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Asset Manager fürchten beim Greenwashing den langen Arm der EU

Die Sorge, bei den eigenen Nachhaltigkeitsfonds des "Green Washings" bezichtigt zu werden, lässt bei vielen Fondsmanagern die Alarmglocken schrillen und sorgt für hohe Nachfrage nach rechtlicher Expertise auf diesem Gebiet. Darauf spezialisierte Juristen haben jedenfalls viel Arbeit.

© flashpics / stock.adobe.com

Seit im März Regeln der Europäischen Union in Kraft traten, die die Berichterstattung von Finanzfirmen zu Umwelt- und Klimathemen detailliert vorschreiben, klingeln bei Experten wie Lucian Firth von der Londoner Kanzlei Simmons & Simmons die Telefone. Die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor - meist mit der englischen Abkürzung SFDR bezeichnet - stellt sich für Firths Klienten von New York bis Hongkong als Anti-Greenwashing-Initiative mit globalen Folgen heraus.

Große Auswirkungen
SFDR hat einen „langen Arm“, sagt Firth. Er reicht tief in den 35-Billionen-Dollar-Markt für ESG-Investitionsprodukte. Firth empfiehlt auch Kunden mit Sitz außerhalb Europas, dass sie “SFDR-Offenlegungen für Fonds vornehmen müssen”, wenn ihr Marketingmaterial auf Europa abzielt. Aber selbst Firmen, die ganz außerhalb der Reichweite der SFDR liegen, beginnen, sich an die Verordnung zu halten, berichtet er.

Das beobachtet auch Nina Hodzic, Leiterin des Sustainable Investment Office bei Allianz Global Investors, das weltweit Kundengelder in Höhe von 633 Milliarden Euro verwaltet. Aufsichtsbehörden und Investoren in den USA und Asien “schauen wirklich auf das, was in der EU passiert”, sagt Hodzic. “Es könnte zu einem Schneeballeffekt kommen und das schneller, als manche denken”, fügt sie hinzu.

So wirkt die SFDR:

  • Sie zwingt Fondsmanager, ihre Umwelt-, Sozial- und Governance-Behauptungen zu untermauern, indem sie diese in Taxonomien kategorisieren - an denen die europäischen Behörden immer noch arbeiten
  • Sie verpflichtet Asset Manager bzw. Berater, ihre Kunden zu fragen, ob sie nachhaltig investieren möchten. Sie sind dann gesetzlich verpflichtet, deren Erwartungen gerecht zu werden
  • Unabhängig von ihrem Unternehmenssitz müssen Fondsmanager bei allen Produkten und Dienstleistungen, die sie Kunden in der EU zur Verfügung stellen, die EU-Regeln einhalten

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In Europa zeigt die SFDR bereits Folgen: Bezeichnungen wie “ESG-integriert” – einst ein gängiger Begriff in der Branche – werden in Geschäftsberichten immer seltener. Viele begrüßen das: “Ich hoffe, dass das Wort ESG-Integration verschwinden wird, weil es nichts bedeutet”, sagt Hortense Bioy, Direktorin für Nachhaltigkeits-Research bei Morningstar.

Das Ausmustern von allzu vagen Etiketten hat in Europa das Volumen von ESG-Finanzprodukten bereits um zwei Billionen Dollar zusammenschmelzen lassen - und das nur in Vorwegnahme der strengeren Regeln. Europäischen Fondsmanagern ist bewusst, dass diese Korrektur wohl noch weiter gehen muss.

Aufseher verlieren zunehmend die Geduld mit falschen oder überzogenen ESG-Behauptungen. Einige Geldhäuser stellten Sondereinheiten ab, die Marketingmaterialien durchforsten und sie von extravaganten Versprechen zur Nachhaltigkeit säubern sollen. Die Furcht, bei Greenwashing erwischt zu werden, geht um.

Greenwashing ist nicht wohl gelitten
Greenwashing – ein Begriff, der vor einem Jahrzehnt noch nicht auf dem Radar der Finanzbranche war – ist plötzlich zu einem Riesenproblem für Investmentfonds geworden. Und zwar spätestens seitdem ausgerechnet der Fondsmanager der größten deutschen Bank, die DWS Group, deswegen ins Fadenkreuz der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC und der deutschen Bafin geriet.

Die frühere Nachhaltigkeitschefin der DWS, Desiree Fixler, auf die die Vorwürfe gegen DWS zurückgehen, sagt, “die Propaganda ist schlicht außer Kontrolle geraten”. Auch andere in der Branche hätten Schwierigkeiten, ihre ESG-Produkte genau zu kennzeichnen. “Fehler passieren. Viele Fondsmanager haben Schwierigkeiten, die hohen Anforderungen an ESG zu bewältigen, die neue europäische Regulierung zu bewältigen.” DWS bestreitet Fixlers Behauptungen.

