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Drei Fragen, die für EMD-Investoren im Fokus stehen

Peter Eerdmans, Head of Fixed Income bei Ninety One, befasst sich in einer aktuellen Markteinschätzung mit drei jener Fragen, die für Emerging Market Debt (EMD)-Investoren aktuell im Mittelpunkt stehen.

Peter Eerdmans, Head of Fixed Income bei Ninety One
Peter Eerdmans, Head of Fixed Income bei Ninety One© Ninety One

Für institutionelle Investoren in Schwellenländeranleihen (EMD) stehen drei Fragen aktuell besonders im Fokus, schreibt Peter Eerdmans, Head of Fixed Income bei Ninety One und gibt darauf in einer "Institutional Money" exklusiv vorliegenden Analyse die Antworten. Die erste Frage sei die nach der Anfälligkeit der Schwellenmärkte für die aktuellen makroökonomischen Herausforderungen.

Wir befinden uns seit Jahresanfang in einem Bärenmarkt für Anleihen, mit steigenden Renditen und sich ausweitenden Credit Spreads. Rechnet man die zugrunde liegenden US-Vermögenspreiseffekte heraus, haben sich Schwellenländeranlagen – ohne Russland und die Ukraine – sehr gut gehalten. Dies spiegelt die fundamentale Stärke vieler Volkswirtschaften in den Schwellenländern und den orthodoxen, konservativen Ansatz ihrer Zentralbanken wider, merkt Eerdmans an.

Günstige Ausgangsposition
Im vergangenen Jahr haben die Zentralbanken der Schwellenländer umsichtiger agiert als ihre Pendants in den Industrieländern und die Zinsen schnell angehoben. Die schmerzhaften Auswirkungen dieser Zinserhöhungen haben viele Schwellenländer daher bereits größtenteils überwunden. Die Lebensmittel- und Energiepreisinflation dürfte zum Jahresende nachlassen, wenn die Basiseffekte der Rohstoffpreiserhöhungen aus der Zeit vor der Krise zum Tragen kommen. Daher sieht Eerdmans viele Schwellenländer jetzt in einer günstigeren Ausgangsposition.

Besser aufgestellt als 2013
Anders als zur Zeit des ‚Taper Tantrum‘ von 2013 – als die Fed mit der Rücknahme ihrer ultraexpansiven Geldpolitik eine Schockwelle an den Finanzmärkten auslöste – haben die Schwellenländer dank günstiger Handelsbedingungen zuletzt hohe Leistungsbilanzüberschüsse erzielt. Dadurch haben ihre Zentralbanken die Zinsen während der Coronakrise senken können, ohne sich zu große Sorgen über eine Schwächung ihrer Währungen machen zu müssen. Der anschließende Nachfrageschub nach Schwellenländerexporten hat die Außenbilanzen gestützt.

Der jüngste Anstieg der Rohstoffpreise kommt einigen Schwellenländern besonders zugute und hat die Kluft zwischen Rohstoffexporteuren und -importeuren vergrößert. Auch der verstärkte Fokus auf die Energiesicherheit dürfte einigen Schwellenländern Auftrieb geben. Einige Energieimporteure haben ein gutes langfristiges Produktivitätswachstum erzielt und zeichnen sich durch starke Bilanzen und Auslandspositionen aus. Dadurch dürften ihre Vermögenswerte trotz der höheren Importkosten widerstandsfähig bleiben.

Frage zwei: Sind langfristige Investitionen in EMD immer noch sinnvoll?
Das Renditegefälle zwischen den verschiedenen Segmenten der EM-Anleihenmärkte ist immer noch beträchtlich. In den wichtigsten Indizes liegen die nominalen Renditen zwischen 6,8 Prozent (Staatsanleihen in Lokalwährung) und 8,2 Prozent (Staatsanleihen in Hartwährung), verglichen mit einer Rendite von 2,9 Prozent für US-Staatsanleihen (Stand: 31. Juli 2022). Der Unterschied bei den realen Renditen ist ebenfalls deutlich: Die negativen realen Renditen in den USA vergleichen sich mit einer realen Rendite von deutlich über zwei Prozent für den wichtigsten EM-Lokalwährungsanleihenindex.

Das Wachstum in den Schwellenländern übertrifft weiter das der Industrieländer - wobei sich der Abstand im nächsten Jahr voraussichtlich deutlich vergrößern wird. Auch die konjunkturelle Dynamik spricht für die Schwellenländer: Wenn die USA die außergewöhnliche geldpolitische Unterstützung zurückfahren und sich ihre Wachstumsaussichten abschwächen, erwartet Ninety One eine Outperformance der Wachstumswerte der Schwellenländer.

Gerade bei der Bottom-up-Auswahl von Ländern ist es jedoch wichtig, zwischen strukturellen und zyklischen Faktoren zu unterscheiden. Die beständigen Produktivitätssteigerungen in Asien sowie in Mittel- und Osteuropa sind strukturell bedingt. Dagegen ist die aktuell gute Haushaltslage vieler Staaten in Lateinamerika, dem Nahen/Mittleren Osten und Afrika, die vor allem auf die hohen Rohstoffpreise zurückzuführen ist, wahrscheinlich eher zyklischer Natur. Allerdings könnten die weltweiten Weichenstellungen hin zu einer Netto-Null-Emissionen-Wirtschaft dazu führen, dass die Trends auf den Energie- und Rohstoffmärkten künftig ebenfalls in die Kategorie struktureller Veränderungen fallen.

Frage drei: Ist jetzt ein guter Zeitpunkt für einen Einstieg in Schwellenländeranleihen?
Die Ergebnisse von Ninety Ones eingehenden Analysen zu Inflations- und Zinserhöhungszyklen stimmen aus der Top-down-Perspektive relativ vorsichtig. "In einem komplexen globalen Umfeld, das klare Gewinner und Verlierer hervorbringen dürfte, legen wir den Schwerpunkt bislang stärker auf die Bottom-up-Auswahl. Unser konstruktiver mittelfristiger Ausblick wird auch durch die Erwartung einer kurzfristig anhaltenden Volatilität getrübt", betont Eerdmans.

Durch den Krieg in der Ukraine und die damit verbundene geopolitische Komplexität sehen sich die US-Notenbank und die EZB mit einer komplizierteren Gemengelage konfrontiert, was die Entwicklung von Inflation und Wachstum angeht. Das bekommen auch die Schwellenländer zu spüren.

Allerdings sind EM-Anlagen aktuell günstig – sowohl im Vergleich zum historischen Durchschnitt als auch zu ihren Industrieländer-Pendants. Die Bewertungen deuten darauf hin, dass eine milde Rezession bereits eingepreist ist und die Märkte sogar fast schon eine harte Rezession vorwegnehmen (auch wenn diese nicht Ninety Ones Basisszenario ist). "Das heißt: Wir könnten uns einem attraktiven Einstiegszeitpunkt nähern", erklärt Eerdmans abschließend. (aa)

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