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Albrecht: "Fall Wirecard schadet Image des aktiven Fondsmanagements"

Tim Albrecht räumt in einem Interview ein, dass der massive Einstieg bei dem Zahlungsdienstleister ein Fehler war. Der DWS-Fondsmanager verweist aber auch auf Fehler anderer. Derweil bekennt Wirecard, dass es die fraglichen Treuhandkonten nicht gibt – und wahrscheinlich 1,9 Milliarden Euro fehlen.

DWS-Fondsmanager Tim Albrecht: "Viele Seiten tragen die Verantwortung. Das fängt sicherlich bei einem Organversagen bei Wirecard an, über die Banken, die mit ihren Analystenreports gutgläubig positive Signale gesendet haben."
DWS-Fondsmanager Tim Albrecht: "Viele Seiten tragen die Verantwortung. Das fängt sicherlich bei einem Organversagen bei Wirecard an, über die Banken, die mit ihren Analystenreports gutgläubig positive Signale gesendet haben."© DWS

Der große Einstieg bei Wirecard war im Nachhinein ein Fehler. Dies sagt DWS-Topmanager Tim Albrecht in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Albrecht hatte einen erheblichen Teil des Vermögens des von ihm gelenkten DWS Deutschland in Aktien des Zahlungsdienstleisters investiert. Auch andere Flaggschiffe der Deutsche-Bank-Tochter hatten Titel des Aschheimer Konzerns teils sehr stark übergewichtet. Albrecht kündigte als Konsequenz an, auf seinen diesjährigen Bonus zu verzichten. "Ich sitze ja mit meinen Anlegern in einem Boot", so der Portfoliomanager.

Derweil spitzt sich die Lage bei Wirecard weiter zu. In der Nacht zum Montag (22. Juni) räumte das Unternehmen ein, dass Bankguthaben auf Treuhandkonten in Höhe von insgesamt 1,9 Milliarden Euro "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen". Gleichzeitig nahm Wirecard die vorläufige Einschätzung des Geschäftsjahres 2019 zurück und kassierte den Ausblick. Zudem schloss es Auswirkungen auf frühere Jahresabschlüsse nicht aus. Am Freitag vergangener Woche (19. Juni) war Konzernchef Markus Braun mit sofortiger Wirkung zurückgetreten.

"Wo hat man solche Chancen?"
Ins Rollen gekommen war das Drama durch Berichte der "Financial Times", wonach das Unternehmen Geschäfte von Auslandstöchtern in Singapur, Dubai und Irland nicht korrekt verbucht habe. Diese Vorwürfe schreckten DWS-Manager Albrecht augenscheinlich nicht ab. Vielmehr sah er diese sogar als Gelegenheit für einen günstigen Einstieg. "Wir haben die Kursschwäche als Möglichkeit genutzt, unsere Position im Herbst vergangenen Jahres deutlich auszubauen", sagte Albrecht nun der "FAZ". "Wo hat man solche Chancen schon einmal bei einem deutschen Dax-Konzern?"

Nachdem eine vor einigen Wochen durchgeführte Sonderprüfung von KPMG Wirecard aber nicht entlastete, sondern vielmehr neue Zweifel an Buchungen auf Treuhandkonten auf den Philippinen weckte, habe er das Engagement wieder zurückgefahren. Als dann der Wirecard-Prüfer EY sein Testat unter den Jahresabschluss in der vergangenen Woche verweigerte und der Aktienkurs der Aschheimer kollabierte, war die Position bereits um 60 reduziert worden. "Am Donnerstag haben wir dann die restlichen Positionen verkauft. Klar hat der Absturz dann dazu geführt, dass der DWS Deutschland aktuell etwas hinter seiner Benchmark liegt", so Albrecht.

"Gutgläubig positive Signale gesendet"
Der DWS-Manager mag aber nicht nur bei sich selbst Fehler erkennen. "Viele Seiten tragen die Verantwortung. Das fängt sicherlich bei einem Organversagen bei Wirecard an, über die Banken, die mit ihren Analystenreports gutgläubig positive Signale gesendet haben", so Albrecht im "FAZ"-Interview. "Aber wir sollten uns schon fragen, ob sie bei der Aufnahme in einen Leitindex nicht auch sogenannte weiche Faktoren wie die Unternehmensführung als Kriterium anlegen sollten." Er plädiert dafür, die Aufnahmekriterien für den Dax zu reformieren.

Auch die Finanzaufsicht Bafin sieht Albrecht in der Pflicht. Immerhin beaufsichtige sie den Zahlungsdienstleister. Zudem kritisiert er Wirecard. "Wir haben uns auf das verlassen, was Wirecard uns gesagt hat und zum Beispiel gedacht, wenn Probleme mit dem KPMG-Sonderbericht intern bekannt würden, wäre das ad-hoc-pflichtig gewesen. Stattdessen hat das Unternehmen so kommuniziert, als sei es durch den Bericht entlastet."

Personeller Neuanfang gefordert
Die DWS werde Klage gegen Wirecard und auch gegen den Vorstandsvorsitzenden Markus Braun persönlich einreichen, kündigt Albrecht weiter an. "Zum Schutze unserer Anleger müssen wir feststellen lassen, inwiefern dem Unternehmen oder auch Herrn Braun Versäumnisse vorzuwerfen sind. Wir fordern außerdem einen personellen Neuanfang in Vorstand und Aufsichtsrat."

Der Branchennewsletter "Finanz-Szene.de" wirft wiederum die Frage auf, ob die DWS bei dem Wirecard-Engagement die eigenen Richtlinien für gute Unternehmensführung beiseitegeschoben habe, die sie ihren Fondsmanagern bei Investments an die Hand gibt. Immerhin stünden seit geraumer Zeit Zweifel bei Wirecard im Raum. Auch die Besetzung des Wirecard-Aufsichtsrats entspreche nicht den gewünschten Standards, so der Branchendienst.

Empfindlicher Imageschaden
Albrecht dagegen beteuert, das Investment bei Wirecard über Gespräche mit "vielen Analysten" und auch mit "Accountingspezialisten, die Forensik-Hintergrund haben" sowie mit Vorstand und Aufsichtsrat von Wirecard abgeklopft zu haben. "Aus heutiger Sicht ist die Frage, wie ein Portfoliomanager betrügerische Machenschaften aufdecken könnte", so Albrecht. Er räumt aber ein: "Der Fall Wirecard hat nicht nur dem Image des Finanzplatzes Deutschland geschadet, sondern auch dem des aktiven Fondsmanagements." (ert)

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