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Rüstungsaktien: Inwieweit das Kurspotenzial nun ausgereizt ist

Rüstungsaktien hatten einen tollen Lauf. Ob dieser zu weit gegangen ist, versucht Bloomberg in einer Analyse herauszuarbeiten und lässt dazu Experten von Goldman Sachs, Morgan Stanley und Metzler zu Wort kommen.

© Konstantinos Moraiti / stock.adobe.com

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vor über zwei Jahren setzte ein Run auf die Aktien der europäischen Waffenschmieden ein. Die Eskalation des Kriegs zwischen Israel und der Hamas verlieh ihm neuen Schwung. Zuletzt wirkten dann noch die europäischen Pläne zur Erhöhung der Militärausgaben als Kursturbo. Doch jetzt fragen sich laut einer Bloomberg-Analyse einige, ob die Entwicklung nicht zu weit gegangen ist.

Die sieben größten börsennotierten europäischen Rüstungsfirmen – darunter Rheinmetall, BAE Systems und Saab – brachen am gestrigen Dienstag ein, als Anleger angesichts der Allzeithöchstkurse die Nerven verloren. Trotz des gestrigen Rücksetzers hat das Septett alleine in diesem Jahr rund 30 Milliarden Euro an Börsenwert zugelegt.

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Steigende Risiken
Der Kursanstieg spiegelt die neue geopolitische Realität in Europa angesichts der russischen Aggression und dem US-amerikanischen Zögern bei der Finanzierung der Ukraine wider. Investoren erwarten eine Fülle von Aufträgen, da die Länder ihre militärischen Ressourcen neu aufstellen. Allerdings sind Bloomberg zufolge wichtige Fragen unbeantwortet.

Rheinmetall etwa dürfte demnächst in den Genuss einer neuen Bestellung der Bundeswehr für gepanzerte Transporter kommen, die ab 2025 ausgeliefert werden sollen, wie Bloomberg am Montag berichtet hatte. Trotzdem sackten Aktien des Konzerns am Dienstag von einem Rekordwert um sieben Prozent ab.

Die Zweifel einiger Investoren brachte Goldman Sachs auf den Punkt: Die Rally der letzten zwei Jahre bedeute, dass die Bewertungen inzwischen “wahrscheinlich eher ein Abwärts- als ein Aufwärtsrisiko bergen”. Tatsächlich lagen bis zu dem Rücksetzer diese Woche die Kurse von sechs der sieben Unternehmen über dem durchschnittlichen Kursziel der Analysten.

Im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine stieg ein von Goldman berechneter Index europäischer Rüstungsaktien 2022 um 54 Prozent, legte im vergangenen Jahr 39 Prozent drauf, und hat im laufenden Jahr 2024 schon wieder um die 40 Prozent gewonnen. Sie sind inzwischen mit dem fast 20-fachen ihrer in einem Jahr erwarteten Gewinne bewertet - verglichen mit einem Faktor von 8,6 vor dem Krieg, wie von Bloomberg zusammengestellte Daten zeigen.

Rückenwind
Der jüngste Schub für die Aktien kam nach der Entscheidung der Europäischen Union, eine Strategie für die Rüstungsindustrie zu entwickeln. Befeuert wurde dieser Schritt von der Aussicht auf eine zweite Amtszeit von Donald Trump als US-Präsident - derselbe Donald Trump, der Nato-Partnern angedroht hat, ihnen nicht beizustehen, wenn sie ihre Rüstungsausgaben nicht auf das Nato-Ziel von zwei Prozent der Wirtschaftsleistung anheben.

Viele Experten halten diesen Wert aber ohnehin für überholt - möglicherweise müssen die Verteidigungsbudgets wie in der Zeit des Kalten Krieges künftig bis zu vier Prozent betragen.

Wer soll das bezahlen?
“Die europäischen Nato-Länder sind gezwungen, sich auf das vereinbarte Niveau der Verteidigungsausgaben zuzubewegen”, sagt Patrick Armstrong, Chief Investment Officer bei Plurimi Wealth, der Aktien von BAE Systems im Portfolio hat. “Die Verteidigungsindustrie wird in den kommenden Jahren von einem strukturellen Rückenwind profitieren.”

Allerdings stoßen die Pläne auch auf Hindernisse. Eine große Frage ist, woher das Geld kommen soll. Viele Nato-Mitglieder haben wegen knapper Kassen schon Probleme, das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. Die EU selbst hat für die Finanzierung der neuen Verteidigungsstrategie nur 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt.

Andere Vorschläge zur Finanzierung – etwa die Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte oder die Ausgabe gemeinsamer EU-Bonds zur Schaffung eines Verteidigungsfonds – sind umstritten.

Morgan Stanley weist warnend darauf hin, dass “der begrenzte fiskalische Spielraum in Europa bedeutet, dass die Rhetorik für höhere Verteidigungsausgaben nicht mit der Haushaltsrealität übereinstimmt”. Für weiteres Kurspotenzial brauche es auch höhere Gewinnaussichten.

Das sollte allerdings in vielen Fällen möglich sein. Rheinmetall, vor allem bekannt für die Bewaffnung des Leopard-Panzers, rechnet dieses Jahr mit einem Anstieg des Umsatzes auf etwa zehn Milliarden Euro — nach knapp über sieben Milliarden Euro im Vorjahr.

Die britische BAE Systems wiederum bremste die Erwartungen etwas und wies unlängst darauf hin, dass der Ausbau Zeit in Anspruch nehmen werde — unter anderem, weil Fachkräfte knapp sind. Die Steigerung der Produktion wichtiger 155-Millimeter-Granaten etwa werde bis zu zwei Jahre dauern.

Konkrete Erhöhungen der Rüstungsbudgets und größere geopolitische Klarheit könnten notwendig sein, damit die Rally weitergeht. Sie werden aber letztlich kommen, ist Alexander Neuberger überzeugt, Analyst bei Metzler, der sein Kursziel für Rheinmetall letzte Woche angehoben hat.

“Unter der Annahme, dass die westliche Welt weiter beabsichtigt, die Ukraine zu unterstützen, um zu verhindern, dass das Land den Krieg verliert”, so Neuberger, “gibt es keine Alternative zu beschleunigten Munitionslieferungen — so bald wie möglich.” (aa)

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