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Bantleon: EZB sendet taubenhafte Untertöne

Nach Einschätzung von Jörg Angelé, Senior Economist bei Bantleon, zeigt sich die Europäische Zentralbank entspannter hinsichtlich zukünftiger Zinserhöhungen. Nach einem 50-Basispunkte-Schritt könnte 2023 gar kein Schritt erfolgen.

Jörg Angelé, Bantleon
Jörg Angelé, Bantleon© Thomas Wieland/Bantleon

Die erneute kräftige Anhebung der Leitzinssätze wurde durch die Wortwahl in der Pressemitteilung zur Zinsentscheidung entschärft. Hieß es im September explizit noch, die Leitzinsen sollten auf den nächsten EZB-Ratstreffen weiter angehoben werden, ist nun nur noch davon die Rede, die Zinsen weiter anzuheben. Zudem stellt die EZB fest, dass man bereits "erhebliche Fortschritte beim Zurückfahren des geldpolitischen Akkommodationsgrads" erzielt habe, rekapituliert Jörg Angelé, Senior Economist bei Bantleon, den jüngsten geldpolitischen Entscheid der EZB.

Drei Faktoren entscheidend
EZB-Präsidentin Christine Lagarde verstärkte diesen Eindruck mit ihren Ausführungen. Sie sagte zwar, man habe noch einen gewissen Weg zu gehen und werde die Zinsen weiter anheben. Sie betonte allerdings auch, das Ausmaß der noch ausstehenden Normalisierung hänge im Wesentlichen von drei Faktoren ab.

Erstens dem Inflationsausblick, zweitens den bereits umgesetzten Straffungsmaßnahme und drittens der zeitlichen Verzögerung, mit der die Geldpolitik ihre Wirkung entfaltet. Alles in allem kehrt die Notenbank ihrer bisherigen Forward Guidance, eine Reihe kräftiger Zinsanhebungen in Aussicht zu stellen, damit den Rücken und geht zu einem datenabhängigen Vorgehen über.

Inflation sollte wieder sinken
Dabei sprechen alle drei aufgezählten Faktoren für eine Rücknahme des Tempos der Normalisierung. Der Inflationsausblick hängt stark von den Konjunkturperspektiven ab. Diese haben sich gemäß Lagarde spürbar eingetrübt. So sei das im September vorgestellte Basisszenario eines BIP-Zuwachses um 0,9 Prozentim Jahr 2023 bereits überholt. Die Nachfrage sinke infolge des massiven Kaufkraftentzugs, die Exporte litten unter der globalen Konjunkturabkühlung und die Frühindikatoren hätten sich stark eingetrübt. Bantleon geht daher davon aus, dass die Währungshüter ihre Projektionen für 2023 im Dezember sowohl für das BIP als auch die Inflation nach unten anpassen.

Weniger Zinserhöhungspotenzial
Der zweite von Lagarde genannte Faktor kommt einer automatischen Bremse gleich, da die Notwendigkeit weiterer Zinsanhebungen mit jedem erfolgten Zinsschritt per Definition kleiner wird.

Interessant ist laut Angelé auch der erstmalige Verweis auf die Wirkungsverzögerung geldpolitischer Entscheidungen. Diese liegt bei mehreren Quartalen. Die bisherigen Zinserhöhungen im Ausmaß von 200 Bp plus weitere etwaige Anhebungen sind nicht zuletzt wegen des raschen Tempos, mit dem sie erfolgten sowie der jahrelangen Null- und Negativzinsphase zuvor als substanziell zu bezeichnen. Ihre volle Wirkung werden sie jedoch erst im kommenden Jahr entfalten. Ein vorsichtigeres Vorgehen sei daher angebracht, um nicht zu überziehen und die Zinsen schon bald wieder senken zu müssen.

TLTRO III
Im Sachen TLTRO III wird die EZB die Rahmenbedingungen anpassen, sprich den zugrunde liegenden Zinssatz rückwirkend zu erhöhen. Zudem sollen Banken ermuntert werden, ihre über TLTRO-III-Geschäfte aufgenommenen Gelder frühzeitig zurückzubezahlen. Die Notenbank verspricht sich von diesem Schritt eine Unterstützung bei ihrem Bemühen, die Geldpolitik zu straffen.

Vorerst kein Quantitative Tightening
Über das Thema Quantitative Tightening, d.h. das Abschmelzen des gigantischen Anleihenportfolios wurde heute nicht beraten. Eine Entscheidung mit Blick auf die im Rahmen des APP gekauften Wertpapiere soll im Dezember fallen. Fällige Wertpapiere und Zinszahlungen im Rahmen des PEPP gekaufter Anleihen sollen ohnehin mindestens bis Ende 2024 reinvestiert werden.

Fazit von Angelé:
Die EZB zeigt sich entschlossen, die Leitzinsen nach ihrem bis Mitte 2022 zu zögerlichen Agieren nun rasch nach oben zu führen. Allerdings tritt man rhetorisch bereits auf die Bremse. Die vorgenommenen Anpassungen in der Wortwahl hält Angelé für signifikant. Offenbar haben inzwischen auch die EZB-Ratsmitglieder erkannt, dass es nicht sinnvoll ist, den Leitzins in die sich abzeichnende Rezession hinein kräftig anzuheben. Bantleon bleibt daher bei der Einschätzung, dass die EZB nach einer weiteren Zinsanhebung im Dezember um 50 Bp eine Zinsanhebungspause einlegt und die Leitzinsen 2023 nicht weiter anhebt. (aa)

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