Logo von Institutional Money
| Vermischtes

Wirecard Österreich: Insolvenz wirft Fragen auf

Nach der Pleite des deutschen Zahlungsabwicklers Wirecard tauchen offenbar auch immer mehr Fragen im Zusammenhang mit der bilanziellen Abbildung des Österreich-Geschäfts auf.

© Michaela Handrek-Rehle / Bloomberg

Einige Tage nach der deutschen Mutter meldete am vergangenen Freitag (3. Juli 2020) auch die Österreich-Tochter Wirecard CEE mit Sitz in Graz und Wien Insolvenz an. Gläubigeranwälte fragen sich nun mit Blick auf die Angaben aus dem Insolvenzantrag, wie die Gesellschaft, die noch zu Jahresende glänzte, so rasch in die roten Zahlen schlittern konnte.

Die Sammelklagenplattform Cobin Claims zeigt sich "erstaunt", dass Wirecard CEE mit einem negativen Eigenkapital von EUR 0,6 Millionen Euro in die Insolvenz ging, wenngleich noch im März laut Firmenbucheintrag im Jahresabschluss (per 31. Dezember 2019) ein Eigenkapital von 8,4 Millionen Euro zu Buch steht. "Eine stolze Eigenkapitalquote von 72 Prozent. Die Gesellschaft kommt völlig ohne Bankfinanzierungen aus und zeigt einen Barmittelbestand von 3,5 Millionen Euro, der die Schulden bei weitem übersteigt", so Manfred Biegler, Vorstand von Cobin Claims. Es sei kaum nachvollziehbar, dass eine Gesellschaft innert sechs Monaten insolvent wird, wenn sie zu Jahresende noch derart hohen Cash-Bestände und kaum Schulden hat.

Insolvenzgrund hinterfragt
Die Gesellschaft, die eine Tochter von Wirecard Sales International Holding in Deutschland ist, hatte die am Freitag angemeldete Insolvenz mit der Lage des Mutterkonzerns beziehungsweise mit der Uneinbringlichkeit von Konzernforderungen begründet. Für Biegler ist das kein hinreichender Grund, denn ein Geschäftsführer müsse sich auch gegenüber eng verbundenen Unternehmen – also auch gegenüber der eigenen Mutter – um die ausreichende Besicherung von Konzernforderungen kümmern.

Dazu kommt, dass gegen den deutschen Konzern Wirecard bereits seit vielen Jahren Kritik der Öffentlichkeit besteht, unter anderem gab es immer wieder Beschwerden über intransparente Reportings. Zu Beginn 2019 stellten die "Financial Times" dann erstmals Scheinbuchungen in den Raum, deren Existenz sich ab Jahresende verdichtete und schließlich Mitte Juni 2020 auch vom Unternehmen eingestanden wurde. Biegler kritisiert angesichts der sich seit Jahresanfang mehrenden Hinweise, dass die Österreich-Gesellschaft "so rasch ihren Jahresabschluss erstellt hat". "Wenn die Vorwürfe sich konkretisieren, hätte man sich zuerst einen Überblick über die Situation verschaffen müssen", so Biegler. Er kritisiert, dass sich die Geschäftsführung damit in einer Phase eine Entlastung eingeholt hat, in der sich die offenbaren Probleme immer deutlicher gezeigt hatten.

Keine Hinweise im Jahresabschluss
Man müsse die bilanzielle Abbildung des gesamten Geschäftsmodells hinterfragen, so Biegler. Für Wirecard gilt die Unschuldsvermutung. Laut Biegler müsse auch die Verantwortung der Abschlussprüfer hinterfragt werden.

Im Jahresabschluss oder im Jahresbericht der Österreich-Gesellschaft (gezeichnet im März) ist kein Hinweis auf die Probleme bei der deutschen Mutter zu finden. Stattdessen ist bei den Risiken, Gefahrenpotenzialen oder Ungewissheiten nur der Hinweis auf die Covid-Pandemie angeführt, ebenso wie die Frage, ob die skizzierte Mitarbeiterausbau tatsächlich erreicht werden kann.

Auch im Bestätigungsvermerk der Prüfgesellschaft TPA finden sich keine Hinweise auf Risiken durch die im Raum stehenden Anschuldigungen in Deutschland. TPA und Wirecard CEE haben bis Redaktionsschluss nicht geantwortet. Bereits in der Vorwoche war bekannt geworden, dass sich österreichische Anwaltskanzleien und auch die behördlichen Ermittler hierzulande mit dem Fall auseinandersetzen. (eml)

Dieses Seite teilen