Logo von Institutional Money
| Märkte

Columbia Threadneedle: „Anlagechancen noch nie da gewesenen Ausmaßes“

Ob und inwieweit bei nachhaltigen Aktien eine Blasengefahr beziehungsweise zünftige Underperformance-Risiken bestehen und wie lang dieser Boom noch anhalten könnte, erläutert Andrea Carzana von Columbia Threadneedle im Interview mit „Institutional Money“.

Andrea Carzana, Columbia Threadneedle Investments
Andrea Carzana, Columbia Threadneedle Investments© Columbia Threadneedle Investments

Andrea Carzana, Portfoliomanager für europäische Outcome-Aktienstrategien bei Columbia Threadneedle Investments, sieht aus heutiger Sicht zwar bei nachhaltigen Aktien noch keine Blase und auch keine Klumpenrisiken, wohl aber irgendwann die Gefahr einer drohenden Underperformance, wenn zu viele Investoren auf die gleichen Aktien setzen und deren Kurse hochtreiben. Aus diesen Gründen sollten Investoren bei nachhaltigen Aktien auf aktive Fondsmanager setzen, die auf fundamentale Daten achten und die bestens Unternehmen auswählen – sowohl aus nachhaltiger, wie auch aus finanzieller Sicht.

IM: Herr Carzana, drohen bei nachhaltigen Aktien eine Blase oder zumindest Klumpenrisiken?
Andrea Carzana: Nein. Da immer mehr Unternehmen nachhaltiger werden, wächst das Anlageuniversum. Das bedeutet mehr Chancen für aktive Investoren. Viele Firmen suchen nach Alternativen zu traditionellen, kohlenstoffintensiven Geschäftsmodellen. Sie wollen stärker auf erneuerbare Energien setzen und umweltfreundlicher werden. Wenn sich die Bewertungen einiger Aktien auf Blasen-Niveaus befinden, ist es unsere Aufgabe als aktive Investoren, die besten Chancen zu finden – aus nachhaltiger ebenso wie aus finanzieller Sicht.

Droht bei nachhaltigen Aktien, die vielfach als hoch bewertet gelten, zukünftig eine Underperformance?
Carzana: Es besteht durchaus ein Risiko, dass alle auf das gleiche Thema oder die gleiche Aktie setzen und dabei andere Segmente außen vor lassen, zum Beispiel soziale. Daher ist ein ganzheitlicher Ansatz beim nachhaltigen Investieren wichtig. Wir schauen nicht nur darauf, wie ein Unternehmen aktuell dasteht, sondern auch, wohin es sich entwickelt – zum Beispiel, ob es künftig nachhaltige Ergebnisse erzielen wird. Ebenso wichtig ist uns, wie es diese Ergebnisse erzielt. Darüber hinaus reduziert eine aktive Wertpapierauswahl zyklische Risiken.

Ich hake nochmals nach: Kann es durch die massiven Zuflüsse in nachhaltige Fonds zu Marktverzerrungen kommen?
Carzana: Wir glauben, dass Investitionen börsengehandelter Indexfonds anhand von Umwelt- und sozialen Kriterien sowie Aspekten der Unternehmensführung (ESG) bei einigen Aktien zu hohen Bewertungen, Kapazitätsproblemen und Verwerfungen führen können. Als aktive Investoren können wir solche Verwerfungen nutzen – weil wir Unternehmen identifizieren, die heute vielleicht noch nicht führend im Bereich ESG sind, aber auf dem Weg dorthin. Index-Anleger beziehungsweise ETFs erfassen solche Unternehmen nicht unbedingt. Zudem wächst das entsprechende Anlageuniversum, weil immer mehr Unternehmen die Bedeutung von ESG-Kriterien erkennen.

Umgekehrt gefragt: Welche Argumente sprechen gegen eine Blase bei nachhaltigen bzw. ESG-Aktien?
Carzana: Es mag Blasen in einigen Segmenten oder in Bezug auf einzelne Aktien innerhalb des ESG-Universums geben. Aber wenn man sich zum Beispiel die Bewertungen im Pharmasektor anschaut, der aus sozialer Sicht extrem wichtig ist, stellt man fest: Dieser Sektor befindet sich definitiv nicht im Bereich einer Blase. Zudem gibt es viele Unternehmen, die heute noch nicht als nachhaltig gelten, die sich aber in einem Übergangsprozess befinden, um in Zukunft ökologisch und sozial führend zu werden. Unser Fokus als aktiver Investor liegt also nicht nur auf den großen Unternehmen, die heute als Nachhaltigkeitsvorreiter gelten und von denen einige eine hohe Bewertung aufweisen. Er liegt auch auf den künftigen Marktführern in Sachen Nachhaltigkeit. Gerade diese Unternehmen bieten besonderes Alpha-Potenzial.

