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Fidelity: Den Realitätscheck müssen die Märkte erst noch bestehen

Im bevorstehenden, neuen Anlagejahr werden Investoren mit zahlreichen Herausforderungen, wie die mögliche Rückkehr der Inflation oder einem schwächeren US-Dollar konfrontiert werden. Ein "sicherer Hafen" bietet sich auf der anderen Seite der Erdkugel an.

Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International
Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International© Fidelity International

Für Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International, ist trotz der mauen wirtschaftlichen Entwicklung Inflation weiterhin ein kontroverses Thema. Das ist insofern interessant, weil momentan von Inflation weit und breit keine Spur ist. Genauso wenig wie im gesamten letzten Jahrzehnt.

"Warum gibt es dann überhaupt diese Diskussion? Wir haben eine enorme Ausweitung der Geldmengen erlebt, die in dieser Form historisch immer zu einer Inflation geführt haben. Und zweitens dürften auch die Fiskalprogramme ihr Übriges tun, um inflationäre Effekte anzufachen", warnt Roemheld.

Lange Durationen vor volatilen Zeiten
Das alles stehe im starken Kontrast zu den enormen disinflationären säkularen Trends, die wir seit einigen Jahren sehen: Demografie, Technologie, Zombifizierung etc. In Kombination mit dem neuen Regime der FED, kurzfristige Anstiege der Inflationsraten erst einmal laufen zu lassen, könnte dies gerade für den Anleihebereich im neuen Jahr interessant werden. Auch hier sind laut Roemheld höhere Schwankungen zu erwarten, gerade für Papiere mit langer Duration wie z.B. länger laufende Staatsanleihen.

Die Jagd nach Renditen wird Roemhelds Einschätzung nach erhalten bleiben, daher dürften Unternehmensanleihen weiter gefragt sein, auch durch den anhaltenden Kaufdruck der Zentralbanken. Diversifikation sei einmal mehr das Gebot der Stunde. Sie werde umso notwendiger als die Schwankungen steigen und die Markttrends sich verkürzen. Klassische Staatsanleihen weisen nicht mehr die historisch defensiven Eigenschaften und niedrige Korrelationen auf. "Warum nicht einmal den Blick beispielsweise auf chinesische Bonds werfen, die genau diesen Anspruch erfüllen können", empfiehlt Roemheld.

Möglichkeiten zur Diversifizierung: Asiens Führungsrolle
Auch auf regionaler Ebene muss klar differenziert werden. Die „globale Weltwirtschaft“ gibt es nicht mehr, weil die Hilfsprogramme und die Erholungspfade viel zu unterschiedlich verlaufen. Das hat auch einen Einfluss auf Währungen und Volatilitäten.

Auf mittlere Sicht erwartet Fidelity International, dass die Schwäche des US-Dollars anhalten wird, solange die US-Notenbank an einer lockeren Geldpolitik festhält. Das wäre positiv für die Märkte außerhalb der Vereinigten Staaten, insbesondere in Asien. China hält seine Geldpolitik auf eher neutralem Niveau, nachdem es seine Banken zur Geduld mit Unternehmen aufgefordert hat, deren Geschäft unter der Coronavirus-Krise leidet. Gleichzeitig treibt die chinesische Regierung inländische Reformen voran. Dadurch könnten sich die Erträge im Jahr 2021 stabilisieren, sodass chinesische Unternehmen globalen Investoren ein gewisses Maß an Diversifizierung bieten würden.

Asien wird als Konsequenz aus der Krise eine neue Führungsrolle an den Märkten übernehmen. Das drückt sich in der schnelleren Erholung und den höheren Wachstumserwartungen aus. Neben einem schwächeren US-Dollar sollten moderate Ölpreise dabei ebenso helfen. Durch die bessere wirtschaftliche Lage und eher gezielte als breite Stimulus-Maßnahmen sei die Abweichung der volkswirtschaftlichen Lage zu den Kapitalmärkten nicht so ausgeprägt wie in den USA oder Europa. Das kürzlich bekanntgegebene Handelsbündnis RCEP dürfte zu einer weiteren Stärkung der Region im globalen Kontext beitragen.

Realitätscheck voraus
"Halten wir fest: Mehrere Unsicherheitsfaktoren werden die Finanzmärkte 2021 begleiten. Der Zeitpunkt der Bereitstellung von Impfstoffen, die Auswirkungen der geld- bzw. fiskalpolitischen Anreize und das Gewinnwachstum sind zentrale Ankerpunkte. Klar ist, wo eine Krise herrscht, entstehen auch Chancen. Wenn allerdings die Bewertungen an den Märkten zu sehr vom Prinzip Optimismus getrieben werden, sollten Anleger wachsam bleiben. Den Realitätscheck müssen die Märkte erst noch bestehen", erklärt Roemheld abschließend. (aa)

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