Logo von Institutional Money
| Märkte

Gleich mehrere EZB-Granden äußern sich zu möglichen Zinssenkungen

Diverse EZB-Ratsmitglieder haben sich in den vergangenen Stunden und Tagen zu Wort gemeldet und ihre Sicht der Dinge dargelegt. Dabei zeigen sich die unterschiedlichen Einschätzungen zur Inflations- und Konjunkturentwicklung.

© ra2 studio / stock.adobe.com

Für den slowakischen Notenbankchef Peter Kazimir ist beispielsweise eine EZB-Lockerung im Juni wahrscheinlicher als eine im April. Die Europäische Zentralbank wird die Zinsen nicht überstürzt senken und so die Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung zunichte machen. Dies betonte laut Bloomberg EZB-Ratsmitglied Peter Kazimir, der eine erste Lockerung im Juni für wahrscheinlicher hält als einen Zinsschnitt im April.

Bedacht ist angebracht
“Es wäre riskant, aufgrund kurzfristiger Überraschungen überstürzt zu handeln, ohne mehr Klarheit über die mittelfristige Entwicklung zu haben”, sagte der Chef der slowakischen Notenbank in einem am Montag veröffentlichten Meinungsbeitrag. “Es könnte leicht die Fortschritte zunichte machen, die wir auf dem Weg zu unserem Ziel gemacht haben.”

Die EZB hat die Zinsen vergangene Woche zum dritten Mal in Folge unverändert gelassen. Notenbankchefin Christine Lagarde wandte sich gegen aggressive Finanzmarktwetten auf baldige Zinssenkungen, allerdings weniger energisch als erwartet. Seitdem deuten Äußerungen der verschiedenen EZB-Räte darauf hin, dass die Meinungen im Euroraum darüber auseinandergehen, wie schnell eine Lockerung der Geldpolitik eingeleitet werden sollte.

“Ich bin zuversichtlich, dass der genaue Zeitpunkt, ob im April oder Juni, für die Auswirkungen der Entscheidung zweitrangig ist”, sagte Kazimir. “Letzteres scheint wahrscheinlicher zu sein, aber ich werde keine voreiligen Schlüsse über den Zeitpunkt ziehen. Sobald es gerechtfertigt ist, werden wir nicht zögern, zu handeln.”

Die Entscheidungen der Europäischen Zentralbank werden sich auf die eingehenden Daten und die März-Projektionen des EZB-Stabs stützen, so Kazimir. Die Lohnvereinbarungen für die kommenden Jahre seien dabei immer noch ein “unvorhersehbarer Faktor”.

„Obwohl die Zeichen gut sind, verfügen wir noch nicht über genügend Informationen, um eine sichere Schlussfolgerung zu ziehen“, so der slowakische EZB-Rat. „Aus diesem Grund ist es verfrüht, zum jetzigen Zeitpunkt über den Zeitpunkt einer Zinssenkung zu diskutieren.“

Luis Guindos: EZB-Politik wird Inflationsentspannung Rechnung tragen
Eine Aufhellung des Inflationsausblicks wird die Währungshüter laut EZB-Vizepräsident Luis de Guindos letztlich dazu veranlassen, die Zinsen im Euroraum zu senken, berichtet Bloomberg des Weiteren.

“Es gibt gute Nachrichten zur Entwicklung der Inflation, und das wird sich - früher oder später - in der Geldpolitik niederschlagen”, sagte er am Montag Bloomberg zufolge dem spanischen Radiosender RNE. “Wir werden von den Daten abhängig sein, wir haben keine Art von Kalender, es wird von der Entwicklung der Inflation abhängen, und ich bin optimistisch, was die Entwicklung der Inflation angeht.”

Mit Blick auf die Lage am Roten Meer sagte Guindos, er glaube nicht, “dass die Engpässe, die wir nach der Pandemie hatten, wieder auftreten werden - ich denke, es ist eine spezifische Situation, wenn es keine Eskalation des Konflikts gibt, sollte es nicht viel schlimmer werden.”

Unterschiedliche Sichtweisen
So hat Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau die Möglichkeit einer früheren geldpolitischen Lockerung durch die Europäische Zentralbank in den Raum gestellt und seinen Ratskollegen damit den Fehdehandschuh hingeworfen, wie Bloomberg schreibt.

Im Interview mit dem Sonntagsblatt La Tribune Dimanche sagte Villeroy, dass es in diesem Jahr Zinssenkungen geben werde, und fügte hinzu: “Was das genaue Datum angeht, ist nichts ausgeschlossen, und bei unseren nächsten Sitzungen wird alles offen sein.”

Die Ausführungen verdeutlichen die sich abzeichnenden Meinungsverschiedenheiten unter den Währungshütern. Vergangene Woche hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde erklärt, es wäre “verfrüht, über Zinssenkungen zu diskutieren”.

Falken zeigen ihre Krallen
Das niederländische Ratsmitglied Klaas Knot indessen besteht darauf, dass die EZB erst mit der Senkung der Zinsen beginnen kann, wenn sie eine Trendwende bei den Löhnen feststellt. Damit wäre der Juni die früheste Gelegenheit für eine Lockerung der Geldpolitik.

Knot bekräftigte die Bedeutung der Daten zur Entwicklung von Löhnen und Gehältern am Sonntag in einem Fernsehinterview. Diese Sicht vertreten auch EZB-Chefökonom Philip Lane, Estlands Notenbankchef Madis Müller und Bostjan Vasle aus Slowenien.

Lane wies in diesem Monat darauf hin, dass “der vollständigste Datensatz” in den Zahlen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung von Eurostat bestehe, die erst Ende April verfügbar sein werden - und damit nach der EZB-Sitzung zu Beginn des Monats. Freilich gebe es auch “andere Daten, die wir uns jede Woche ansehen werden”.

Der österreichische Gouverneur Robert Holzmann, der im EZB-Rat als ausgeprägter Falke gilt, gab zu bedenken, dass es in diesem Jahr womöglich überhaupt keine Zinssenkungen geben werde. Martins Kazaks aus Lettland und der Kroate Boris Vuj?i? warnten am Freitag im Gespräch mit Bloomberg TV vor einer zu frühen Zinssenkung.

Villeroy betonte nun aber, dass zu langes Warten ebenfalls ein Problem sein könnte. “Wir müssen zwei Risiken vermeiden, die sich die Waage halten: zu früh zu senken und das Ziel zu verfehlen, aber auch zu spät zu handeln und die Aktivität zu sehr zu verlangsamen”, so der französische EZB-Rat.

Portugals Mario Centeno sagte, dass ein Schritt vor Mai erfolgen könnte. Litauens Notenbankchef Gediminas Šimkus zeigt sich am Freitag offen für eine Zinssenkung im April. Die bis dahin eintreffenden Daten seien zu prüfen.

Am Geldmarkt wird die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung um einen Viertelprozentpunkt im April inzwischen mit fast 90 Prozent eingepreist. Für das Gesamtjahr wird eine Senkung der Leitzinsen um 146 Basispunkte erwartet.

In dieser Woche werden die Euroraum-Inflationsdaten für Januar vorgelegt sowie die Zahlen zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im vierten Quartal. Nach dem Anstieg im Dezember dürfte sich die Teuerung bei den Verbraucherpreisen auf 2,7 Prozent verlangsamt haben. Zur Erinnerung: Der EZB-Zielwert beträgt zwei Prozent. (aa)

Dieses Seite teilen