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Warnzeichen: Treasury-Ausverkauf entfaltet Sogwirkung auf der ganzen Welt

Der aktuelle Abverkauf am Anleihenmarkt, der viele Investoren vor allem bei langlaufenden Staatsanleihen am falschen Fuß erwischt hat, hat das Potenzial, für massive Probleme zu sorgen. Insbesondere das Tempo des Sell Offs löst Ängste aus. Anlegern droht nicht nur wettermäßig ein heißer Herbst.

© Interstid / stock.adobe.com

Der Ausverkauf an den weltweiten Anleihemärkten hat sich am Mittwoch beschleunigt und die Kosten für langfristige Kredite in den USA und in Europa auf den höchsten Stand seit mehr als zehn Jahren getrieben. Das dämpft den Appetit auf risikoreichere Anlagen und trübt die Konjunkturaussichten ein, wie Bloomberg berichtet.

Die Händler stellen sich auf eine längere Phase straffer Geldpolitik ein und erwarten deshalb eine immer höhere Verzinsung für langfristige Staatsanleihen. Das trieb die Rendite 30-jähriger US-Treasuries zum ersten Mal seit 2007 über 5,0 Prozent und jene zehnjähriger deutscher Bundesanleihen erstmals seit 2011 auf 3,0 Prozent. Auch Aktien und Unternehmensanleihen litten.

“Die US-Renditen, die sich auf Jahreshöchstständen befinden, beeinträchtigen auch andere Regionen und Sektoren”, schreibt Steven Major, Chef der Bondanalyse bei HSBC.

Verkaufsdruck auch bei Bunds und anderen Europapieren
Getrieben wird der umfassende Ausverkauf durch Währungshüter auf beiden Seiten des Atlantik, die immer wieder bekräftigen, dass eine baldige Lockerung der Geldpolitik unwahrscheinlich ist, sowie durch anschwellende Staatsschulden und das wachsende Angebot an Anleihen.

Die Rendite 30-jähriger US-Staatsanleihen stieg im zu Ende gegangenen Quartal so stark wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Jene für zehnjährige Bundesanleihen kletterte auf drei Prozent. Die Rendite hat allein im September um fast 40 Basispunkte zugelegt. Das ist ein Niveau, das seit 2011 nicht mehr erreicht wurde.

In den Vorwochen hatten Investoren auf langlaufende Anleihen gesetzt, um sich gegen einen drastischen Konjunkturabschwung abzusichern. Doch nun müssen sich die Händler auf eine längere Phase straffer Geldpolitik und eine Reihe von Herausforderungen einstellen, die das Angebot an Anleihen erhöhen werden.

So könnte die Europäische Zentralbank das Tempo ihrer Bilanzverkürzung beschleunigen, während gleichzeitig in hohem Maße Staatsanleihen begeben werden müssen, um die Staatsausgaben zu finanzieren, wenn die Konjunktur abflaut.

Italienische Staatspapiere flirten angesichts der Etatprobleme von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mit den fünf Prozent. “Die Angst vor höheren Renditen in der Zukunft hat die Anleger zum Verkauf gezwungen, und die Menge rennt in Richtung einer kleinen Tür”, sagt Guillermo Hernandez Sampere, Handelsschef beim Vermögensverwalter MPPM.

Tempo des Ausverkaufs stimmt bedenklich
“Eine Sache, die mich nervös macht, ist die Geschwindigkeit des Ausverkaufs, die die Marktstimmung belasten könnte”, sagt laut Bloomberg Alexandra Ivanova, eine Fondsmanagerin bei Invesco.

Der sprunghafte Anstieg der US-Renditen hat in den letzten Tagen überdies zu einem Anstieg des Dollars geführt, der den Euro auf den schwächsten Stand seit fast einem Jahr brachte und den Yen am Dienstag auf 150 pro Dollar trieb. Die Volatilität belastet auch Aktien und Unternehmensanleihen.

