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Fraktale Märkte VII: Trends und asymptotisch effiziente Märkte

In der Diskussion rund um die Theorie der Effizienten Märkte darf der historische Diskurs zwischen Eugene F. Fama und Robert J. Shiller nicht fehlen. Beide (neben Lars P. Hansen) wurden 2013 für ihre Arbeiten mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Ökonomie gewürdigt.

Dr. Wilhelm Berghorn, Gesellschafter und Geschäftsführer von Mandelbrot Asset Management, stellt in dieser Fortsetzungsserie die Welt der Fraktale und ihre Nutzbarkeit für Kapitalmarktanlagen näher vor.
Dr. Wilhelm Berghorn, Gesellschafter und Geschäftsführer von Mandelbrot Asset Management, stellt in dieser Fortsetzungsserie die Welt der Fraktale und ihre Nutzbarkeit für Kapitalmarktanlagen näher vor.© Mandelbrot AM

Während Fama von Effizienten Märkten ausgeht, die keine Art der Preisprognose zulassen und bei denen sich Renditen unabhängig von der Vergangenheit entwickeln, nimmt Shiller eine Gegenposition ein. Zum einen zeigt er über ein Dividendenmodell, dass die Märkte wesentlich stärker schwanken als dies fundamental gerechtfertigt ist. Zum anderen warnt er auch frühzeitig vor wesentlichen Blasenbildungen, z.B. vor dem Platzen im Jahr 2000 der „dot-com bubble“ aber auch in 2008, in der die „United States housing bubble“ die weltweite Finanzkrise ausgelöst hat.

Wenn die Märkte wirklich effizient sind, so Shiller, dann dürften solche Art Blasen oder
Fehlbewertungen der Finanzanlagen nicht wirklich vorkommen. Fama allerdings hält dagegen, indem er argumentiert, dass kein Mensch diese Kursentwicklung vorhergesehen hat oder auch nur ausnützen könne. An jedem Tag sei der Preis der wahre Preis gewesen und keiner hätte
vorhersehen können, was am nächsten Tag passieren würde. Was aber gilt nun?

Eine Frage der Zeitskala
Wie Weise die Auswahl der Jury für den Gedächtnispreis 2013 ist zeigt sich in der Begründung, in der hervorgehoben wird, dass beide wichtige Beiträge zu „patterns of short- and long-term predictability in asset returns“ (also Strukturen der Kurz- und Langfrist-Vorhersage von Renditen) geliefert hätten. Anders gesagt: Es ist eine Frage der Zeitskala, mit der man Effekte beschreibt und offensichtlich operiert Fama im kurzfristigen und Shiller im längerfristigen Bereich. Kann man diese Charakteristik quantitativ nachweisen?

Trends
Es stellt sich heraus, dass dieses Phänomen auch bei Aktienpreisen sichtbar ist. Ausgehend von der von Mandelbrot AM eingeführten Wavelet-basierten Trendanalyse lassen sich für jede Aktie zu einer fest gegebenen Skala präzise die sichtbaren Trends bestimmen. Die Skala wirkt hierbei über die Trendzerlegung wie ein Normierungsfaktor, der alle Trends mit gleichen Sichtbarkeitseigenschaften zusammenfasst.

Aus jedem dieser Trends bestimmen wir dann die Länge (in Börsentagen) und berechnen den
Mittelwert (pro Skala) für diese Aktie. Wenn man dies dann nicht nur für eine Aktie, sondern für
eine ganze Kohorte von Aktien durchführt, bekommt man pro Skala einen Mittelwert der der
durchschnittlichen Trendlänge des Universums (bei gegebener Skala) entspricht. Diesen Vorgang wiederholt man für verschiedene Skalen und erhält dann folgende Grafik:

Wie die Grafik illustriert, entspricht mit zunehmend größerer (Wavelet-) Skala die mittlere Länge der Trends immer größeren Zeiträumen in Börsentagen. Dieser Zusammenhang ist linear, d.h. man kann zu jeder Skala auf die Anzahl der Börsentage umrechnen. Vergleicht man dies mit den in der Finanzmathematik zugrunde liegenden Zufallsprozessen (geometrische Brownsche Bewegungen, Random Walk), dann lässt sich folgendes ablesen: Je gröber (und damit länger) die Trendstrukturen in der Analyse sind, desto mehr unterscheiden sich die Trendlängen von den Realdaten im Vergleich zu den Trends in den Zufallsprozessen. In diesem Experiment sind auf Skala 64 die Trendlängen in den Realdaten um ca. 21 Börsentage (fast ein Monat) länger, als das, was man theoretisch vermuten würde. Je kürzer die Zeiträume der Betrachtung sind, desto kleiner wird dieser Unterschied. Je weiter man sich also in der Grafik oben nach links bewegt, desto weniger macht sich der Unterschied bemerkbar - man kann daher auch von einer asymptotischen Effizienz der Märkte ausgehen.

Überraschenderweise ändert auch die Verallgemeinerung von Benoît Mandelbrot (gebrochen
Brownsche Bewegung) an diesem Umstand nichts. Aus Trendlängen-Sicht sind beide Modelle fast identisch. Es macht also einen Unterschied, ob man den Kurs von morgen vorhersagen will oder wie z.B. bei Momentum üblich, längere Zeiträume (wie z.B. 6 Monate oder 1 Jahr) analysiert.

Wilde Trends
Ausgehend von einer Aktien-Kohorte wurden die Trends zu einer Wavelet-Skala 23 berechnet und sortiert. Es wurden dann die 100 längsten Trends in ihren Längen (in Börsentagen) dargestellt. Wie man leicht sieht, halten diese längsten Trends mehr als zwei Jahre (ein Börsenjahr zu 261 Tagen gerechnet) an. Fragt man sich, ob die klassischen Finanz-Marktmodelle (Random-Walk) solch lange Trends erzeugen können, so ist die Antwort, dass in 95 Prozent der Fälle dies ausgeschlossen werden kann.

Hierbei ist die Skala nicht wirklich zufällig gewählt, sondern entspricht der Skala einer
Momentum-Strategie, die monatlich die Aktien mit den höchsten 6-Monatsrenditen identifiziert.
Ist damit der Momentum-Effekt entschlüsselt, wo doch die Renditen über eine Historie gemessen werden und diese Methodik erst einmal mit Trendlängen nichts zu tun hat? Und wie verhält es sich eigentlich mit Mandelbrot’s Modellen, die eine Beschreibung von „Trending“ zulassen und auch in der Lage sind, Momentum gut zu beschreiben aber gleichzeitig im Beispiel oben sich bezüglich der Trendlängen nicht anders verhalten als die klassischen Modelle?

Wie sich herausstellen wird, kann man diese Phänomene - und das gilt auch für andere
Investment-Faktoren als Momentum - als indirekte Maße ansehen, die möglicherweise ganz
andere Strukturen erfassen: Trends und deren Charakteristika. Doch davon später mehr. (kb)

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