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Pimcos Chefökonom berichtet von der IWF-Jahrestagung in Washington

Joachim Fels, Chefökonom von Pimco, führt die zentralen Erkenntnisse des jüngsten Jahrestreffens des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington auf und erläutert, warum der Konsens des Treffens möglicherweise zu pessimistisch ist.

Joachim Fels, Pimco
Joachim Fels, Pimco© Axel Köster / Institutional Money

"Mit Ausnahme des Jahres 2008 kann ich mich nicht erinnern, dass die Stimmung unter den Politikern und Anlegern, die an der IWF-Jahrestagung in Washington, D.C., teilnahmen, so düster war wie letzte Woche", resümiert Joachim Fels, Chefökonom von Pimco, in einem Bericht. Die ganze Stadt wirkte laut Fels wie eine Echokammer der Besorgnis über Atomwaffen, geopolitische Brüche, mangelnde politische Koordination, Rezession, hartnäckige Inflation, geld- und fiskalpolitische Fehleinschätzungen und schwindende Marktliquidität.

Pessimistisches Basisszenario
In Bezug auf die Wachstumsaussichten herrschte die weitverbreitete Meinung vor, dass "das uns Schlimmste noch bevorsteht", wie IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas es kurz und bündig ausdrückte. Eine leichte Rezession in den Vereinigten Staaten, eine tiefere Rezession in Europa und ein Wachstumseinbruch in China scheinen nun als Basisszenario zu gelten. Auch bei den Ursachen der Rezession herrschte weitgehend Einigkeit: der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen als Reaktion darauf, die Bekämpfung der hartnäckig hohen Inflation durch die meisten Zentralbanken und die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 in China.

Weitere Risiken auf den Radarbildschirmen
Darüber hinaus sind die meisten Teilnehmer der Meinung, dass trotz des düsteren Basiszenarios noch weitere Abwärtsrisiken bestehen. Die Furcht vor einer (nuklearen) Eskalation des Krieges in der Ukraine war ebenso spürbar wie die Sorge vor einer Verschärfung der handelspolitischen und technologischen Spannungen zwischen den USA und China. Auch die Befürchtung, dass die Inflation noch hartnäckiger sein könnte und die Zentralbanken gezwungen sein würden, die Geldpolitik zu stark zu straffen, war bei fast jeder Sitzung zu hören.

Alter Kontinent steht vor einer düsteren Zukunft, Deutschland gescheitert
In Europa wird das Risiko am größten eingeschätzt. Angesichts der räumlichen Nähe zum Krieg in der Ukraine, einer möglichen Fragmentierung der Anleihemärkte im Zuge der Straffung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Sorge, dass die LDI-Probleme (Liability-Driven-Investing) der Pensionsfonds wie in Großbritannien auch auf dem Kontinent auftauchen könnten, war negative Stimmung gegenüber Europa weit verbreitet. Darüber hinaus sehen Fels zufolge viele das deutsche Wirtschaftsmodell als gescheitert an. In der Vergangenheit sei das Land bei den Exporten von China, bei der Energieversorgung von Russland und bei der Sicherheit von den Vereinigten Staaten abhängig gewesen.

Schwellenländer: Harter Dollar sorgt für Probleme
Auch die Aussichten für die Schwellenländer (EM) waren ziemlich düster, trotz der relativen Widerstandsfähigkeit, die die Anlageklassen bisher gezeigt haben. Zwar sind viele Zentralbanken der Schwellenländer im Straffungszyklus weiter fortgeschritten als ihre Pendants in den Industrieländern, und gerade die Rohstoffproduzenten konnten große Handelsbilanzgewinne verbuchen, doch die politischen Entscheidungsträger und Anleger haderten mit dem globalen Hintergrund eines starken US-Dollars, weiter anziehender Zinsen und des sinkenden Wachstums in den Industrieländern und China.

Kein Plaza-Abkommen zur Schwächung des US-Dollars
Im Vorfeld der IWF-Tagung hatten einige auf Fortschritte in Richtung einer koordinierten Reaktion der Zentralbanken gehofft, um den anhaltenden Anstieg des US-Dollars zu stoppen oder sogar umzukehren, doch die Vertreter der Federal Reserve machten deutlich, dass ein solches Abkommen nicht in Sicht ist und dass der Kampf gegen die Inflation Vorrang hat.

