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Sanktionen bis Atomkriegsgefahr: Die heimlichen Banker-Sorgen

Während die meisten Vertreter der Finanzbranche sich nach außen hin ruhig geben, wird hinter verschlossenen Türen in manchen Fällen auch das Wort-Case-Szenario eines nuklaren Schlagabtausches zwischen den Supermächten thematisiert.

© Romolo Tavani / stock.adobe.com

Internationale Banken stellen seit der russischen Invasion in der Ukraine ihre geschäftlichen Risiken in Zusammenhang mit dem Krieg als überschaubar dar. Hinter den Kulissen debattierten sie allerdings weniger beschwichtigend: Dort wird sogar das Risiko eines Atomkriegs angesprochen, neben den möglichen Fallstricke neuer Sanktionen. Darüber berichtet Bloomberg.

Risiken steigen
Die Goldman Sachs Group bot ihren Kunden am Donnerstag Telefonate mit Alex Younger an, einem ehemaligen Chef des britischen Geheimdienstes MI6, der das Geldhaus heute berät. Was der zu sagen hatte, war drastisch: Zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren sei die Gefahr einer nuklearen Konfrontation ein reales Risiko.

Die Episode zeigt: Der Konflikt in Osteuropa ist für die Bankenwelt unbekanntes Terrain und wirft Fragen auf, die bislang so nicht gestellt wurden. Obwohl sich der Konflikt monatelang angedeutet hatte, hat ein Krieg mit russischen Panzern auf ukrainischem Boden am Ende doch alle überrascht.

Russische Anleihen gelten nicht mehr als Collateral
Die UBS Group at am Donnerstag bereits Nachschussforderungen an Kunden gestellt, die russische Anleihen als Sicherheiten für ihre Portfolios verwenden, da diese Papiere nicht mehr als Sicherheiten akzeptiert werden.

Bekanntlich sind nur wenige Banken direkt in Russland engagiert - angeführt von der Societe Generale, der UniCredit und der Wiener Raiffeisen Bank International. Die indirekten Kosten der neuen Sanktionen, die das Weiße Haus, Brüssel und Downing Street 10 verhängen, sind jedoch schwieriger zu greifen.

Für Wall Street-Firmen wie JPMorgan Chase & Co, Citigroup und Bank of New York Mellon Corp. ist das Hauptproblem, dass sie über Treasury-Dienstleistungen riesige Geldbeträge in der ganzen Welt bewegen. Das macht sie de facto zu den Vollstreckern von Sanktionen: Jede Transaktion mit einer sanktionierten Einrichtung muss abgelehnt und gestoppt werden.

“Selbst wenn Sie nicht direkt eine russische sanktionierte Bank als Kunden haben, können Sie nie ganz sicher sein, ob die Transaktion, die Sie durchführen, über eine russische Bank läuft”, sagt Eric Li, Leiter des Transaktionsbankings bei Coalition Greenwich. “Die Kette ist sehr komplex.”

Russland ist nicht zu vergleichen mit anderen Sanktionszielen wie Iran, Nordkorea oder Venezuela und ihren begrenzten Verbindungen zur globalen Wirtschaft. Banken müssen unzählige Möglichkeiten berücksichtigen, über die sie mit einem Finanzsystem der Größe Russlands verbunden sein können - oder mit den Oligarchen, die mit Wladimir Putin in Verbindung stehen.

Einfrieren von Konten
Der umfassende Charakter der Russland-Sanktionen ist beispiellos. US-Präsident Joe Biden präsentierte am Donnerstag Maßnahmen wie das Einfrieren der Konten von vier russischen Banken, einschließlich Marktführer Sberbank PJSC und VTB Bank PJSC. Clay Lowery vom Institute of International Finance glaubt, die Maßnahme ziele unter anderem darauf ab, einen Run auf die Banken zu verursachen.

“Die Sanktionen werden erhebliche Auswirkungen auf die russische Wirtschaft haben und der Durchschnittsrusse wird die Kosten zu spüren bekommen”, so Lowery. Andererseits sollten die Auswirkungen auf ausländische Banken begrenzt sein, da die bestehenden Sanktionen sowie die Sorge vor weiteren Maßnahmen bereits viele dazu veranlasst habe, ihre Engagements zurückzufahren.

In der jetzigen Runde außen vor bleibt Russlands Zugang zu Swift, dem globalen Zahlungsnetzwerk, vor allem auf Wunsch Europas. Die Option liegt jedoch weiter auf dem Tisch. In der Finanzbranche stellt sich die Frage, ob ein Ausstieg aus Swift nicht für die internationalen Banken genauso viele Probleme verursachen würde wie für die russische Regierung.

Die Tatsache, dass nun eine breite Schicht der russischen Elite und ihrer Familienmitglieder von Washington und London ins Visier genommen werden, könnte Banken mit großem Wealth Management größere Sorgen bereiten. Schweizer Privatbanken sind seit jeher ein bevorzugtes Ziel für russisches Geld, ebenso wie die Londoner City.

“In Bezug auf die beteiligten Oligarchen gibt es hier eine Menge zu klären, und überall in London finden gerade Notfallübungen dazu statt”, sagt Michelle Linderman, Sanktionsanwältin bei Crowell & Moring. (aa)

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