Devisenpolitik ließ zu wünschen übrig, moniert Eerdmans: Der Zentralbank fehlten die nötigen Reserven, um die Währung zu stützen. Zudem weigerte sie sich, die Zinsen zu erhöhen, da dies den Schuldendienst der hoch verschuldeten Wirtschaft weiter verteuert hätte. Das Ergebnis war ein weiterer Wertverlust der Sri Lanka-Rupie und ein US-Dollar-Engpass, wodurch die Inflation in die Höhe schnellte und Importe unerschwinglich wurden. Der daraus folgende Mangel an Medikamenten, Gas und Lebensmitteln löste schließlich Proteste aus.

Fakt seit Eerdmans zufolge, dass Sri Lanka strukturelle Probleme hat, die schnell und entschlossen angegangen werden müssen. Das sieht auch der IWF so. Angesichts einer Verschuldung im Verhältnis zum BIP nach Freigabe der Währung, die wahrscheinlich auf 150 Prozent zusteuert, einem Verhältnis von Zinsen zu Schuldendienst und Staatseinnahmen von rund 100 Prozent und kaum noch vorhandenen Devisenreserven bleibt fürs Gegensteuern nicht mehr viel Zeit.

"Kurzum, alle Hoffnungen auf einen positiven Politikwechsel im Land haben sich zerschlagen", bringt es Eerdmans auf den Punkt.

Mehrere Szenarien
Für Investoren gibt es nun Eerdmans zufolge eine Vielzahl potenzieller Szenarien, die sie bei der Beurteilung von Anlagen in sri-lankischen Schuldtiteln analysieren müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es zweifellos mehr Fragen als Antworten. Nachstehend hat Eerdmans daher die wichtigsten Punkte aufgeführt, die Investoren in den kommenden Tagen und Wochen im Auge behalten sollten:

  • Mittlerweile sind das gesamte Kabinett und der Zentralbankgouverneur zurückgetreten, sodass nur noch der Premierminister und der Präsident im Amt sind. Derzeit ist wohl davon auszugehen, dass die Unruhen und Proteste erst nach einem vollständigen Regierungswechsel aufhören werden.
  • Wichtig wird auch sein, wer nach dem Rücktritt von Cabraal das Amt des Zentralbankchefs übernimmt und welche Maßnahmen die Währungshüter auf ihrer nächsten Sitzung beschließen werden. Cabraal war einer der Architekten des volkswirtschaftlichen Rahmens der letzten Jahre und hatte sich ablehnend gegenüber einer möglichen Einschaltung des IWF geäußert. Ein orthodoxerer Zentralbankgouverneur wäre daher eine äußerst positive Entwicklung.
  • Nachdem Sri Lanka im März den IWF um Beistand bat und sich die Lage seitdem deutlich verschlechtert hat, wird der Markt das für diesen Monat angesetzte Treffen mit dem Währungsfonds aufmerksam verfolgen, um zu sehen, ob Fortschritte im Hinblick auf ein mögliches IWF-Programm erzielt wurden.

"Investoren müssen darüber hinaus weitere Überlegungen bei ihren Entscheidungen berücksichtigen, insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen Umschuldung. Vorerst aber halten wir die vorgenannten Punkte für die dringlichsten", merkt Eerdmans an.

Großes Langfristpotenzial
Eine Umschuldung, die Sri Lanka und Investoren gleichermaßen nützt, sei durchaus im Bereich des Möglichen, angesichts des Potenzials, dass das Land zu bieten hat. Voraussetzung ist, dass der politische Wille vorhanden ist. Allerdings ist der Weg dorthin ungewiss und nichts für Kurzstreckenläufer.

"Längerfristig hat Sri Lanka, gestützt auf solide Institutionen wie eine unabhängige Justiz und eine junge, gut ausgebildete Bevölkerung mit wachsendem Unternehmergeist erhebliches Potenzial, das realisiert werden kann, sobald die strukturellen wirtschaftlichen Probleme des Landes vernünftig angegangen werden", macht Eerdmans abschließend Hoffnung. (aa)

Dieses Seite teilen