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Rüstungsaktien: Must-have oder No-Go?

Rüstungsfirmen werden allenthalben als Must-have propagiert. Auf den Empfehlungslisten stehen sie ganz weit oben und die Kursentwicklung seit Ausbruch des Ukraine-Krieges scheint ihnen recht zu geben. Aber sind Rüstungsfirmen aus unternehmerischer Sicht wirklich sinnvolle Langfristinvestments?

Dominikus Wagner, Firmengründer und Fondsmanager von Wagner & Florack
Dominikus Wagner, Firmengründer und Fondsmanager von Wagner & Florack© Wagner & Florack

Die Zeitenwende bei den Militärausgaben beschert dem Geschäft von Rüstungskonzernen die beste aller Welten. Die Aufträge kommen herein wie am Fließband; dabei ist die Aufrüstung der NATO-Staaten noch nicht einmal richtig angelaufen. Und auch die in die Ukraine gelieferten Waffen- und Munitionsbestände müssen schließlich wieder aufgefüllt werden. "So erhöhte sich beispielsweise der Auftragsbestand von Rheinmetall im dritten Quartal 2023 um 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 36,5 Milliarden Euro. Auch Hensoldt meldete vor kurzem einen Anstieg beim Auftragseingang um knapp 60 Prozent. Und aufgrund der zahlreichen Kriege und geopolitischen Krisen ist davon auszugehen, dass die Auftragslage auf absehbare Zeit sehr gut bleiben wird", weiß Dominikus Wagner, Firmengründer von Wagner & Florack und Fondsmanager.

Das Geschäft boomt, aber die Margen bleiben schwach
Die hervorragende Auftragslage könne aber nicht darüber hinwegtäuschen, so Wagner weiter, dass Rüstungskonzerne aufgrund ihrer extrem hohen Kapitalintensität geschäftsmodellbedingt selbst in diesem perfekten Umfeld nur über ein überschaubares Margenpotential verfügten. So betrage etwa bei Rheinmetall die operative Marge auf Sicht der ersten drei Quartale des Jahres 2023 überschaubare acht Prozent; bei Hensoldt seien es gerade einmal 4,3 Prozent. Noch wesentlich deutlicher träten die geschäftsmodellbedingten Defizite beim Cash Flow bzw. dem Free Cash Flow zu Tage. Denn so schön gefüllte Auftragsbücher auch sein mögen, sie erfordern bei kapitalintensiven Firmen, zu denen Rüstungsunternehmen nun einmal gehören, neben hohen Investitionen in die Erweiterung der Produktionskapazitäten auch den Aufbau entsprechender Lagerbestände. Beides bindet enorm viel Kapital und belastet den (Free) Cash Flow, so dass die Margen selbst bei Skaleneffekten in der Produktion kaum ansteigen, sondern chronisch schwach bleiben.

Hohe Kapitalbindung und chronisch schwache Free Cash Flows
Das lässt sich an den Zahlen der beiden deutschen Rüstungskonzerne sehr schön ablesen: Vom florierenden Geschäft kommt beim (Free) Cash Flow nichts an. So hat sich der operative Cash Flow von Rheinmetall gegenüber dem Vorjahr zwar deutlich verbessert; mit minus 225 Millionen Euro in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 ist er aber immer noch signifikant negativ (minus 511 Millionen Euro in den ersten neun Monaten 2022). Der Free Cash Flow ist mit minus 458 Millionen ebenfalls tiefrot.

Grund ist der enorme Kapitalbedarf für Investitionen sowie das Working Capital
Wagner rechnet vor: "Selbst bereinigt um den Aufbau der Lagerbestände beträgt die Free Cash Flow-Marge nicht einmal zwei Prozent. Und das in der besten aller Welten. Auch Hensoldt verdient – unternehmerisch richtig betrachtet – kein Geld. Von Januar bis September 2023 steht ein Free Cash Flow von minus 184 Millionen Euro zu Buche, 100 Millionen weniger als noch im Vorjahr."

Steigende Verschuldung „dank“ Auftragsboom
Für die Eigentümer kommt also nichts in der Kasse an, selbst bereinigt um den Aufbau des Vorratsvermögens. Da lässt sich mit Daily Used-Technologiefirmen wie Adobe, Apple, Google und Visa oder Basisikonsumgüterherstellern wie Church & Dwight oder Procter & Gamble ein Vielfaches verdienen – bei geringerer Bewertung und geringstmöglichem substanziellen Investitionsrisiko und das, obwohl diese Unternehmen in der jüngeren Vergangenheit mit deutlich schwierigeren Rahmenbedingungen als die Rüstungsfirmen zurechtkommen mussten, etwa dem hohen Inputkostendruck. Was dagegen bei einer kapitalintensiven Schwachmargen-Industrie wie der Rüstungsbranche „dank“ des Auftragsbooms vor allem steigt, das sind die - ohnehin hohen - Schulden. Wagner tut folgende Rechnung auf: "Aus einer Nettofinanzposition von 540 Millionen Euro (inklusive Net Working Capital und Pensionsrückstellungen) per Ende 2022 wurden bei Rheinmetall im Lauf des Jahres 2023 Nettoschulden in Höhe von 580 Millionen Euro; bei Hensoldt betragen die Nettoschulden 400 Millionen."

Der schöne Schein ist trügerisch
Rüstungsunternehmen seien der Inbegriff extrem kapitalintensiver Firmen mit geringen Skaleneffekten und daher überschaubaren Margen, so Wagner. "Selbst bei hohem Umsatzwachstum werden sie nicht zu Margenkönigen aufsteigen. Rüstungsfirmen sind hinsichtlich des Kapitalbedarfs und der begrenzten Skaleneffekten letztlich wie Autobauer, Maschinenbauer oder Flugzeugbauer zu sehen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass ihr Absatz in der Regel von wenigen Großkunden und von Staaten und damit von teilweise willkürlichen politischen/bürokratischen Entscheidungen abhängig ist. Rüstungskonzerne besitzen faktisch auch keine Preissetzungsmacht; diese liegt vielmehr bei den Großkunden.

Für Langfristinvestoren, die aus unternehmerischer Sicht nicht nur das Absatzpotential, sondern auch die Profitabilität und insbesondere das Risiko einer Unternehmensbeteiligung im Blick haben, seien Rüstungsfirmen deshalb ein klares No-Go. (kb)

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