Logo von Institutional Money
| Theorie

Studie: Verbot von Leerverkäufen hat unerwünschte Nebenwirkungen

Mehrere Länder haben zu Beginn der Pandemie Wetten auf fallende Aktienkurse verboten, um den Markt zu stützen. Eine Studie zeigt nun, dass die Regulatoren mit diesem Verbot eher das Gegenteil erreicht haben.

© Goodpics / stock.adobe.com

Investoren, die auf sinkende Kurse spekulieren, haben einen schlechten Ruf. Sie gelten Kritikern als Aasgeier der Börse, die für ihren Profit einzelne Unternehmen oder ganze Märkte in eine fatale Abwärtsspirale stürzen. Aus Sorge vor unkontrollierbaren Abwärtsrisiken haben zu Beginn der Covid-19-Pandemie mehrere europäische Länder das sogenannte Short-Selling zeitweise verboten, darunter Frankreich, Spanien, Italien, Österreich, Griechenland und Belgien. Die deutsche Wertpapieraufsicht Bafin erließ im Februar für die stark von Shortsellern attackierte Aktie von Wirecard sogar ein gesondertes Leerverkaufsverbot. Studien zufolge haben die Regulatoren dadurch aber das Gegenteil dessen erreicht, was sie bezwecken wollten, berichtet die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ).

Das Leerverkaufsverbot hat offenbar nicht geholfen, die Börsen zu stabilisieren. Stattdessen hat es das Funktionieren der Finanzmärkte sogar beeinträchtigt – und damit letztlich allen Anlegern geschadet. Zu diesem Ergebnis kommen zwei italienische Wissenschaftler, die untersucht haben, wie sich die Aktienmärkte in 15 europäischen Ländern zwischen Ende Januar und Mitte Mai dieses Jahres entwickelt haben. Ihr Fazit: Wo Leerverkäufe verboten waren, entwickelten sich Aktien im Untersuchungszeitraum schlechter als der Gesamtmarkt.

Ohne Short-Seller sinkt die Liquidität
Die Wissenschaftler stellten laut NZZ fest, dass die Geld-/Brief-Spannen breiter wurden. "Das legt nahe, dass Unsicherheit in Bezug auf die Preisentwicklung herrschte – also eine größere Informationsasymmetrie und eine tiefere Marktliquidität", erklärt die Schweizer Zeitung.

Finanzökonomen hatten bereits während der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 festgestellt, dass Leerverkäufe eine wichtige Rolle bei der Preisbildung spielen. Spekulanten erhöhen die Liquidität am Markt und reduzieren die Informationsasymmetrie. Sie entdecken oft als Erste überbewertete Aktien und veranlassen, dass deren Preis nach unten korrigiert wird. Auch im Fall Wirecard hatten Leerverkäufer schon sehr früh Unregelmäßigkeiten entdeckt und auf einen fallenden Aktienkurs gesetzt.

Verbote stauen den Kurs-Druck nur auf
Die jüngste Untersuchung bestätigt offenbar, dass Leerverkäufe ihre Berechtigung haben und ein Verbot nicht der beste Weg zu mehr Finanzmarktstabilität ist. "Leerverkaufsverbote können temporär ein Fallen des ganzen Marktes verhindern. Doch dadurch wird der Druck nur aufgestaut. Nach der Aufhebung fallen die Kurse potenziell noch stärker", erklärt Alexander Wagner, Finanzprofessor an der Universität Zürich, in der NZZ. Short-Selling trage dazu bei, dass wichtige Negativ-Informationen in die Preisbildung einfließen. (fp)

Dieses Seite teilen