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EZB-Ratsmitglied Olli Rehn: EZB sollte besser beobachten und abwarten

Die Europäische Zentralbank sollte sich Zeit nehmen, um die Auswirkungen des russischen Krieges gegen die Ukraine richtig einzuschätzen, bevor sie ihre Unterstützung für die Wirtschaft der Eurozone aus der Pandemie-Ära beendet, empfiehlt EZB-Ratsmitglied Olli Rehn aus Finnland.

© Sergii Figurnyi / stock.adobe.com

Der Krieg und die damit einhergehende Unsicherheit könnte die EZB bei ihrer Geldpolitik milder stimmen beziehungsweise allfällige Restriktionen zeitlich etwas weiter nach hinten verschieben. So sagte Olli Rehn, der Chef der finnischen Zentralbank, in einem Interview mit Bloomberg, dass angesichts des robusten Aufschwungs auf dem Kontinent und des sich festigenden Arbeitsmarktes keine zusätzlichen Anreize erforderlich seien. Stattdessen seien “Vorsicht und Optionalität” geboten, um zu verhindern, dass eine verfrühte geldpolitische Straffung zu einer Rezession führt.

"Zeit nehmen"
“Die Richtung der Normalisierung ist aus meiner Sicht immer noch angemessen”, so Rehn. “Die wirtschaftliche Erholung ist relativ stark und die Beschäftigung nimmt zu. Angesichts der neuen Situation müssen wir uns jedoch einen Moment Zeit nehmen, um über das Tempo und die Art und Weise einer schrittweisen Normalisierung der Geldpolitik nachzudenken.”

Die Geldmärkte verschoben am Dienstag ihre Wetten auf eine EZB-Zinserhöhung von Januar auf März 2023, nachdem sie noch vor wenigen Wochen auf zwei Viertelpunkt-Erhöhungen bis zum Jahresende gesetzt hatten.

Vor der EZB-Ratssitzung in der kommenden Woche, bei der die rekordhohe Inflation im Mittelpunkt stehen dürfte, sind die Währungshüter auch damit beschäftigt, die Auswirkungen der russischen Invasion und der als Reaktion darauf gegen die Regierung von Präsident Wladimir Putin verhängten Sanktionen zu analysieren.

Der Preisanstieg im Euroraum könnte sich von der derzeitigen Rate von 5,1 Prozent - mehr als das Doppelte des Zielwerts von zwei Prozent - noch weiter beschleunigen, wenn die Kämpfe die Energieversorgung unterbrechen. Und es gibt zunehmende Befürchtungen, dass das Wirtschaftswachstum durch die Belastung der Verbraucher in Mitleidenschaft gezogen wird.

“In einer solchen Situation ist es in der Regel besser, mit seinen Entscheidungen zu warten, bis die Sicht frei ist, um Schaden zu vermeiden”, sagte Rehn, der zu den eher taubenhaften Mitgliedern des EZB-Rats gehört und wiederholt vor plötzlichen Kurswechseln gewarnt hat. “Wir würden eine Verlangsamung oder sogar eine Rezession in Europa riskieren, wenn wir voreilig handeln würden.”

Der Markt preist Aufschub ein
Die zehnjährige italienische Rendite sank am Dienstag um 31 Basispunkte auf 1,40 Prozent und machte damit den Anstieg, der auf den Kurswechsel der EZB im letzten Monat folgte, wieder wett.

Rehns Vermutung, dass der Krieg in der Ukraine den Ausstieg der EZB aus den groß angelegten Ankäufen von Vermögenswerten und den negativen Zinssätzen eher verzögert als beendet, deckt sich mit Äußerungen einiger seiner Kollegen. Das verringert die Chancen, dass nächste Woche weitere Entscheidungen über den Ausstieg getroffen werden.

Robert Holzmann aus Österreich sagte in einem Interview, dass sich die Zentralbank auf eine Normalisierung zubewege, auch wenn sich dies “jetzt etwas verzögern könnte”. Der portugiesische Notenbankchef Mario Centeno unterstützt diesen Kurs, warnte aber vor der Möglichkeit einer Stagflation.

Bis letzte Woche hatten die Notenbanker geplant, die diesmonatige Sitzung zu nutzen, um den Rückzug von der krisenbedingten Unterstützung zu konkretisieren, wobei einige öffentlich für eine Zinserhöhung in diesem Jahr plädierten. Diese Debatte ist nun auf Eis gelegt.

“Ich wäre nicht sehr erpicht darauf, darüber zu diskutieren, wann die erste Zinserhöhung stattfinden könnte”, sagte Rehn. “Sobald wir eine Zeit des Nachdenkens hinter uns gebracht haben, werden wir Gelegenheit haben, darüber zu beraten, was der richtige Zeitpunkt dafür ist.” (aa)

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