Fünf Prozent bald auch bei zehnjährigen US-Treasuries?
Bei den Händlern wächst die Erwartung, dass die Rendite zehnjähriger Treasuries erstmals seit 2007 über die Marke von fünf Prozent steigen wird. Im frühen Mittwochshandel ist die Rendite zeitweise auf 4,85 Prozent gestiegen.

“Diese Bewegungen verursachen allmählich Sorgen in allen Anlageklassen”, sagt James Wilson, Portfoliomanager bei Jamieson Coote Bonds in Melbourne. “Derzeit herrscht ein Käuferstreik. Niemand will sich steigenden Renditen in den Weg stellen, obwohl die Kurse schon ziemlich überverkauft sind.”

Kursverluste, einige Anleger kapitulieren bereits
Der globale Anleihemarkt hat gegenüber dem Jahresbeginn inzwischen 3,5 Prozent nachgegeben und die Renditen sind weltweit auf einem Niveau, das Anfang des Jahres noch fast undenkbar war. Der Ausverkauf war so extrem, dass die optimistischen Anleger kapitulieren und die Wall Street-Banken ihre Prognosen zurücknehmen mussten.

Der ICE BofA MOVE Index für die Volatilität von Treasuries erreichte am Dienstag den höchsten Stand seit Mai. Auch Schwellenländer sind betroffen. Der Renditeabstand von Dollar-Staatsanleihen aus Entwicklungsländern zu Treasuries stieg am Dienstag auf ein Dreimonatshoch und ließ die durchschnittlichen Renditen auf fast neun Prozent steigen.

Janet Yellen: Länger höhere Zinsen keine Selbstverständlichkeit
Trotz der überraschend robusten US-Konjunktur hegt US-Finanzministerin Janet Yellen Zweifel, dass die Zinsen für längere Zeit auf hohem Niveau gehalten werden.

“Die Menschen versuchen herauszufinden, was genau nötig ist, um die Inflation zu senken”, sagte Yellen am Dienstag bei einer Podiumsdiskussion auf der Konferenz der Fortune CEO Initiative in Washington. “Die erkennbare wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit deutet vielleicht auf einen längeren Zeitraum höherer Zinsen hin, aber wir werden sehen. Ich glaube nicht, dass das eine Selbstverständlichkeit ist.”

Höhere Investitionsausgaben - etwa für die Wende zur grünen Energie - könnten längerfristig für höhere Zinsen sprechen, so Yellen. Gleichzeitig seien die strukturellen Kräfte, die die Zinsen in den vergangenen Jahrzehnten niedrig gehalten hätten - wie etwa die demografische Entwicklung - weiter wirkmächtig.

Die Antwort auf die Frage, ob die Anleiherenditen langfristig hoch bleiben werden, laute: “Ich weiß es nicht”, so Yellen. “Das ist eine große Frage, die mich und die Regierung sehr beschäftigt.”

Auch die Beibehaltung einer “nachhaltigen Fiskalpolitik” sei von entscheidender Bedeutung, so die US-Finanzministerin. Das derzeitige Schuldenniveau sei beherrschbar - gemessen daran, wie viel die USA jedes Jahr für die Finanzierung der Bundesschuld als Anteil des Bruttoinlandsprodukts ausgeben, und bereinigt um die Inflation. Höhere langfristige Zinsen könnten indessen eine Gefahr darstellen.

“Die von uns erstellten Prognosen gehen davon aus, dass die Zinssätze in Richtung eines normaleren Niveaus steigen werden”, so Yellen. Es zeige sich jedoch ein “ziemlich erheblicher Anstieg” der nominalen Zinsen.

Zum Ausblick für die US-Wirtschaft äußerte sich Yellen “sehr optimistisch”. Die Verbraucherausgaben blieben stark, die Investitionsausgaben seien solide und der Immobilienmarkt habe sich stabilisiert und scheine sich zu erholen. “Die kurzfristige Inflation geht vor dem Hintergrund eines extrem starken Arbeitsmarktes zurück”, fügte sie hinzu. (aa)

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