Jamie Dimon rechnet mit Panik
"Sie sind noch nicht in Panik geraten. Aber das werden Sie noch." Vor dem düsteren makroökonomischen Hintergrund einer drohenden Rezession, einer hartnäckigen Inflation und einer aggressiven Straffung durch die Zentralbanken waren die Teilnehmer in Bezug auf Risiko-Assets weitgehend pessimistisch eingestellt. Auf dem J.P. Morgan Investor Seminar sagte der CEO der Bank, Jamie Dimon, zu den Zuhörern: "Sie sind noch nicht in Panik geraten. Aber das werden Sie noch." Es überrascht nicht, dass Gespräche über potenzielle Bruchstellen an den Märkten allgegenwärtig waren. Es gab jedoch keinen eindeutigen Konsens darüber, wo dies am ehesten der Fall sein würde. Auch die auftretenden Liability-Driven-Investment-Probleme in Großbritannien hatten die meisten Beobachter überrascht.

Peak fear?
"Auch wenn ich viele dieser Bedenken teile, bin ich nach den Sitzungen zu der Überzeugung gelangt, dass der Konsens nun insgesamt zu pessimistisch geworden ist und dass wir aus drei Gründen den Höhepunkt der Angst an den Märkten, „Peak Fear“ erreicht haben oder zumindest kurz davor stehen", betont Fels und führt nachfolgende drei Argumente an:

1) Widerstandsfähigkeit des Arbeitsmarktes
Es besteht eine gute Chance, dass die Arbeitsmärkte in den USA und Europa relativ stabil bleiben. Ein Großteil der Arbeitsmarktanpassung in den USA könnte eher durch eine Anpassung der immer noch ungewöhnlich hohen offenen Stellen als durch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit erfolgen, zumal die Unternehmen möglicherweise Arbeitskräfte horten, nachdem sie während der Covid-Erholung im letzten Jahr Schwierigkeiten hatten, offene Stellen zu besetzen. In Europa dürften ähnliche Überlegungen der Unternehmen zusammen mit staatlich finanzierten Programmen zur Erhaltung von Arbeitsplätzen einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindern.

2) Die Lektionen in Großbritannien und Midterms in den USA
Es herrscht inzwischen weithin Konsens darüber, dass die Zentralbanken die Hilfe der Finanzpolitik benötigen, um die Inflation nachhaltig zu senken. Diese Hilfe könnte nun in Aussicht gestellt werden. Ein Grund dafür ist, dass die US-Zwischenwahlen im November wahrscheinlich zu einem gespaltenen Kongress führen werden, was einen Stillstand und keine weiteren fiskalischen Lockerungen in den nächsten Jahren bedeuten würde.

Ein weiterer Grund ist die Lehre, die viele Regierungen aus der Reaktion der Anleihen- und Devisenmärkte auf die von der britischen Regierung angekündigten umfangreichen ungedeckten fiskalischen Anreize ziehen dürften. Die Vorhaben wurden nun aufgrund des Drucks der Märkte weitgehend rückgängig gemacht. Eine fiskalisch bedingte Inflation scheint nun weniger wahrscheinlich, was den Zentralbanken helfen dürfte, ihre Aufgabe zu erfüllen und die längerfristigen Inflationserwartungen auf einem festen Niveau verankern.

3) Ruhigere Anleihemärkte in Sicht?
Nicht zuletzt könnten die Zinsmärkte nach dem drastischen Ausverkauf im Laufe dieses Jahres und den wilden Turbulenzen als Reaktion auf die britischen Haushaltsankündigungen in eine ruhigere Phase eintreten. Die Märkte preisen bereits erhebliche weitere Zinserhöhungen durch die großen Zentralbanken ein. Die absoluten Renditeniveaus erscheinen so attraktiv wie schon lange nicht mehr, einschließlich der realen Rendite von inflationsgeschützten US-Schatzpapieren (TIPS). Wenn sich die Anleiherenditen auf diesen höheren Niveaus stabilisieren, anstatt weiter zu steigen, könnte dies Fels zufolge auch dazu beitragen, dass Risikoanlagen wie Aktien einen Teil der bisherigen Jahresverluste aufholen und hochwertige Segmente der Kreditmärkte wieder attraktiver werden. (aa)

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