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Paradigmenwechsel in China und was er für Anleiheinvestoren bedeutet

Die zunehmende Regulierung in China ist zwar für Aktionäre der betroffenen Branchen schlecht, könnte aber den Anleihegläubigern in vielen Fällen sogar in die Hände spielen, erklärt Peter Eerdmans, Head of Fixed Income bei Ninety One.

Peter Eerdmans, Ninety One
Peter Eerdmans, Ninety One© Ninety One

Auf die Reformen in Chinas privaten Bildungssektor Ende Juli reagierten die Märkte unvermittelt mit massiven Verkäufen. Die Neuregelungen machen deutlich, dass sich die Prioritäten auf höchster Regierungsebene verschoben haben, berichtet Peter Eerdmans, Head of Fixed Income bei Ninety One in einem "Institutional Money" exklusiv vorliegenden Marktkommentar.

Staatlicher Eingriff in die Wirtschaft
Das Durchgreifen im Bildungssektor hat die Märkte verunsichert, weshalb sich laut Eerdmans ein Blick auf die Beweggründe Chinas lohnt. Mit Sorge betrachteten Chinas Behörden das Wachstum des privaten Nachhilfemarktes, nachdem Online-Anbieter hohe Kapitalzuflüsse aus den USA verzeichnet hatten. China will für die junge Generation eine leistungsorientierte Gesellschaft aufbauen. Das gewinnorientierte Geschäftsmodell dieser Unternehmen schien dem entgegenzustehen. Zudem befürchtete man eine zunehmende soziale Schieflage. Eine Rolle spielte auch die Sorge über die sinkende Geburtenrate, die angeblich nicht zuletzt den hohen Bildungskosten geschuldet ist. Der Führung wurde zudem bewusst, dass es an Aufsicht und Kontrolle über jene Unternehmen mangelte, die viele ausländische Lehrkräfte beschäftigten.

Dies alles sei Teil der Bemühungen des Landes, seinen Weg im Internetzeitalter zu finden sowie seine Wirtschaftsziele und kulturelle Identität unter einen Hut zu bringen. "Darin einen allgemeinen Angriff auf den Technologiesektor zu sehen ist falsch. Man hat den Bildungssektor schon seit einigen Jahren im Visier; viele der damit verbundenen Risiken sind in den Emissionsprospekten der Bildungsanbieter beschrieben", erinnert Eerdmans.

Andere Schlagzeilen über eine strengere Regulierung von Teilen des Tech-Sektors sind symptomatisch für den Wettlauf Chinas mit den USA um die wirtschaftliche Vormachtstellung. Technologie ist zum Schlüsselsektor geworden. Folglich sucht Peking nach Möglichkeiten, in bestimmten Technologiebereichen die Führung zu übernehmen.

In Chinas zaghaften, aber zunehmend entschlossenen Maßnahmen, dem Sektor die Zügel anzulegen, spiegelt sich zudem die Erkenntnis wider, dass ungebremstes Wachstum und Expansion entsprechender Unternehmen den nationalen Interessen in mancher Hinsicht zwar dienlich, in anderer jedoch eher hinderlich sein könnten.

Einerseits beflügeln private Tech-Firmen Innovation und Wettbewerb im Technologiesektor. Aber lässt man ihnen freie Hand, hat das ungewollte soziale und wirtschaftliche Folgen. Der wesentliche Unterschied zu Regulierern aus dem Westen besteht darin, dass China noch nicht so viele Jahre Erfahrung in diesem Bereich hat.

Es ist laut Eerdmans kaum vorstellbar, dass die chinesischen Behörden mit ihren Maßnahmen die Geschäftsmodelle international wettbewerbsfähiger Unternehmen vorsätzlich untergraben wollen. Schließlich handelt es sich bei vielen um Marktführer sowie Eckpfeiler des Wachstums und der wirtschaftlichen Entwicklung in China.

Paradigmenwechsel?
In China scheint sich ein Paradigmenwechsel zu vollziehen. Nach Jahren, in denen man als wichtigstes Ziel wirtschaftlichen Wohlstand zur Beseitigung der Armut anstrebte, haben sich die Prioritäten der Regierung nun zugunsten eines Gleichgewichts von Wachstum und Nachhaltigkeit verschoben. "Investoren werden sich wohl von der Vorstellung eines statischen, monolithischen Landes verabschieden und an die einer dynamischen und vielschichtigen Nation gewöhnen müssen. Wie andere große Nationen muss auch sie ihren Weg erst finden, vor allem im noch relativ jungen Technologiesektor", prognostiziert Eerdmans.

Regulierung bietet auch Opportunitäten
Der regulatorische Gegenwind könnte gerade in den Sektoren anhalten, in denen soziale Ungleichheit, Umweltzerstörung und Datenschutzprobleme an der Tagesordnung sind. Aber aus neuen Risiken entstehen auch neue Chancen. So sind manche Unternehmen gut aufgestellt, um von Pekings neuen Zielen zu profitieren, etwa solche, die mit ihren Lösungen zu einer „grüneren“ Wirtschaft beitragen oder sich auf Cybersicherheit spezialisiert haben.

Es ist laut Eerdmans zudem wichtig, zwischen den Auswirkungen der politischen Maßnahmen für Anlagen in Aktien im Vergleich zu Anleihen zu unterscheiden. "Eine Regulierung, die Wachstum oder Gewinne stark beeinträchtigt, könnte sich beispielsweise erheblich auf die Aktienbewertung eines Unternehmens auswirken, währenddessen die Kreditwürdigkeit sogar weiter steigen könnte, wenn das Unternehmen dadurch attraktiver bewertet wird", erklärt Eerdmans.

Sollte mit diesen Maßnahmen die Gefahr einhergehen, dass sich das Wachstum abschwächt, könnten Chinas Behörden anstelle einer Kehrtwende bei ihren Reformen dazu neigen, die Wirtschaft durch eine lockerere Makropolitik zu stützen." Die Folge könnte ein Wirtschaftsumfeld mit zwar geringerem, aber ausgewogenerem Wachstum sein, verbunden mit einer verstärkten Regulierung, um systemische Risiken zu reduzieren. Ein solches Ergebnis könnte speziell für Anleiheinvestoren im Großen und Ganzen von Vorteil sein", erklärt Eerdmans abschließend. (aa)

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