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EZB-Ratsmitglied: Resoluter Zinsschritt und Bilanz-Debatte notwendig

Martins Kazaks, Ratsmitglied bei der EZB und lettischer Zentralbankchef, erachtet eine strenge Geldpolitik für sinnvoll.

© Tobias Arhelger / stock.adobe.com

Um die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen, muss die Europäische Zentralbank energisch handeln und die Zinsen nächsten Monat um mindestens einen halben Prozentpunkt anheben. Diese Einschätzung gab Ratsmitglied Martins Kazaks im Bloomberg-Interview in Jackson Hole.

Quantitative Tightening erforderlich
Zinserhöhungen vorzuziehen sei angesichts der Teuerung nahe zehn Prozent zwar “vernünftig”. Das Tempo der geldpolitischen Unterstützung müsse jedoch geordnet zurückgenommen werden, betonte der lettische Zentralbankchef. Die Diskussionen über eine quantitative Straffung, also die Verringerung der EZB-Bilanz, könnten beginnen. Handlungsbedarf bestehe diesbezüglich jedoch derzeit nicht.

Die Inflationserwartungen seien “immer noch mehr oder weniger dort, wo sie sein sollten”, sagte Kazaks und bezeichnete dies als “gute Nachricht”. Gleichzeitig würden die Zweitrundeneffekte jedoch “transparenter und offensichtlicher”. Deshalb sei eine “sehr starke, entschlossene und klare” Reaktion vonnöten.

Kazaks zufolge wäre ein Zinsschritt um “mindestens 50 Basispunkte” im nächsten Monat angemessen. Ausschlaggebend seien die am Mittwoch anstehenden Inflationsdaten für August und die neuen EZB-Projektionen. “Die Erhöhung muss stark und signifikant sein, und zum jetzigen Zeitpunkt würde ich sagen, 50 oder 75 Basispunkte”, sagte er.

Falken wollen großen Zinsschritt
Die EZB-Ratsmitglieder Robert Holzmann und Klaas Knot haben sich dafür ausgesprochen, einen Zinsschritt um 75 Basispunkte zumindest in Betracht zu ziehen. Andere betonten indessen, dass eine Rezession immer wahrscheinlicher werde. Dies dürfte dabei helfen, den Preisdruck zu verringern, so das Argument.

Ebenfalls in einem Bloomberg-Interview sprach sich der finnische Notenbankchef Olli Rehn für einen “deutlichen” Zinsschritt am 8. September aus. Für die EZB sei es Zeit, zu handeln. EZB-Direktorin Isabel Schnabel und Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau forderten eine entschlossene Reaktion auf die Rekordinflation in der Eurozone, die mehr als das Vierfache des Zwei-Prozent-Ziels beträgt.

Kazaks warnte angesichts des unsicheren Umfelds davor, geldpolitische Leitlinien in den Raum zu stellen. “Ich würde die Inflationserwartungen, die Gesamtinflation, aber vor allem die Kerninflation sehr genau beobachten”, sagte Kazaks. Dazu gehöre auch das Bewusstsein, dass “wir nicht überstürzt” einen Rückzieher machen sollten, “wenn die Kerninflation in einem Quartal, einem Monat sinkt.”

Banken profitieren von höheren Zinsen
Die Aussicht auf deutlich höhere Zinsen wirft auch die Frage auf, wie die EZB überschüssige Barmittel vergütet, die die Banken kurzfristig bei ihr parken. Derzeit hat der Bestand dieser Mittel ein Volumen von über 4,4 Billionen Euro. Die Befürchtung ist, dass die Banken risikolose Zinserträge erhalten, die die Geldpolitik behindern könnten, während die EZB und die nationalen Zentralbanken der Region auf Verluste in ähnlicher Größenordnung machen werden.

Je früher das Problem angegangen wird, “desto besser”, so Kazaks. Zu den Lösungsätzen könnte nach seiner Ansicht eine Umkehrung der Tiering-Strategie gehören, mit denen die EZB die Belastungen der Banken durch negative Zinsen in Grenzen hielt.

Euro: Weichwährung statt Leitwährung
Ein dringenderes Problem sei die Schwäche des Euro, so Kazaks. Er sei “nicht glücklich darüber, wohin sich der Wechselkurs entwickelt hat”, da dies die Inflation weiter anheize. Lieferengpässe führten indessen dazu, dass Europas Unternehmen nicht in vollem Umfang von billigeren Exporten profitieren können.

Die Inflation dürfte in diesem Jahr ihren Höhepunkt erreichen, so der Chef der lettischen Notenbank. “Das bedeutet jedoch natürlich nicht, dass die Dinge zwangsläufig billiger werden - eine Verlangsamung der Inflation bedeutet nicht, dass die Preise fallen.”

Darüber hinaus müsse die EZB darüber nachdenken, wie sie die Billionen Euro an Anleihen, die sie während der letzten Krisen zur Unterstützung der Wirtschaft gekauft hat, abbauen will. “Je früher wir darüber diskutieren, desto besser ist es, aber das bedeutet nicht - und das sollte der Markt verstehen -, dass wir, wenn wir heute darüber diskutieren, morgen handeln”, sagte Kazaks. “Das erste, was wir tun müssen, ist, bei den Zinsen einen gewissen geldpolitischen Spielraum zu schaffen.” (aa)

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