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Fraktale Märkte III: Ineffiziente Märkte, Mandelbrots Alternativ-Sicht

Wer den Exkurs in der Finanzmathematik verstehen will, muss sich tiefer mit den Kritiken an der Theorie auseinandersetzen. Verhalten sich Aktienpreise wirklich so, dass sie sofort auf neu ankommende Nachrichten reagieren und sich damit unabhängig von der Vergangenheit entwickeln?

Dr. Wilhelm Berghorn, Gründer und Geschäftsführer von Mandelbrot Asset Management, hat es sich zum Ziel gesetzt, das Verständnis für fraktale Märkte zu erhöhen.
Dr. Wilhelm Berghorn, Gründer und Geschäftsführer von Mandelbrot Asset Management, hat es sich zum Ziel gesetzt, das Verständnis für fraktale Märkte zu erhöhen.© Mandelbrot AM

Können also Aktienpreise als Zufallsprozess (Random-Walk) beschrieben werden, in welchem (üblicherweise normalverteilte) Renditen unabhängig von ihrer Vergangenheit „gezogen“ oder „gewürfelt“ werden?

Es gibt in der Literatur diverse statistische Testverfahren, die das eindeutig verneinen. Ein Beispiel sind die Arbeiten von Andrew Lo und Craig MacKinlay, die 1988 einen einfachen Test vorlegen, in dem sie messen, wie sich die Schwankungen von Aktien verhalten, wenn man den Betrachtungszeitraum variiert und wie es sich im Modell eines Random-Walk verhalten müsste.

Diese Ausschlusstests geben einem lediglich den Hinweis, welchem Modell Aktien nicht folgen und so ist die Begründung am Festhalten der Theorie der Effizienten Märkte oftmals, dass kein Modell perfekt ist und dass es nichts besseres gäbe.

Mandelbrots Verallgemeinerung: Die gebrochene Brownsche Bewegung
Ordnet man die Arbeiten von Low & MacKinlay in den historischen Kontext ein, so muss man starke Parallelen zu den Arbeiten von Benoît Mandelbrot in den 60er Jahren ziehen. Inspiriert von Arbeiten des Hydrologen Harold Edwin Hurst („Vater des Nils“) zur Abschätzung von Wasserständen, gelingt es ihm, die Arbeit von Albert Einstein zu Brownschen Bewegungen derart zu verallgemeinern, dass diese Abhängigkeiten zulassen, um solche Naturphänomene besser modellieren zu können. Übertragen auf den Finanzmarkt fügt Mandelbrot dem klassischen Modell, getrieben durch erwartete Rendite und Rendite-Schwankung (Risiko), den Hurst-Exponenten hinzu. Dieser kann als Konzept von „Trending“ (Persistenzeigenschaft von Renditen) und „Mean-Reversion“ (Anti-Peristenz von Renditen) in Aktienzeitreihen interpretiert werden. Hierbei bedeuten Hurst-Exponenten > 0,5 „Trending“-Effekte, während Hurst-Exponenten < 0,5 „Mean-Reversion“ andeuten. Die Trennlinie hierfür ist 0,5 und ist genau der Spezialfall, nämlich die Unabhängigkeit der Renditen von der Vergangenheit, die in der Finanzmathematik oftmals verwendet wird und in der Theorie der Effizienten Märkte postuliert wird.

