Logo von Institutional Money
| Regulierung

Auch Chemie startet mit Sozialpartnermodell

Nachdem die Energiewirtschaft vergangene Woche mit einem branchenweiten Sozialpartnermodell gestartet ist, folgt nun die Chemiebranche, die für sich reklamiert, dass ihr Modell als erstes auf einem Flächentarifvertrag basiert. Die Details.

© Jörn Pilon / stock.adobe.com

Mitte dieser Woche verkündeten die Chemie-Sozialpartner den Start ihres Sozialpartnermodells (SPM) mit einer reinen Beitragszusage (rBZ), also ohne Garantien bei der Kapitalanlage. Die sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung der Aufsichtsbehörde Bafin liege vor.

Dies hatte wenige Stunden zuvor Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der Bafin, auf der "Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht" der Behörde indirekt bestätigt. Er sagte: "Letzte Woche ist eine weitere sogenannte Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt worden."

Einer hat zuerst die Genehmigung, der andere startet als Erster
Damit reklamiert die Chemiebranche den ersten Rang für sich. Begründung: Es sei das bundesweit erste auf einem Flächentarifvertrag basierende SPM. Der Energiesektor war jedoch schon eine Woche zuvor mit einem SPM gestartet, dessen Basis ein "unternehmensbezogener Verbandstarifvertrag" ist, der jedoch erst am 1. Januar 2023 in Kraft tritt und frühestens 2033 gekündigt werden kann.

Anders bei der Chemie: Sie erhielt erst als Zweiter die Freigabe der Bafin, startet aber sofort. "Das Chemie-SPM wurde in den bestehenden Tarifvertrag über Einmalzahlungen und Altersvorsorge integriert (TEA), der ab sofort gilt", erklärt Sebastian Kautzky. "Der TEA hat keine definierte Laufzeit; er ist mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende kündbar", so der Geschäftsführer des Chemie-Arbeitgeberverbandes BAVC gegenüber der Redaktion.

Chancen mit Vorfahrt vor Garantien
Insofern sind beide Modelle Vorreiter für weitere Projekte dieser Art. Das Chemie-SPM war schon längere Zeit angekündigt und in enger Zusammenarbeit mit der Bafin vorbereitet worden. Es wird über den Chemie-Pensionsfonds organisiert. Arbeitgeber zahlen 5,0 Prozent Sicherungsbeitrag ein, um mögliche Rentenschwankungen auszugleichen. "Chancen bekommen Vorfahrt vor den Garantien", sagt Klaus-Peter Stiller, Hauptgeschäftsführer des BAVC. Im Blickpunkt steht die Entgeltumwandlung, die mit Arbeitgeber-Beiträgen aufgestockt wird (Matching-Modell). Als Leistung kann eine Altersrente mit oder ohne Hinterbliebenenrente vereinbart werden, bei Tod in der Anwartschaftsphase wird individuelles Versorgungskapital an Hinterbliebene verrentet.

Nutznießer sind zunächst neue Tarifbeschäftigte in den Chemiebetrieben, die auf den Chemie-Pensionsfonds setzen. Ziel sei eine langfristige und flexible Kapitalanlage für verlässliche Renditen. Das Geld wird in ein ausgewogenes Anlagekonzept investiert, das sich vor allem aus breit gestreuten Aktienindizes (MSCI World, Euro Stoxx 600) sowie Staats- und Unternehmensanleihen zusammensetzt, heißt es. "Die dynamische Steuerung der Allokation wird mit einem Aktienanteil zwischen 10 und 80 Prozent gefahren, wobei eine jährliche Startquote von 40 Prozent vorgesehen ist", berichtet Timm Höynck, Vorstand des Chemie-Pensionsfonds.

Dynamische Aktiensteuerung für hohe Zielrenten
Die dynamische Aktienquotensteuerung sorge für ein robustes Portfolio. Dieses liefert stabile Erträge unabhängig vom Zinsumfeld, reduziert Wertschwankungen und bettet sich so ideal in das Gesamtkonzept des SPM ein, berichten die Chemie-Sozialpartner. Von 2005 bis Juli 2022 wurden 6,14 Prozent Rendite bei 6,7 Prozent Volatilität während des Backtests erzielt.

Beim Energie-SPM, vom Metzler Sozialpartner Pensionsfonds organisiert, liegt die Unbedenklichkeit des Pensionsplans "Metzler rBZ 1" bereits seit Ende September vor. Diese Hürde konnten andere Projekte bisher nicht nehmen, zum Beispiel Talanx. Beim Energie-SPM steuern Arbeitgeber unter anderem einen Kosten- und Sicherungsbeitrag von insgesamt 7,0 Prozent der geleisteten Beiträge bei, um Marktschwankungen in der Rentenphase der Arbeitnehmer auszugleichen.

Reine Beitragszusage mit enormem Potenzial
Der Metzler Sozialpartner Pensionsfonds setzt auf Aktien, Anleihen, Immobilien und Gold. Zur Umsetzung der Asset-Allokation wird zu Beginn ein bereits bestehender Metzler-Spezialfonds genutzt, in dem bislang ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag investiert ist. Seit Auflage im März 2016 wurde bis 31. August 2022 mit dem Metzler-Spezialfonds eine durchschnittliche Rendite von 3,59 Prozent pro Jahr erreicht und damit die ALM-Zielrendite für das Energie-SPM von 3,5 Prozent übertroffen.

Damit ist die rBZ als neueste Zusage-Art der deutschen bAV ab sofort quasi gleich doppelt in der Praxis angekommen. Arbeitnehmern wird statt einer garantierten Mindestleistung (BZML) lediglich eine Zielrente zugesagt. Im Gegenzug werden Arbeitgeber von der Mithaftung für die Garantie befreit ("pay and forget"). Solche Zielrentensysteme ("defined ambition") gab es hierzulande bislang noch nicht. Früher war die Leistungszusage der Arbeitgeber üblich, die später einer BZML weichen musste, die nun weitgehend von der beitragsorientierten Leistungszusage (BOLZ) und wohl auch der rBZ abgelöst wird. Zur Umsetzung bedienen sich die beiden ersten SPM ebenso wie das Talanx-SPM eines Pensionsfonds. (dpo)

Dieses Seite teilen