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Sell Off bei Bankaktien macht Investoren auf neues Risiko aufmerksam

Die Kurse von Bankaktien kamen zuletzt stark unter Druck. Dafür verantwortlich sind u.a. Probleme, die vom Krypto- und Venture Capital-Sektor in die klassische Finanzbranche wandern und dafür sorgen, dass viele Banken ihre Anleihenbestände auf den Markt werfen müssen. Hinzu kommt ein "Bank Run".

© Kenishirotie / stock.adobe.com

Wer an der Börse von den drastischen Zinserhöhungen zur Eindämmung der Inflation profitieren wollte, setzte zuletzt gern auf Finanzwerte. Die Krise um den kalifornischen Startup-Finanzierer Silicon Valley Bank sorgt nun jedoch für einen Denkzettel, denn steigende Zinsen haben durchaus auch ihre Nebenwirkungen, berichtet Bloomberg News.

Ausverkauf bei Anleihen befürchtet
In Zeiten hochschnellender Zinsen Banken im Portfolio zu haben, ist am Finanzmarkt Standard, bedeuten diese tendenziell doch höhere Zinserträge und somit Schub für die Gewinne der Institute. Einen Strich durch diese Rechnung machte nun jedoch der Umstand, dass steigende Zinsen am Geldmarkt viele Sparer veranlassen, sich anderweitig bessere Angebote zu suchen.

Um die Lücken aus dem Mittelabfluss auszugleichen, sind viele Banken gezwungen, Anleihebestände abzustoßen, deren Wert mit dem Zinsanstieg geschwunden ist. Die Folge sind Verluste, und die Befürchtung zunehmenden Verkaufsdrucks am Markt für Festverzinsliche.

Probleme aus andern Sektoren schwappen auf die klassische Finanzbranche über
An der Wall Street erlitten Banktitel am Donnerstag die schwersten Verluste seit Juni 2020. Die Titel der Silicon Valley Bank fielen um 60 Prozent, da das Institut aus dem kalifonischen Menlo Park eine milliardenschwere Kapitalerhöung zur Abfederung von Einbußen im Portfolio braucht. Erheblich abwärts ging es jedoch auch im breiten Sektor, bei kleineren Akteuren ebenso wie bei Branchenriesen wie JPMorgan Chase & Co., deren Aktie 5,4 Prozent im Minus schloss.

In Frankfurt fielen während Vormittagshandel die Aktien der Deutsche Bank, der Commerzbank, wie auch der Credit Suisse Group. Auch die Renditespreads von Bankbonds weiteten sich aus.

Das neue Risiko rückt nun ins Bewusstsein
“Die heutige Nachricht zeigen ein Risiko auf, das die meisten Anleger offenbar nicht auf dem Schirm hatten”, sagte Adam Phillips, Managing Director im Bereich Portfoliostrategie bei EP Wealth Advisors, am Donnerstag. “Dies mag ein Einzelfall sein. Die Sorge ist aber, dass andere Banken nun ähnliche Probleme melden könnten.”

Der Ausverkauf bei den Finanztiteln spiegelt die tektonischen Kräfte wider, die seit Monaten in der Wirtschaft am Werk sind. Letztlich kam er allerdings doch plötzlich und erwischte die Anleger auf dem falschen Fuß. Noch letzte Woche lagen die US-Bankwerte im Jahresvergleich im Plus, wobei schon die Nachricht die Runde machte, dass die Unternehmenseinlagen im Jahr 2022 zum ersten Mal seit 1948 zurückgegangen sind.

Die Probleme von Silvergate und SVB werfen ein Schlaglicht auf die Fallstricke, die die Zinswende der Zentralbanken für den Bankensektor bereithält: Einleger, die die Bank wechseln um mehr für ihr Geld zu erhalten, und die Banken zwingen, Marktwertverluste auf Wertpapiere zu realisieren.

Konnte Silvergate noch als von der Krypto-Krise induzierter Spezialfall gelten, sieht das bei der Silicon Valley Bank anders aus, sagt Analyst Gary Tenner von DA Davidson im Bloomberg-Interview: “Ist das der Damm, der gebrochen ist, wenn es um die Kapitalbeschaffung weiterer Banken geht? Wird es noch mehr geben?”