Skalierungsverhalten von Zeitreihen mit unterschiedlichen Hurst-Exponenten

Quelle: Mandelbrot Asset Management GmbH

Skalierung in der Finanzmathematik
Schon die Arbeit von Albert Einstein birgt eine Grundkonzeption, die fundamental am Finanzmarkt wichtig ist und die auch bei Mandelbrot eine zentrale Rolle spielt: Das Konzept der Skala. Messgrößen, wie zum Beispiel Aktienmarkt-Renditen, Volatilität, historisches Beta und etwa Trends sind skalenabhängige Begriffe. Eine Tagesrendite etwa ist etwas anderes als eine Jahresrendite. Allerdings beinhalten die Modelle Skalierungseigenschaften, d.h. eine Messgröße wie z.B. die Tagesschwankung bei Aktien, lässt die Abschätzung einer Schwankung auf einer anderen Skala z.B. pro Monat zu. Fundamental in diesem Zusammenhang sind die Potenzgesetze dieser Messgrößen, die in der Theorie der Fraktalen (Theorie der Rauheit) immer wieder auch fraktale Charakteristiken signalisieren. Ein weiterer Verknüpfungspunkt ist, dass die Modelle von Mandelbrot und insbesondere der Hurst-Exponent in einem Spezialfall eine direkte Beziehung zu dieser Theorie bietet und dieser Exponent auch als Rauhigkeits-Koeffizient gesehen werden kann (siehe die Grafik).

Zweidimensionale gebrochene Brownsche Bewegungen mit „rauher“ Gebirgscharakteristik
Quelle: Richard Voss 1982

Ineffiziente Märkte
Mit diesem Rüstzeug von Mandelbrot kann man sich nun die Frage stellen, ob Aktienmarkt Renditen unabhängig sind - also einen Hurst-Exponent von 0,5 aufweisen. Wie nachfolgende Animation zeigt, ist das überwiegend nicht der Fall (VIDEO : https://youtu.be/Ah_ASRUAcw0)

Die Animation zeigt die wesentlichen Aktienmärkte zwischen 2000 und Anfang 2019 in einer 3D-Animation. Hierbei werden anhand der von Mandelbrot und van Ness 1968 entwickelten „gebrochen Brownschen Bewegungen“ jeder Aktie die drei Charakteristiken - Rendite über die letzten 12 Monate, - Schwankung in % p.a. (Jahres-Volatilität) sowie - „Trending“ (Rendite-Persistent gemessen über den Hurst-Exponent) zugeordnet und als Kugel in einem drei-dimensionalen Koordinatensystem gezeigt. Die Rendite ist auf der y-Achse aufgetragen, die Schwankung wird auf der x-Achse angegeben. Wie stark die Aktie „trended“, wird auf der Raum-Achse (z-Achse) angegeben. Hat eine Aktie eine positive Ein-Jahres-Rendite, so wird die entsprechende Kugel grün gefärbt. Ansonsten wird die Farbe Rot vergeben.

Insgesamt wird hiermit visualisiert, wie stark (oder wie wenig) die Märkte effizient (im Sinne der Kapitalmarkttheorie) sind. Je stärker Aktien zum "Trending" neigen, desto ineffizienter sind die Märkte.

Die Animation legt aber noch einen anderen Hinweis: Märkte sind im besten Mandelbrot’schen Sinne wild - so kommt es bei Aktien nach schweren Verlusten oftmals zu wahren Rendite-Explosionen (z.B. 2009). Dieses Phänomen werden wir später einem Investment-Ansatz zuordnen, dem sogenannten „Value“-Ansatz.

Die Kritik an Mandelbrot
Auf Basis seiner Arbeiten und Modelle hat Benoît Mandelbrot noch bis in die Spätphase seines Lebens von einem Langzeitgedächtnis des Marktes gesprochen. Und es ist wieder besagter Andrew Lo, der dieser Sicht widerspricht. Mit einem weiteren Test bereinigt er Aktien-Daten um „serielle Korrelationen“ und schließt, dass es kein Langzeitgedächtnis des Marktes gäbe.

"Dieser Diskurs lässt vermuten, dass die Arbeiten von Mandelbrot erst einmal ein besseres Verständnis des Marktes zulassen, aber eventuell immer noch nicht hinreichend sein könnten. Eine Sichtweise, die wir noch diskutieren werden, in dem wir „serielle Korrelationen“ mit einem Modell aus der Signaltheorie ausstatten - einer signaltheoretischen optimalen Definition eines Trends", sagt Dr. Wilhelm Berghorn und gibt damit einen Hinweis auf den Inhalt von Teil IV zu fraktalen Märkten. ?(kb)

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