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Bad News für Asset Manager: Artikel 9-Fonds Label bei vielen in Gefahr

Europas führende ESG-Fondsklasse steht möglicherweise kurz vor einem Wendepunkt. Schätzungen der Branche zufolge könnte die als Artikel 9 SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation; Offenlegungsverordnung) bekannte Bezeichnung in den kommenden Monaten hunderten von Fonds entzogen werden.

© peterschreiber.media / stock.adobe.com

Es gibt nun Anzeichen dafür, dass sich die Anlagekunden zurückziehen, da neue Daten auf eine deutliche Verlangsamung der Mittelzuflüsse hindeuten. Und am Donnerstag wies ein Bericht darauf hin, dass einige Artikel 9-Fonds Assets halten, die möglicherweise gegen UN- und OECD-Standards verstoßen, von Bestechung bis hin zu Umweltschäden.

Auch hohe Anwaltsrechnungen helfen da nicht wirklich weiter
Viele Fondsmanager "versuchen ihr Bestes und haben Millionen für Anwaltskosten ausgegeben, um sicherzustellen, dass sie den richtigen Ansatz verfolgen", aber "die Ergebnisse werden in der gesamten Branche nicht kohärent sein", und das "schafft systemische Risiken", sagte Hugo Gallagher, leitender politischer Berater beim European Sustainable Investment Forum, dessen Mitglieder etwa 20 Billionen US-Dollar an verwalteten Vermögenswerten repräsentieren.

Löchriges ESG-Regelwerk
Diese Entwicklung offenbart Lücken in einem ESG-Regelwerk, das einst als das ehrgeizigste der Welt gepriesen wurde. Seitdem die Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzprodukte im März 2021 in Kraft getreten ist, hat die EU mehrere Klarstellungen vornehmen müssen. Unter anderem wurde der Branche mitgeteilt, dass alle Artikel-9-Fonds vollständig nachhaltig sein müssen, mit einigen Ausnahmen betreffend Hedging und Liquiditätshaltung.

Clarity AI-Studie sieht genauer hin
Eine Studie von Clarity AI ergab, dass fast 20 Prozent der 750 untersuchten Artikel 9-Fonds mehr als zehn Prozent Exposure zu Firmen aufweisen, die gegen die Grundsätze des Global Compact der Vereinten Nationen oder die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen verstoßen. Die Untersuchung zeigt auch, dass 40 Prozent der untersuchten Fonds ein Exposure von mehr als fünf Prozent zu Assets haben, die solche Verstöße aufweisen. "Die Klassifizierung von Fonds nach den SFDR-Richtlinien wird von Fondsanbietern zunehmend als Kurzform für die Kommunikation, dass ein Produkt nachhaltig ist, verwendet", so Clarity AI in dem Bericht, der von einem Team unter der Leitung von Patricia Pina, der Leiterin der Produktforschung und -innovation des Unternehmens, erstellt wurde. "Unsere Analyse zeigt jedoch, dass einige der derzeit auf dem Markt befindlichen Artikel 9-Fonds möglicherweise nicht die in der Verordnung festgelegten Kriterien für die Vermeidung signifikanter Schäden erfüllen", schreiben die Autoren.

Briten wollen besser sein als die EU-Regelung
Alexander Stafford, Vorsitzender der britischen parlamentarischen Gruppe für ESG, sagte, der Clarity AI-Bericht zeige "Mängel in den ESG-Instrumenten und dem regulatorischen Rahmen der EU" auf und fügte hinzu, dass die britische Regierung nun "ihre Arbeit machen muss", um zu vermeiden, dass sie in ähnliche Fallen tappt, wenn sie ihre eigenen ESG-Investitionsregeln entwirft.

Morningstar-Studiesieht ebenfalls große Herausforderungen
Der Bericht folgte auf eine Studie von Morningstar, die letzte Woche herausfand, dass weniger als fünf Prozent der Fonds die EU-Anforderungen erfüllen, nur nachhaltige Anlagen zu halten. Morningstar stellte auch fest, dass einige Vermögensverwalter einen "überraschend" laxen Ansatz in Bezug auf Artikel 9 verfolgen, wobei 43 Prozent der untersuchten Fonds einen Schwellenwert für nachhaltige Anlagen von weniger als 50 Prozent anstreben.

Mindeststandards reklamiert
Nun scheinen Vermögensverwalter, die Greenwashing-Vorwürfe vermeiden wollen, eine Herabstufung vorzunehmen", so Lara Cuvelier, Kampagnenleiterin bei der gemeinnützigen Umweltorganisation Reclaim Finance. "Nationale Aufsichtsbehörden müssen sich des Themas annehmen und rote Linien dafür definieren, was in einem 'nachhaltigen' Fonds nicht enthalten sein darf. Wir brauchen Mindeststandards."

