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LBBW-Chefvolkswirt Moritz Kraemer zur Inflation: Jetzt wird‘s ernst!

Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research der LBBW, fordert in einem Kommentar ein Umdenken der Zentralbanken betreffend ihrer zögerlichen Zinspolitik und warnt vor zukünftig hohen Kosten, falls nicht rasch und entschlossen agiert werde.

Moritz Kraemer, LBBW
Moritz Kraemer, LBBW© Mila Pairan für LBBW

Diese Woche hat europäische Investoren eine Nachricht von jenseits des Atlantiks erreicht, die Bullen vorsichtig stimmen sollte: In den Vereinigten Staaten ist die Jahresinflationsrate per Dezember auf sieben Prozent angestiegen.

"Als die Preise zuletzt Anfang der 1980er Jahre derart davongaloppierten, gewannen Katherine Hepburn und Henry Fonda die Oscars, und in den Charts stand die Neue Deutsche Welle in voller Blüte. Wichtiger noch: Paul Volcker war Präsident der US-Notenbank und besiegte durch eine rigorose Hochzinspolitik den bösen Geist der Inflation. Damals lag der US-Leitzins
um die 15 Prozent. Zum Vergleich: Heute sind wir bei 0,25 Prozent", schreibt Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt und Leiter Research der LBBW, in einer aktuellen Marktkommentierung.

Auch wenn sich diese Fakten und Erfahrungen der frühen Achtziger nicht 1:1
auf heute übertragen lassen, trete laut Kraemer "ein nur notdürftig kaschiertes Gefühl einsetzender Panik in Washington immer klarer herhor."

Vor diesem Hintergrund erwartet das LBBW Research allein für dieses Jahr mindes
tens vier Leitzinsanhebungen der Fed, mit weiteren Pfeilen im Köcher für die kommenden Jahre.

Das riskante Spiel der EZB
Die EZB versucht noch Vertrauen zu versprühen, dass der hiesige Ausbruch an Inflation, zuletzt immerhin bei fünf Prozent, nur vorübergehender Natur sei. Tatsächlich er
warten auch wir, dass wegen des Wegfalls von Einmaleffekten die Teuerung in Europa alsbald wieder zurückfallen wird, schreibt Kraemer.

Die EZB selbst prognostiziert bei alledem für 2023 und 2024 eine Rate von jeweils 1,8 Prozent, und das liege eben, wenn auch knapp, so doch unter dem Ziel von zwei Prozent. Deshalb sei ein Drehen an der Zinsschraube verfrüht.

"Das ist ein riskantes Spiel ! Die gegenwärtige superexpansive Geldpolitik ist für ein Umfeld entworfen worden, in dem seinerzeit die Sorge vor strukturell fallenden Preisen vorherrschte: vor deflationären Tendenzen, nicht vor minimalen Zielverfehlungen", erinnert Kraemer.

Die Geldpolitik sei laut Kraemer kein Lichtschalter, der nur „an“ oder „aus“ kennt. Die Geldpolitik hat durchaus einen „monetären Dimmer“. Ein Pfad gradueller Normalisierung ist möglich und nötig, fordert Kraemer.

Aber: Die EZB sei derzeit nicht bereit, diesen Pfad einzuschlagen. Es sei gewagt, auf einem so aggressiven monetären Expansionskurs zu beharren, zumal auf der schmalen Basis einer so minimalen Zielverfehlung wie durch die EZB prognostiziert. Zur Erinnerung: In der Vergangenheit lagen die Inflationsprognosen der EZB in der Vergangenheit recht weit vom tatsächlichen Ergebnis entfernt. "Prognosen sollten nicht so auf die Goldwaage gelegt werden, wie es die EZB tut", hält Kraemer fest.

Zuwarten kann teuer werden
Je länger die EZB die geldpolitische Normalisierung herauszögere, desto größer werde die Gefahr, dass sie die Kontrolle über die Inflationserwartungen verliert. Setzt sich die Inflation erstmal über der Zielmarke fest, dann muss die EZB die Zinsen nachfolgend um so stärker erhöhen. Ein derartiges Herumreißen des geldpolitischen Ruders führt leicht in eine Rezession, warnt der LBBW-Chefvolkswirt und erinnert an die Achtzigerjahre: Paul Volcker besiegte die US-Inflation seinerzeit auf Kosten einer Arbeitslosenquote von fast zehn Prozent.

Wenn die Inflation sich wie jetzt im Euroraum nahe dem anvisierten Ziel-Niveau bewegt, sollte die geldpolitische Ausrichtung normalisiert werden.

"Falls die Realwirtschaft in Zukunft wieder stark nachlässt ohne vorherige Normalisierung der Geldpolitik, dann werden Frau Lagarde & Co. mit leeren Händen dastehen. Denn: Wenn die monetäre Waffenkammer jetzt nicht wieder aufgefüllt wird, können sich die Währungshüter gegen künftige deflationäre Risiken nicht mehr zur Wehr setzen. Die Zeit des Zauderns muss die EZB jetzt beenden!" fordert Kraemer abschließend. (aa)

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