Sehen Sie die Gefahr, dass Fondsmanager Tech-Aktien („FANG“ et al.) - zum Beispiel aus Liquiditätsgründen - als „nachhaltige Aktien“ kaufen, statt Aktien von „echten“ ESG-Unternehmen?
Carzana: Asset Manager sollten Erwartungen klar formulieren und transparent machen, nach welchen Kriterien sie investieren. Wenn Sie beispielsweise eine Sustainable Outcome-Strategie verfolgen, die auf finanzielle Inklusion abzielt, dann kann ein Fintech-Unternehmen sinnvoll sein, da es mehr Menschen den Zugang zu Bankgeschäften ermöglicht. Es gibt bestimmte Sektoren, bei denen es schwierig ist, einen positiven Beitrag zu erkennen. So sind beispielsweise Alkohol- und Tabakwerte eindeutig nicht mit dem dritten UN-Nachhaltigkeitsziel „Gesundheit und Wohlergehen“ vereinbar, während Unternehmen mit einer hohen Produktion fossiler Brennstoffe nicht mit SDG 7 „Bezahlbare und saubere Energie“ zusammenpassen. Daher kommen sie für unsere Sustainable Outcome-Strategien nicht in Frage.

Darüber hinaus schließt unser Ansatz im Gegensatz zu einigen Mitbewerbern bestimmte große Technologie-Unternehmen aus, und zwar aufgrund von Kontroversen um wettbewerbswidriges Verhalten, Fragen der Datensicherheit und des Datenschutzes sowie kontroversen Steuerpraktiken. Von den Wachstumstreibern, die hinter den entsprechenden Aktien liegen, können wir auch auf andere Weise profitieren.

Wie viele Jahre könnte der Boom bei „nachhaltigen“ Aktien noch andauern?
Carzana: Dabei handelt es sich nicht um einen Trend, sondern um eine strukturelle Veränderung. Die Welt produziert jährlich weiterhin ca. 51 Milliarden Tonnen Treibhausgase. Bevor alle Unternehmen grün werden können, benötigen wir Alternativen, um diese Emissionen zu vermeiden. Was das bedeutet, ist klar: Innerhalb der nächsten Jahrzehnte braucht es Rekordinvestitionen in die globale Energiewende. Das eröffnet Anlagechancen noch nie da gewesenen Ausmaßes. Viele der erforderlichen Technologien müssen erst noch kommerzialisiert werden.

Wie verhindern Sie, dass Sie in zu expansive/überbewertete ESG-Aktien investieren, ohne die Performance zu verlieren, falls grüne Aktien in Zukunft weiter ansteigen?
Carzana: Als aktiver Asset Manager wollen wir keine überbewerteten Aktien besitzen. Denn unser Ziel ist eine attraktive finanzielle und nachhaltige Entwicklung. Wobei es einen Unterschied zwischen teuer und überbewertet gibt: Wir haben kein Problem damit, in eine relativ teure Aktie zu investieren, wenn eine starke Wachstumschance diese Bewertung rechtfertigt. Daher schauen wir auf den intrinsischen Wert eines Unternehmens, auf Grundlage der Analysen unseres internen Research-Teams. Darauf aufbauend betrachten wir die Nachhaltigkeitsziele der Firmen und schauen, ob es entsprechende Nachweise gibt. Denn Unternehmen, die einen positiven Beitrag zu ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsthemen leisten, sind langfristig wettbewerbsfähiger als Unternehmen, die sich nicht an diesen Themen orientieren. Insgesamt hat die strukturelle Verschiebung in Richtung Nachhaltigkeit enorme Auswirkungen auf die Wachstums- und Risikobetrachtung.

Da immer mehr Unternehmen "grün" werden und ihre ESG-Strategien verbessern: Könnten eines Tages fast alle Unternehmen "grün" sein?
Carzana: Ja, denn es handelt sich um eine strukturelle Verschiebung. Sowohl Verbraucher als auch Kapitalmärkte bewegen Unternehmen zu einem nachhaltigeren Verhalten, auch wenn der Weg ans Ziel lang ist. Die Welt stößt jedes Jahr noch immer rund 51 Milliarden Tonnen Treibhausgase aus. Wir müssen Alternativen finden, um diese Emissionen zu ersetzen. Dabei spielen wir als Investoren eine wichtige Rolle. Denn wir lenken Kapital in Unternehmen, die den Übergang zu einer emissionsneutralen Wirtschaft entweder bereits anführen oder Technologien entwickeln, die diesen Übergang ermöglichen. Zu Nachhaltigkeit gehört aber auch der soziale Aspekt, zum Beispiel der Zugang zu Trinkwasser.

Die Zuflüsse in ESG-Strategien nehmen weiter an Fahrt auf, und das Spektrum an nachhaltigen Anlagelösungen wächst. Welche Entwicklungen gibt es aktuell?
Carzana: Innerhalb des nachhaltigen Anlagespektrums gibt es einen vergleichsweise jungen Ansatz: Sustainable Outcome-Fonds. Dabei handelt es sich um Investmentfonds, die konkret messbare nachhaltige Wirkungen erzielen wollen. Momentan stecken diese Strategien noch in den Kinderschuhen, doch sie wachsen sehr dynamisch. Denn sie sind eng mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs) verbunden, auf die Anleger zunehmend schauen. Vor diesem Hintergrund investieren Sustainable Outcome-Fonds unter anderem in Unternehmen und Technologien, die der Weltwirtschaft ermöglichen, noch zu unseren Lebzeiten emissionsneutral zu werden. Dies ist neben der ökologischen Wirkung auch aus Renditesicht interessant. Denn entsprechende Unternehmen können sich langfristig Wettbewerbsvorteile sichern.

Wir danken für das Interview. (aa)

Dieses Seite teilen