Artikel 9-Fonds mit ordentlichen Inflows in den ersten drei Quartalen
Diese Fondsart zog in den ersten neun Monaten dieses Jahres beträchtliche Kundenzuflüsse an, während eine weniger strenge SFDR-Kategorie, bekannt als Artikel 8, Geld verlor. Im dritten Quartal wurden Artikel 9-Produkte für fast 13 Milliarden US-Dollar gekauft, während aus Artikel 8 fast 30 Milliarden US-Dollar abflossen, schätzt Morningstar. Die Investitionen in Artikel 9-Fonds verlangsamten sich im letzten Monat, wobei die Kunden laut einer Analyse von Bloomberg nur 1eine Milliarde US-Dollar in die Top-SFDR-Kategorie investierten.

Ändert sich das gerade?
Momentan zieht Artikel 9 "immer noch Geld an", sagte Hortense Bioy, Morningstars Global Director of Sustainability Research im Talk mit Bloomberg News. Aber "einige Manager berichten von einem geringeren Kundeninteresse aufgrund von Bedenken bezüglich der Neueinstufung und des Greenwashings".

Verwirrende ESG-Regeln der EU
Gleichzeitig wurde das ESG-Regelwerk der EU dafür kritisiert, dass es Verwirrung stiftet. Die Anforderung, dass Artikel 9-Fonds ausschließlich mit nachhaltigen Vermögenswerten gefüllt werden müssen, die erst lange nach der Durchsetzung der SFDR klargestellt wurde, bedeutet, dass sich viele Firmen mit 80 bis 90 Prozent nachhaltigen Vermögenswerten auch auf der falschen Seite der Vorschriften wiederfinden könnten. Das werfe Fragen über die Durchführbarkeit der neuen regulatorischen Richtlinien auf, so Morningstar.

Ausdünnung des Artikel 9-Fonds-Universums allerorten
Aufgrund der Unsicherheit, die nun im Zusammenhang mit SFDR besteht, sagte NN Investment Partners der Goldman Sachs Group Anfang des Jahres, dass es einige seiner Artikel 9-Fonds herabstufen würde, wobei zehn von ihnen in diesem Quartal nach der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörden neu eingestuft werden sollen. AXA IM plant die Streichung von 24 Artikel 9-Fonds, nachdem in den letzten Monaten bereits 21 Fonds herabgestuft wurden. Robeco Institutional Asset Management hat angekündigt, dass es ähnliche Schritte unternehmen werde. Pimco, Van Lanschot Kempen und Neuberger Berman gehören zu den Unternehmen, die bereits mehrere Fonds von der Artikel 9-Kennzeichnung losgeeist haben. "Wir gehen davon aus, dass es weitere Umstufungen auf dem Markt geben wird", sagte Malene Christensen, eine Expertin für nachhaltige Investitionen.

Wann erklärt sich die Kommission, was sie unter nachhaltigen Investments versteht?
In der Zwischenzeit warten die Asset Manager darauf, dass die EU-Kommission erklärt, was sie unter einer "nachhaltigen Investment" versteht, neben anderen grundlegenden ESG-Konzepten. Die EU-Kommission sagte letzten Monat, sie habe solche Anfragen erhalten und werde diese zu gegebener Zeit beantworten.

EU-interne Kritik an ESG-Regelwerk durch die ESMA
Die Verwirrung um die Bezeichnungen der SFDR-Fonds hat die EU-Regulierungsbehörden dazu veranlasst, den ESG-Investitionsrahmen der EU öffentlich zu kritisieren. Verena Ross (Bild links), die Vorsitzende der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA, bezeichnete das bestehende Regelwerk im vergangenen Monat als "echte Herausforderung" und stellte fest, dass es für die Marktteilnehmer "extrem schwierig" sei, sich darin zurechtzufinden. Die britische Finanzaufsichtsbehörde Financial Conduct Authority hat ausdrücklich erklärt, dass ihr Rahmenwerk für ESG-Investitionen die gleichen Fehler bei den Fondskategorien vermeiden wird.

Ratlose Branche zum Abwarten verurteilt
Einige Anwälte raten Asset Managern, keine Schritte zu unternehmen, bis die EU die Lücken in der SFDR geschlossen hat. Anna Maleva-Otto, Partnerin bei Schulte, Roth & Zabel LLP, die vor allem in Großbritannien und den USA ansässige Manager alternativer Anlagen vertritt, sagte gegenüber Bloomberg News: "Eine solche Neueinstufung dürfte aus Sicht der Anlegerbeziehungen ein wichtiges Thema sein, so dass eine solche Entscheidung sehr sorgfältig getroffen werden müsste." (kb)

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