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Short Seller riechen bei Immobilienfirmen Blut, hoffen auf Pleiten

Jene Immobilienunternehmen, die schlechte Immobilien auf der einen Seite und hohe Schulden auf der anderen Seite der Bilanz haben, stehen vor äußerst schwierigen Zeiten. Spätestens dann, wenn die Refinanzierungen bestehender Verbindlichkeiten erforderlich werden, könnte es zu Pleiten kommen.

© vchalup / stock.adobe.com

Institutionelle Investoren sollten bei Immobilienaktien besonders genau hinsehen. Denn angesichts steigender Finanzierungskosten und einer prognostizierten Konjunkturabschwächung gelten diese stark gehebelten Aktien nun als die anfälligste Kategorie der europäischen Aktienmärkte. Analysten von JPMorgan Chase & Co. gaben eine neue Warnung zu Immobilien heraus und erklärten, dass ein potenzieller weiterer Anstieg der Renditen einen “erheblichen Gegenwind” darstelle. Vorher hatte die Citigroup geunkt, dass sich der Wert des Sektors halbieren könnte. Das berichtet Bloomberg.

Relative Schwäche zum Gesamtmarkt lässt Alarmglocken schrillen
Das Dauerfeuer düsterer Einschätzungen hält an, obwohl der Sektor in den letzten Monaten bereits große Verluste erlitten hat. Der Stoxx 600 Real Estate Index, der rund 30 Aktien abbildet, hatte über die letzten zwölf Monate einen Rückgang von mehr als 40 Prozent zu verkraften, wodurch der Marktwert um mehr als 100 Milliarden Euro gesunken ist.

Aus Bewertungssicht werden die europäischen Immobilienaktien auf einem Niveau gehandelt, das zuletzt während der globalen Finanzkrise zu beobachten war, wie nachfolgendes Schaubild zeigt:

Höhere Zinsen schlagen ins Kontor
Die Branche ist vor allem aufgrund ihrer Abhängigkeit von Hypotheken hoch verschuldet. Die Entscheidung der Zentralbanken, die Zinssätze zu erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen, hat die Kosten für die Bedienung der Kredite in die Höhe getrieben und die Finanzierungsprobleme verstärkt. Wie Bloomberg bereits Anfang des Jahres berichtete, gelten weltweit fast 175 Milliarden Dollar (162 Milliarden Euro) an Immobilienkrediten bereits als “notleidend”.

“In Europa haben die Anleger Immobilien nicht als Inflationsschutz wahrgenommen und sich auf Unternehmen konzentriert, die am stärksten fremdfinanziert sind”, sagte Lilia Peytavin, europäische Portfoliostrategin bei Goldman Sachs Group. “Die Aufmerksamkeit des Marktes hat sich auf das Risiko höherer Kapitalkosten für Unternehmen mit anfälligen Bilanzen konzentriert.”

In Europa ist der Sektor am unbeliebtesten, wie die Bank of America in ihrer März-Umfrage unter Fondsmanagern feststellte. Von den Befragten hatten 45 Prozent Immobilien untergewichtet, mehr als doppelt so viele wie im Februar. Dies spiegelt sich auch in einem hohen Short-Interesse auf breiter Front wider - siehe Tabelle:

Das deutsche Immobilienunternehmen Aroundtown, das sowohl in Gewerbe- als auch in Wohnimmobilien investiert, ist nach der Credit Suisse AG schlechteste europäische Aktienwert in diesem Jahr und hat seit Mitte Januar mehr als die Hälfte seines Wertes eingebüßt.

Gewerbeimmobilien im Auge des perfekten Sturms
Angesichts des steigenden Rezessionsrisikos und einer Anspannung an den Unternehmensanleihemärkten erwarten Analysten eine unmittelbare Beeinträchtigung des Gewinnwachstums, wobei Gewerbeimmobilien laut Bloomberg als ein wesentlicher Problembereich angesehen werden. Die Indizes für mit gewerblichen Hypotheken besicherte Anleihen - und insbesondere für Anleihen geringerer Qualität - verzeichnen starke Rückgänge.

Die jüngsten Spannungen im Bankensektor haben die berechtigten Sorgen über ein Übergreifen auf die gewerbliche Immobilienbranche geschürt, schreiben die Goldman Sachs-Analysten Vinay Viswanathan und Lotfi Karoui in einer Mitteilung: “Der Sektor ist weiterhin einem Zusammentreffen von Gegenwinden nach der Pandemie ausgesetzt, einschließlich sinkender Vermietungsraten, sinkender Schätzwerte und in jüngster Zeit steigender Zahlungsausfälle”, schrieben sie. “In Verbindung mit höheren Finanzierungskosten, erhöhtem Finanzierungsbedarf und strengeren Kreditvergabestandards bedeutet dies ein schwieriges fundamentales Umfeld für die kommenden Monate.”

Immobilienunternehmen sehen sich mit einem Nachfragerückgang konfrontiert, da die steigenden Zinsen Hypothekenanträge bremsen und Immobilienwerte drücken. Die drohende Rezession könnte zudem die Mieteinnahmen beeinträchtigen.

Die Abwärtsspirale im Immobiliensektor begann, nachdem die Federal Reserve vor einem Jahr ihren Zinserhöhungszyklus eingeleitet hatte. Seitdem haben die Mitglieder des Branchenindex rund 25 Prozent ihres operativen Cashflows für Schuldzinsen ausgegeben, schätzte Peter Garnry, Leiter der Aktienstrategie bei der Saxo Bank.

Aroundtown beispielsweise hat einen Ausblick für 2023 gegeben, der hinter den Schätzungen zurückblieb, und am Mittwoch kündigte das Unternehmen die Aussetzung seiner Dividendenzahlungen an.

Warnsignale kommen auch von den Märkten für Unternehmensanleihen. Immobilien sind der einzige Sektor, der in diesem Monat auf dem Markt für erstklassige Euro-Unternehmensanleihen Geld verloren hat und um 2,6 Prozent gefallen ist. Im Bereich der Ramschanleihen hat der Sektor mit 4,8 Prozent die höchste zweijährige Ausfallwahrscheinlichkeit.

Obwohl der Immobiliensektor typischerweise fremdfinanziert ist, ist der Anteil der Verschuldung am Unternehmenswert im vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen und hat mit rund 60 Prozent den höchsten Stand seit 2009 erreicht. Da die Zinsen im Euroraum inzwischen bei 3,5 Prozent liegen - im Vergleich zu weniger als 0,5 Prozent während des größten Teils des letzten Jahrzehnts - könnte die Refinanzierung von Schulden teurer werden, wie nachfolgender Chart zeigt:

Immobilienkrise wie 2008/09?
Dennoch sind einige Marktbeobachter wie Stephane Deo, Chefstratege bei Ostrum Asset Management, der Meinung, dass die aktuelle Verschuldung und die sich entwickelnde Krise nicht so alarmierend sind wie die globale Finanzkrise von 2008.

“Ich bin nicht übermäßig beunruhigt, was den Sektor als Ganzes angeht”, sagte Deo per Telefon. “Wir befinden uns im Auge des Sturms, wo die Mieten noch nicht gestiegen sind, aber die Zinsen schon.”

“Bei steigenden Zinsen werden die Preise zwangsläufig sinken”, so Deo. “Aber das ist nur eine Anpassung, kein Immobiliencrash wie 2009.” (aa)

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