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US-Forscher: "Kreditbetrug bei ABS könnte Wirtschaft erneut ruinieren"

Seit der letzten Finanzkrise hat sich im US-Finanzsystem viel verändert. Doch eines hat sich laut einer neuen Studie eines Finanzforschers der University of Texas in Austin nicht geändert: das Betrugspotenzial bei Asset-Backed Securities.

John Griffin, Professor an der McCombs School of Business der Universität Austin in Texas. 
John Griffin, Professor an der McCombs School of Business der Universität Austin in Texas. © University of Texas

Rolle und Einfluss von betrügerischem Verhalten bei der US-Hypothekenkrise von 2007 bis 2009 wurden erheblich unterschätzt. Das ist eines der wesentlichen Ergebnisse einer Studie, die John Griffin, Finanzprofessor an der McCombs School of Business der texanischen Universität Austin, in Kürze veröffentlichen wird. Um das tatsächliche Ausmaß und die Auswirkungen zu dokumentieren, hat Griffin dafür mehr als 80 wissenschaftliche Aufsätze sowie die Unterlagen zu juristischen Vergleichen, die elf Banken mit dem US-Justizministerium geschlossen haben, ausgewertet.

"Viele Akademiker gehen immer noch davon aus, dass Interessenkonflikte und Betrug Erscheinungen sind, über die zwar die Medien gerne berichten, die aber im Prinzip nicht von großer wirtschaftlicher Bedeutung sind", erklärt Griffin seinen Ansatz. Sein gerade erstelltes Papier und die gesamte Forschung, die es zusammenfasse, belege genau das Gegenteil, nämlich, dass gerade Betrug eine bedeutende Rolle innerhalb der Finanzkrise gespielt habe. "Die sogenannten Checks and Balances waren zwar vielleicht vorhanden, aber viele von ihnen funktionieren einfach nicht", so Griffin.

Vier Arten von Akteuren und ihre gegenseitige Abhängigkeit
In der demnächst erscheinenden Studie, die vorab online im Journal of Economic Literature veröffentlicht wurde, erklärt Griffin, wie der Betrug aus Interessenskonflikten zwischen vier Arten von Akteuren im Bereich der mit Wohnimmobilienkrediten besicherten Wertpapiere eigentlich entstanden ist:

  • Kreditvermittler: Sie erzielten ihre Gewinne über das Volumen und die Preisgestaltung von Krediten, aber nicht über deren Qualität. Sie gaben bei 48 Prozent der von nicht-staatlichen Agenturen verbrieften Kredite wichtige Finanzinformationen falsch an.
  • Gutachter: Sie waren von den Kreditvermittlern abhängig, um Aufträge zu erhalten. Trotz Branchenrichtlinien, die eine Anpassung der Gutachten an die Kreditsummen verbieten, stimmten bei 45 Prozent der verbrieften Kredite Gutachten und Kredite exakt überein.
  • Underwriter bei Investmentbanken: Sie verdienten mehr, indem sie minderwertige Kredite mit hohen Zinssätzen verbrieften und sie gegenüber Investoren als hochwertig vermarkteten. In gerichtlichen Vergleichen mit dem Justizministerium gaben viele von ihnen zu, dass sie wissentlich falsche Zahlen in Prospekte geschrieben haben.
  • Kreditrating-Agenturen: Sie benötigten die Underwriter als Kunden. Sie haben die Ratings von hypothekarisch gesicherten Wertpapieren oft aufgebläht, indem sie ihre Standard-Ratingmodelle angepasst haben. Ohne solche Anpassungen, so das Ergebnis einer Studie, wäre ein erstklassiges AAA-Wertpapier auf ein kaum investitionsfähiges BBB-Rating gefallen.

Griffin fand Anzeichen dafür, dass Betrug das Ausmaß der Immobilienblase vergrößert hat und den Absturz steiler werden ließ. In Kalifornien fielen die Durchschnittspreise in den Postleitzahlengebieten, in denen mehr als 15 Prozent der Wohnungsbaudarlehen mit Betrug verbunden waren, um satte 45 Prozent. Dort, wo weniger als drei Prozent der Kredite betrügerisch vergeben wurden, fielen die Preise dagegen lediglich um fünf Prozent. "Es war Betrug, der zu massiven Verzerrungen bei den Hauspreisen geführt hat", so Griffin. "Die Blase war sehr stark regional ausgeprägt in Gebieten, in denen betrügerische Kreditvergaben üblich waren."

Härtere Strafen für Einzelpersonen, nicht nur für Banken
Aber wie kann Betrug verhindert werden? Da Betrug nur sehr schwer zu erkennen ist, während er geschieht, empfiehlt Griffin härtere Strafen im Nachhinein, und zwar auch für Einzelpersonen, nicht nur für Banken. Vor diesem Hintergrund merkt Griffin an, dass nach der Savings-and-Loan-Krise in den 1980er Jahren mehr als 1.700 Banker verurteilt worden seien, für den Zusammenbruch von Hypothekensicherheiten in der Finanzkrise sei nur ein einziger US-Investmentbanker im Gefängnis gelandet.

Das größte Betrugspotenzial liegt dabei laut Griffin nicht mehr im Bereich der Immobilienhypotheken. Es liegt bei anderen Arten von verbrieften Vermögenswerten, wie etwa gewerblichen Krediten. Bei Collateralized Loan Obligations (CLOs), einer Art von Wertpapieren, die mit Unternehmenskrediten unterlegt sind, hat Griffin nach eigener Aussage Beweise dafür gefunden, dass die zugrundeliegenden Kredite riskanter sind als sie die Ratings der CLOs widerspiegeln.

Wird Betrug erneut zum Auslöser eines Crashs?
"Solche Schwachstellen können in einer starken Wirtschaft sozusagen verborgen bleiben, in einer schwachen Konjunkturphase aber zum Tragen kommen", so Griffin, der als Beispiel den Ausbruch einer plötzlichen Pandemie wie Corona nennt. "Das Coronavirus ist eine andere Ursache, aber es kann den gleichen Effekt haben und die gleichen Kräfte offenbaren, die in der Zeit vor der Finanzkrise am Werk waren", so Griffin. "Marktkorrekturen haben gewissermaßen die Fähigkeit, Betrug und strukturelle Probleme aufzudecken." Und ohne härtere Strafen, die von Betrug abschrecken, könne ein immer noch weit verbreitetes Verschweigen und Fälschen von Informationen möglicherweise zu einem erneuten Crash führen. (hh)

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