ESG hat immens an Bedeutung gewonnen
Simmons & Simmons-Anwalt Firth sagt, die ESG-Landschaft verändere sich rasend schnell. Vor vier Jahren hätten ihn Investoren, die er zur Bedeutung von ESG aufklärte, praktisch rausgeworfen. Jetzt sei sich die Branche sehr bewusst, dass ESG ein enormes Thema ist, und dass Anti-Greenwashing-Vorschriften eine neue Welt von Rechtsrisiken eröffnen.

SFDR bietet für Finanzprodukte drei Hauptkategorien:

  • “Artikel 8” für Produkte, die nachhaltige Ziele fördern (oft als “hellgrün” bezeichnet)
  • “Artikel 9” für Produkte, für die Nachhaltigkeit oberste Priorität hat – sogar höher als die finanzielle Rendite (“dunkelgrün”)
  • “Artikel 6” für Produkte, die weder ESG-Eigenschaften noch ESG-Ziele aufweisen - doch auch hier müssen gegebenenfalls ESG-Risiken offengelegt werden

Vorpreschen bei der Regulierung hat Nachteile
Der Schritt der EU, mit seiner Anti-Greenwashing-Verordnung nach vorne zu preschen, könnte die SFDR einerseits zum globalen Standard machen. Aber die Eile, mit der sie zusammengeschustert wurde, hat auch Probleme verursacht. “Das Dach des Hauses ist bereits vorbereitet, aber es gibt noch keine Wände und noch kein Fundament”, sagt Luca Bonaccorsi, Direktor für nachhaltige Finanzen bei T&E, einer Organisation, die an den Diskussionen rund um die SFDR beteiligt war.

Ein zentrales Problem ist laut Bonaccorsi, dass zwar die Regeln für die Fondsmanager schon da sind, ein Pendant für die Offenlegung bei Unternehmen aber noch fehlt. Die Anti-Greenwashing-Regeln für Vermögensverwalter “hätten zuletzt kommen sollen, kommen aber zuerst”, sagt er.

Eile war geboten
Hauptgrund für die Eile war den Regulierungsbehörden zufolge das Wachstumstempo des ESG-Marktes allgemein, das als alarmierend angesehen wurde. Bloomberg Intelligence schätzt, dass ESG-Investitionen bis 2025 mehr als 50 Billionen Dollar betragen werden, also mehr als ein Drittel aller globalen Vermögenswerte. Der größte Teil des Wachstums findet abseits wirklicher regulatorischer Kontrollen statt.

“Die Regeln waren eindeutig notwendig”, sagt Thorsten Pötzsch, der bei der Bafin für die Wertpapieraufsicht zuständig ist. Für eine angemessene Regulierung wäre es besser gewesen, dass Thema schon früher aufzugreifen.

Ein Großteil der Basis, die zur Unterstützung von SFDR erforderlich ist, sei noch nicht vorhanden, so Pötzsch. “Man denke nur an die Schwierigkeiten, die die Finanzindustrie hat, Daten über Unternehmen in der übrigen Wirtschaft zu erhalten.”

Politik will Kapitalismus "neudefinieren"
Der Politik gilt SFDR trotz aller Unzulänglichkeiten als kühne Neudefinition des Kapitalismus, die ihresgleichen sucht. Hier gehe es “nicht nur um die Auswirkungen der Nachhaltigkeit auf Renditen und Gewinne, sondern auch um die Auswirkungen der Unternehmen auf die Menschen und den Planeten”, sagte Paul Tang, Mitglied des Europäischen Parlaments. “In diesem Sinne ist die Verordnung über die Offenlegung weltweit einzigartig.”

Die nächsten Ebenen werden SFDR jedoch noch komplexer machen. Dies könnte zu noch mehr abstrusen Akronymen und potenziell größeren rechtlichen Risiken für Firmen führen, die die Regeln falsch auslegen. Gerade Anlageverwalter außerhalb Europas werden deshalb wieder einmal jeden Schritt genau verfolgen müssen.

Bei Simmons & Simmons verbringen laut Firth bereits viele Mitarbeiter seines Teams drei Viertel ihrer Zeit damit, Kunden zu beraten, wie sie mit SFDR umgehen sollen. “Es gibt eine Menge zu tun, und die Nachfrage ist groß”, sagt er. “Es ist ein Riesenthema.” (aa)

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