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Larry Summers sieht Zäsur am Rentenmarkt und warnt vor ‘Tumult’

Investoren sollten laut Einschätzung von Lawrence "Larry" Summers nicht von einer Rückkehr des Niedrigzinsniveaus ausgehen und sich auf zukünftig höhere Zinsen sowie auf ein ruppiges Anlagejahr einstellen. Summers spricht sogar von einem ‘Tumult’.

Lawrence Henry „Larry“ Summers
Lawrence Henry „Larry“ Summers© Peter Foley für Bloomberg

Der ehemalige US-Finanzminister und nunmehrige Ökonomieprofessor Lawrence "Larry" Summers hält eine am Anleihemarkt verbreitete Annahme für falsch. Dass die Ära der niedrigen Zinsen getragen von disinflationärem Druck wiederkehren werde, sei nach Ansicht von Summers zu bezweifeln, berichtet Bloomberg News.

Tumult und V-artige Entwicklung
“Ich erwarte Tumult” für die Märkte im Jahr 2023, sagte Summers in der “Wall Street Week” von Bloomberg TV mit David Westin. “Dieses Jahr wird als V-Jahr in die Geschichte eingehen, in dem wir erkannt haben, dass wir uns auf eine andere Art von Finanzzeitalter mit anderen Zinsmustern zubewegen.”

Eine Reihe von Indikatoren am Anleihemarkt sowie die langfristigen Prognosen der Federal Reserve deuteten scheinbar darauf hin, dass die gleichen Faktoren, die die Inflation vor ihrem jüngsten Anstieg gebremst hätten, wieder zurückkehren würden, sagte Summers:

Die Rendite zehnjähriger Treasuries lag im Durchschnitt der letzten drei Wochen bei etwa 3,7 Prozent. Das deckt sich in etwa mit dem Durchschnitt von 3,89 Prozent in den letzten drei Jahrzehnten. Der Median der Fed-Prognose für den langfristigen realen Leitzins liegt bei 0,5 Prozent und spiegelt die Prognosen einer Inflation von 2,0 Prozent und eines Leitzinses von 2,5 Prozent wider.

Die zehnährige Breakeven-Rate in den USA, ein Gradmesser für die längerfristigen Inflationserwartungen, der sich aus der Differenz zwischen den regulären zehnjährigen Treasury-Renditen und den Renditen zehnjähriger inflationsgebundener Anleihen ableitet, liegt bei etwas mehr als 2,0 Prozent.

Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen im Langfristvergleich

Falsche Annahmen
Diese Annahmen seien wahrscheinlich falsch, so Summers - “Genau wie diejenigen, die während des Zweiten Weltkriegs vorausgesagt haben, dass wir nach dem Ende des Krieges zu einer säkularen Stagnation und einer trägen Niedrigzins-Wirtschaft zurückkehren würden, sich als falsch erwiesen haben.”

Summers, Professor an der Harvard University und bezahlter Gastkommentator bei Bloomberg Television, wies auf eine Reihe von Veränderungen hin, die darauf hindeuten, dass das Muster der säkularen Stagnation aus der Zeit vor Covid nicht wiederkehren wird.

Höhere Schulden haben Folgewirkungen
Haushaltsdefizite und Staatsverschuldung in den USA würden wahrscheinlich weiter steigen, was zum Teil auf die gestiegenen Ausgaben für die nationale Sicherheit zurückzuführen sei. Auch die Investitionsausgaben dürften aufgrund der Bemühungen um die Rückverlagerung der Produktion in die USA und die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zunehmen. Zudem wird laut Summers die globale “grüne Energiewende” dazu beitragen, Ersparnisse abzuschöpfen.

Derweil sei die Dynamik des Eintritts von Arbeitnehmern aus China und anderen Schwellenländern in die Weltwirtschaft, die den Preisdruck gedämpft habe, nun vorbei. Wenn dann noch die Ungewissheit zunehme, würden die Anleger wahrscheinlich höhere Risikoprämien verlangen, so Summers.

Gegenteilige Meinung geht von "ziemlich niedrigen" Zinsen aus
Der frühere IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard hat ein gegenteiliges Argument vorgebracht und sieht Gründe dafür, dass wichtige Faktoren für niedrige Zinsen auch in Zukunft bestehen bleiben dürften. Demografische Trends sorgten dafür, dass die Sparquoten hoch bleiben, und die relative Sicherheit von Staatspapieren werde wahrscheinlich weiterhin stark nachgefragt bleiben.

Obgleich eine große Welle von Ausgaben für umweltfreundliche Technologien zur Bekämpfung der globalen Erwärmung die Zinsen möglicherweise vorantreiben könnte, kommt Blanchard, Senior Fellow am Peterson Institute for International Economics, zu dem Schluss, dass sie dennoch “ziemlich niedrig” bleiben werden.

Summers stimmte zu, dass solche Kräfte der säkularen Stagnation “stark” seien und dass dieses Szenario eintreten könnte. Letztlich werde sich diese “Orthodoxie” aber als falsch erweisen. (aa)

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