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Neuberger Berman: Wann für Investoren der Tag der Wahrheit kommt

Die Gewinnaussichten könnten eine deutliche Korrektur erfahren und die Konjunkturaussichten sowie hohe Inflation machen eine weiche Landung unwahrscheinlich. All dies könnte für die Aktienmärkte zur Herausforderung werden, befürchtet der Chief Investment Officer Equities bei Neuberger Berman.

Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer Equities bei Neuberger Berman
Joseph V. Amato, President und Chief Investment Officer Equities bei Neuberger Berman© Christoph Hemmerich / Institutional Money

Wann kommt der Abschwung bei Aktien? Das ist eine Frage der vielen Fragen, die bereits seit mehreren Monaten im Raum steht, und der Joseph V. Amato, President and Chief Investment Officer Equities bei Neuberger Berman, in einem aktuellen Kommentar nachgeht.

Gute Nachrichten sorgen für steigende Kurse
Klar sei laut Amato, dass das schwächelnde Wirtschaftswachstum mittelfristig auf die Kurse drücken wird. Im Januar war von einem Abwärtstrend noch nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil schien die Rallye zum Jahresende Schwung für das neue Jahr mitzugeben. Das lag auch an einigen Positivfaktoren, wie etwa die abschwächende Inflation. Nach dem Produzentenpreisindex sind die Erzeugerpreise in den USA so stark gefallen wie seit dem Höhepunkt der Pandemie nicht mehr. Auch aus Europa gibt es positive Signale: So haben sich allein im Dezember die Preise für Erdgas, einer der Haupttreiber der Inflation, halbiert. Einsparmaßnahmen, Erfolg beim Umstieg auf alternative Energiequellen und vor allem des bislang milden Winters sei Dank.

Entspanntere Geldpolitik sendet möglicherweise falsche Signale
Nach dem jüngsten US-Arbeitsmarktbericht war bereits von einer weichen Landung und einer „lehrbuchmäßigen“ Disinflation zu lesen. Vertreter von Fed und EZB sprachen von einer Rückkehr zu Zinserhöhungen um nur noch 25 Basispunkte. Viele Investoren sahen darin bereits Zeichen für Erholung und gingen zu Jahresbeginn neue Risiken ein – vor allem in Europa. Der Stoxx 600 Index legte hier seit Jahresbeginn um mehr als sechs Prozent zu.

"Es ist jedoch gut möglich, dass die Anleger die Signale falsch gedeutet haben, denn dass die Währungshüter über geringere Zinserhöhungen nachdenken, hat unserer Einschätzung nach einen anderen Grund: Die mittlerweile deutlich abkühlende Konjunktur. Dass die Währungshüter nur über eine Verlangsamung und kein völliges Ende der geldmarktpolitischen Straffung nachdenken zeigt zudem, für wie hartnäckig sie die Inflation weiterhin halten. Sie gehen das Risiko höherer Zinsen ein, obwohl diese den Abschwung verschärfen könnten", warnt Amato.

Vorlaufindikatoren zeigen nach unten
Bekannte Frühindikatoren zeigen bereits deutliche Warnsignale: Die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) sind in den letzten Monaten geradezu eingebrochen. Der amerikanische Industrie-PMI von S&P Global liegt nach dem stärksten Rückgang seit der Pandemie nur noch bei 46,2. Und der Euroraum-Composite von S&P Global zeigt schon seit Juli letzten Jahres eine schrumpfende Wirtschaft an. Auch aus Bottom-up-Sicht scheint sich die Lage zu verschlechtern.

Gewinne der US-Unternehmen könnten fallen
Unlängst hat die Berichtssaison für das 4. Quartal begonnen. Analysten wie FactSet rechnen damit, dass die Gewinne der S&P-500-Unternehmen im Vorjahresvergleich um 3,9 Prozent gefallen sein könnten.

In Europa gehen die Analysten zwar noch davon aus, dass die Gewinne der Stoxx 600-Unternehmen im 4. Quartal um 4,2 Prozent zum Vorjahreszeitraum gestiegen sind. Der im Vergleich zu den USA kleinere und weniger internetorientierte Technologiesektor könnte diese Zahlen jedoch deutlich nach oben verzerrt haben, zumal die Wachstumserwartungen für andere Sektoren denen in den USA ähneln.

Gebannter Blick nach China
Und es gibt weitere Unsicherheitsfaktoren. In China wird die Null-COVID-Politik gelockert. Das Land öffnet sich wieder. Das schafft neue Impulse für die Wirtschaft. Im vergangenen Jahr legte das chinesische BIP um gerade einmal drei Prozent zu. Bereits im 4. Quartal 2022 war das Wachstum aber deutlich dynamischer. Die höhere Nachfrage aus China könnte die Weltwirtschaft erheblich stärken. Wahrscheinlich war sie auch ein Grund für die jüngsten Kursgewinne am europäischen Aktienmarkt, der stark von China abhängt. Für das Wirtschaftswachstum wäre eine Erholung Chinas gut, für die Preisstabilität hingegen nicht.

Wann aber würde eine weiche Landung 2023 wahrscheinlicher?
Sicherlich bei einem stärkeren und klareren Inflationsrückgang, meint Amato. Damit sei aber erstmal nicht zu rechnen. Wegen der notorisch unberechenbaren Konjunkturdaten ist selbst nach den Zahlen der letzten Woche nicht auszuschließen, dass neue Daten die Anlegerstimmung vorübergehend heben.

"Dennoch ist davon auszugehen, dass Konjunktur und Inflation für die Aktienmärkte im Laufe des Jahres zur echten Herausforderung werden. Wenn der Tag der Wahrheit nicht schon nach den Gewinnprognosen im ersten Quartal folgt, wird es wohl im weiteren Verlauf des Jahres soweit sein", warnt Amato abschließend. (aa)

Veranstaltungshinweis:
Neuberger Berman zählt zu den namhaften Sponsoren des 14. Institutional Money Kongresses, der von 18. bis 19. April 2023 im Frankfurter Congress Center stattfindet. Das US-Fondshaus hat seinen Workshop betitelt mit "Alternatives in der SAA nach der Zeitenwende". Hintergründe zum Referenten und eine Anmeldemöglichkeit finden Sie nachfolgend:

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