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Rüstungshersteller wollen angesichts Ukraine-Kriegs nun "ESG" sein

Angesichts einer russischen Invasion diskutiert Europa nun darüber, ob Waffen als ESG-Assets gelistet werden sollten, um ihnen einen günstigeren Zugang zu Finanzierungen zu ermöglichen. Der BDSV, einer Lobbygruppe der deutschen Rüstungsindustrie, argumentiert mit der "sozialen Nachhaltigkeit".

Minen sind bei Nachhaltigkeitsinvestoren zwar ein "No Go", haben aber beispielsweise Finnland und seine Demokratie vor einer großanlegten Invasion respektive vollständigen Eroberung seitens der Sowjetunion im Winterkrieg 1939/40 bewahrt.
Minen sind bei Nachhaltigkeitsinvestoren zwar ein "No Go", haben aber beispielsweise Finnland und seine Demokratie vor einer großanlegten Invasion respektive vollständigen Eroberung seitens der Sowjetunion im Winterkrieg 1939/40 bewahrt.© Christian Schwier

Dass Kriege innerhalb kürzester Zeit traditionelle Denk- und Sichtweisen auf den Kopf stellen können, zeigt sich exemplarisch an der aufgekommenen Diskussion, Rüstungshersteller als "sozial nachhaltig" zu klassifizieren. Darüber berichtet Bloomberg.

So ist die Europäische Union derzeit dabei, die nächste Phase einer Taxonomie einzuleiten, die Investitionen definieren soll, die im Hinblick auf ökologische, soziale und Governance-Prinzipien als nachhaltig gelten. Die Plattform für nachhaltige Finanzen - eine von der EU einberufene Gruppe - veröffentlichte am Montag ihren Entwurf für die Arten von Aktivitäten, die als sozial nachhaltig gelten könnten.

Die Liste enthält Leitlinien für die Entlohnung, die Gleichstellung der Geschlechter und menschenwürdige Lieferketten. Auf der von der Plattform vorgeschlagenen schwarzen Liste stehen Zigaretten und Waren, die durch Zwangsarbeit hergestellt wurden. Bei der Frage der Waffen sollte sich die EU auf bestehende internationale Protokolle und Konventionen stützen, heißt es. Wie auch immer das Ergebnis aussehen wird, die EU sollte laut der Plattform zu einem globalen “Standardsetzer“ werden.

Si vis pacem para bellum - Wenn du Frieden willst, bereite Krieg vor
Da es jedoch noch Jahre dauern wird, bis eine Sozialtaxonomie fertiggestellt ist, nutzen Lobbyisten die sich ihnen bietende Gelegenheit, um das Ergebnis zu beeinflussen. Nach Ansicht der BDSV, einer Lobbygruppe der deutschen Rüstungsindustrie, ist der Einmarsch Russlands in die Ukraine in der vergangenen Woche von großer Bedeutung für die Frage der sozialen Nachhaltigkeit in Europa.

“Der Einmarsch in die Ukraine zeigt, wie wichtig eine starke Landesverteidigung ist”, sagte Hans Christoph Atzpodien, der Leiter der BDSV. “Ich appelliere an die EU, die Rüstungsindustrie als positiven Beitrag zur ‘sozialen Nachhaltigkeit’ im Rahmen der ESG-Taxonomie anzuerkennen.”

Landesbanken helfen durch Kreditverweigerung unbeabsichtigt Russland
Die Rüstungsindustrie berichtet, dass sie Schwierigkeiten habe, Kredite zu erhalten, da die Finanzwirtschaft von ESG-Bedenken beherrscht werde. Der Vorstandsvorsitzende von Rheinmetall, Armin Papperger, sagte im Januar gegenüber Medien, dass sein Unternehmen etwa von der LBBW und der BayernLB aufgrund ihrer ESG-Bedenken von der Kreditvergabe ausgeschlossen worden sei.

Die Union hat bereits signalisiert, dass sie bereit ist, einige der Argumente der Verteidigungsindustrie anzuhören. In einem Strategiepapier Anfang Februar betonte die EU, wie wichtig es sei, sicherzustellen, dass “Initiativen zur nachhaltigen Finanzierung im Einklang mit den Bemühungen der Europäischen Union stehen, der europäischen Verteidigungsindustrie einen ausreichenden Zugang zu Finanzmitteln und Investitionen zu ermöglichen.”

Und am Wochenende kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz eine massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben an. Mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine habe eine neue Ära begonnen, sagte Scholz am Sonntag vor Abgeordneten, als er Pläne für ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro in diesem Jahr vorstellte, das der Modernisierung des deutschen Militärs dienen soll.

Spekulanten bezogen Position
Deutsche Rüstungsaktien legten am Montag kräftig zu: Hensoldt AG stieg nach Handelsbeginn um fast 90 Prozent und Rheinmetall sprang bei Markteröffnung um fast 50 Prozent nach oben. Rheinmetall stiegen am Dienstag weiter, den sechsten Handelstag in Folge. Aktien von Hensoldt haben sich seit Beginn des Krieges fast verdoppelt (Stand: Dienstag-Vormittag).

Wenn Kriegsgefahr in der Luft liegt, steigen die Aktien von Rheinmetall. Quelle: Bloomberg

Soziale Investments gefragt
Auch ohne eine annähernd fertige Sozialtaxonomie ziehen soziale Investitionen bereits Milliarden an. Die Europäische Union hat selbst 100 Milliarden Euro an Bonds ausgegeben, die an ihr Pandemie-Arbeitsplatzprogramm gebunden sind, und dabei eine Rekordnachfrage von Investoren erhielten.

Die Aufgabe, eine Liste von sozial nachhaltigen Aktivitäten zu erstellen, könnte sich als äußerst schwierig erweisen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Europäische Kommission noch in diesem Jahr einen Vorschlag vorlegen wird, und die Empfehlungen der Plattform können als nicht umfassend angesehen werden.

Die EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Mairead McGuinness, versuchte Anfang des Monats, die Erwartungen zu dämpfen, indem sie die “enorme” Herausforderung betonte, vor der die EU steht, um alle Phasen ihrer ESG-Gesetzgebung durchzuarbeiten. (aa)

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