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Darum geht es in Chinas Kartellschlacht mit Alibaba und Tencent

Während China seinen Tech-Giganten fleißig Strafen erteilt, sind die USA im Silicon Valley noch unentschlossen. Dabei haben beide Staaten das gleiche Ziel: Die Bekämpfung der Internet-Monopole. Nur welche Absichten verfolgen sie dabei überhaupt? Das fragt sich Dr. Ernst Konrad von Eyb & Wallwitz.

Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz
Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz© Eyb & Wallwitz

Strafzahlungen, Preisvorgaben und die permanente Androhung von Zerschlagungen – im Kampf mit der eigenen Tech-Industrie greift die chinesische Kartellbehörde hart durch. "Möglich macht das eine neue Richtlinie zur „Monopolbekämpfung“, die die Kommunistische Partei im Februar erlassen hat und mit der sie die Marktmacht von Alibaba, Tencent und Didi stark eingrenzen will", weiß Dr. Ernst Konrad, Lead Portfoliomanager bei Eyb & Wallwitz. Im Westen sorgt das für Aufsehen - und eine etwas verunsicherte Form der Anerkennung. Immerhin hat man hier mit den monopolartigen Bestrebungen der Big Five ein ähnliches Problem. Nur ist die rechtliche Ausgangslage eine völlig andere, da die amerikanische Kartellbehörde nicht die Vollstreckerin einer autoritären Staatspartei, sondern die Garantin einer liberalen Wirtschaftsordnung ist. So zumindest das westliche Selbstverständnis. Doch wer wirklich glaubt, dass Staat und Wirtschaft in den USA und Europa ausschließlich an Freihandel und fairem Wettbewerb interessiert sind, der irrt, sagt Dr. Ernst Konrad.

Die schöpferische Kraft der Monopole
Auch im Westen sind die Allianzen zwischen den Mächtigen und Trägen weit verbreitet. Denn während Monopolisten nichts mehr scheuen als den offenen Wettbewerb mit ihren Konkurrenten, sehnen sich Staaten für gewöhnlich nach sprudelnden Steuereinnahmen und sicheren Arbeitsplätzen. Dr. Konrad dazu: "Und mit einer großzügigen Auslegung des Wettbewerbsrechts ist das auch für beide Seiten möglich, wie der österreichische Ökonom Joseph Schumpeter bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts festgestellt hat. Ein kritischer Blick auf unsere Automobilindustrie sollte genügen, um ihn zu bestätigen. Doch im Westen verweist man bei diesem Thema lieber auf staatlich gesteuerte Großkonzerne in China. Dabei liegt es den Chinesen völlig fern, sich an unseren Idealen einer liberalen Weltwirtschaft zu messen. Um das zu verstehen, kann uns neben Schumpeter vor allem der deutsche Ökonom Friedrich List mit seinem „Infant Industry Argument“ helfen."

Infant Industry Argument
Als Infant Industry bezeichnet List junge Sektoren einer Volkswirtschaft, die im Vergleich zur internationalen Konkurrenz noch nicht wettbewerbsfähig sind. Diese Sektoren gilt es aus seiner Sicht vor dem Einfluss hochentwickelter Industrienationen zu schützen. Ein Argument, dass sich klar gegen David Ricardos Theorie der komparativen Kostenvorteile und der daraus abgeleiteten Forderung nach radikalem Freihandel richtet. Denn der führe für gewöhnlich nicht zu einer Besserstellung aller, sondern zur alleinigen Marktmacht der am weitesten entwickelten Volkswirtschaften, so List. Ein Plädoyer für staatliche Interventionen und Protektionismus, das China auf seinem Weg von der Werkbank des Westens bis zur Hightech-Nation stets beherzigt hat. Auch mit Blick auf Tech-Giganten wie Alibaba und Tencent. Doch warum liefert sich die chinesische Kartellbehörde nach Jahren der erfolgreichen Protektion nun so eine harte Kartellschlacht? Geht es der Kommunistischen Partei etwa wirklich um „Monopolbekämpfung“?

Zuckerbrot und Peitsche
Um diese Frage zu beantworten, reicht ein Blick auf die Zahlen der chinesischen Volkswirtschaft – also nicht nur der Handelsplattformen, Spieleentwickler, Zahlungsdienstleister und Essenlieferanten aus dem Internet. Geopolitisch deutlich wichtiger als die „Softpower“ dieser Firmen ist für China nämlich die „harte“ Industrien wie Rüstung, Halbleiter, Telekommunikation, Elektromobilität und Biotechnologie. Ein Vergleich zwischen dem HS China Enterprises Index und dem Shenzen Composite Index zeigt das deutlich. Ersterer wird von der chinesischen Internetbranche dominiert und Letzterer von den im Sinn der Partei „nützlichen“ Industrien. Seit Februar 2021 ist hier eine klare Spreizung zu erkennen.

Quelle: Bloomberg / Eyb & Wallwitz

Strategie der KP: Machterhalt
Die Ursache dafür liegt bei den strategischen Überlegungen der Kommunistischen Partei. Und deren oberstes Ziel ist ihr eigener Machterhalt, weshalb die produzierende Industrie nun mal eine deutlich wichtigere Rolle spielt als Computerspiele oder Lieferanten-Apps. "Die Kartellschlacht mit Alibaba und Co. ist deshalb auch alles andere als ein Zeichen liberaler Wirtschaftspolitik. Ganz im Gegenteil: Als strategische Lenkerin der Wirtschaft sieht es die Partei zunehmend kritisch, dass sich die klügsten Köpfe des Landes in der geopolitisch irrelevanten Internet-Industrie verausgaben, weshalb sie seit Februar eine empfindliche Kurskorrektur vornimmt. Aus der schützenden Hand des Staates ist so eine geballte Faust geworden", stellt Dr. Konrad fest.

Schwierige Situation für ausländische Investoren
Denn grundsätzlich bietet ihnen die chinesische Volkswirtschaft enorme Wachstumspotentiale. Ein breit gestreutes Portfolio von Unternehmen, deren Aktivität der Partei als nützlich erscheinen, sei nach wie vor eine sinnvolle Investition, so Konrad. Die geopolitische Auseinandersetzung mit den USA bleibe auf absehbare Zeit der bestimmende Faktor für alle China-Investitionen. Was dort zähle, sei der Machterhalt der Partei und die globale Stellung der Nation - nicht freie Märkte und Fortschritt. Wer das beherzige, könne dort weiterhin Geld verdienen. (kb)

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