“Wer ist der Nächste?”
Überall in der Investmentwelt dominiere die Frage, “wer ist der Nächste?”, so Jens Nordvig, Gründer der Marktanalyse- und Datenintelligenzunternehmen Exante Data und Market Reader. “Ich erhalte viele Fragen von meinen Kunden zu diesem Thema.” Die Silicon Valley Bank forderte ihre Kunden indes auf, “Ruhe zu bewahren”.

Auch wenn das unmittelbare Risiko für viele Banken nach Ansicht von Analysten nicht existenziell ist, könnte es dennoch schmerzhaft werden. Um einen Ansturm auf die Einlagen zu verhindern und Sparer an sich zu binden, könnten die Banken gezwungen sein, mehr Einlagenzinsen zu zahlen. Das würde die Zinsmarge und damit die Nettozinserträge schmälern, die bei den Banken zuletzt für hohe Gewinne gesorgt hatten.

Gefahr besteht auch in Deutschland
Die Probleme der US-Banken haben Anklänge an ein Thema, das in Deutschland vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken quält, die wegen der steigenden Zinsen mit großen Abschreibungen auf ihre Wertpapierbestände konfrontiert sind. Bafin-Chef Mark Branson hatte auf das Risiko hingewiesen, das in Deutschland bislang ausgeblieben ist, sich aber nun in den USA materialisiert: Dass diese Verluste nicht auf dem Papier bleiben, sondern real eintreten, wenn die Institute unter Druck geraten, Aktiva zu Geld zu machen.

Auch in den USA wird das Risiko vor allem bei kleinen und mittelgroßen Banken gesehen, bei denen die Finanzierung in der Regel weniger breit gestreut ist. Sie könnten besonders unter Druck geraten und zu Kapitalerhöhungen gezwungen sein, die Aktionäre verwässern könnten.

Nur die Spitze des Eisberges
“Die Silicon Valley Bank ist nur die Spitze des Eisbergs”, sagt Christopher Whalen von der Finanzberatung Whalen Global Advisors. “Ich mache mir keine Sorgen um die Großen, aber viele der kleinen Firmen werden einen schweren Schlag einstecken müssen”, sagte er. “Viele von ihnen werden Eigenkapital aufbringen müssen.”

Bei der Silicon Valley Bank trat der Notfall ein, weil viele ihrer Kunden — überwiegend mit Risikokapital finanzierte Start-ups — wegen derzeit kaum fließender Neufinanzierungen ihre Einlagen aufbrauchten. Die Bank musste nahezu alle Wertpapiere in seinem Portfolio verkaufen und kündigte deshalb an, dass ein stärkerer Rückgang des Nettozinsertrags ins Haus stehe.

Nur wenige Stunden nachdem CEO Greg Becker die Kunden am Donnerstag aufgerufen hatte, “Ruhe zu bewahren”, wurde bekannt, dass eine Reihe prominenter Risikokapitalgeber, darunter Peter Thiels Founders Fund, ihren Portfoliounternehmen raten, vorsorglich ihr Geld abzuziehen.

Alarmzeichen
Plötzliche Ausverkäufe gelten an der Börse bei Banken als besonders bedenklich. Aufgrund ihrer Rolle als Kapitalgeber wird bei ihnen oft davon ausgegangen, dass sie Signale für den breiteren Markt liefern. Das Drama dieser Woche dürfte Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die vor einer Rezession warnen, und für solche, die den Anstieg des S&P 500 seit November für eine Bärenmarktrally halten, die vor dem Aus steht.

“Ich glaube nicht, dass dies ein Frühwarnzeichen ist, doch ich habe das Gefühl, dass der Markt das so sieht”, konstatiert Art Hogan, Chef-Marktstratege bei B. Riley Wealth.

Die Analystenprognosen zeugen bislang von Optimismus, dass die Banken ihre Zinserträge steigern können. Bei den Firmen im S&P 500 Financials Index liegt die mittlere Erwartung für 2023 bei einem Anstieg um 9,4 Prozent, womit für den Sektor im Branchenvergleich die zweitbeste Performance erwartet wird. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis bei den US-Bankwerten liegt auf dem höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten.

Diese Zuversicht wird nun auf die Probe gestellt, so Michael O’Rourke, Chefmarktstratege bei JonesTrading. Bislang wurde “konsequent die Realität ignoriert, dass das höhere Zinsumfeld den Unternehmen in Zukunft Gegenwind bescheren wird”, sagte er. “Aus meiner Sicht unterstreicht dies, dass steigende Zinsen eben doch eine Rolle spielen.” (aa)

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