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Dr. Thomas Meyer zur Zukunft des Euro: Droht ihm ein Lira-Schicksal?

Dr. Thomas Mayer, Leiter des Flossbach von Storch Forschungsinstituts in Köln, stellt in einem Impulsbeitrag des "The Early Editors Club" (TEEC), Gruppe EZB-Schattenrat, fest, dass die Geschichte der Banca d'Italia und der italienischen Lira auf die Zukunft der EZB und des Euro hinweist.

Dr. Thomas Mayer, Leiter des Flossbach von Storch Forschungsinstituts in Köln
Dr. Thomas Mayer, Leiter des Flossbach von Storch Forschungsinstituts in Köln© Cornelis Gollhardt

"Endlich ist die EZB aufgewacht und hat die Aussicht auf eine längere Periode schmerzhaft hoher Inflation erkannt. Während ich im Juni für eine Anhebung um 75 Basispunkte gestimmt habe, hat die EZB im Juli schließlich eine Anhebung um 50 Basispunkte vorgenommen. Angesichts einer Inflationsrate von 8,9 Prozent im Juli und eines wahrscheinlichen weiteren Anstiegs in den kommenden Monaten, der zum Teil auf einen schwächeren Euro-Kurs zurückzuführen ist, war dies jedoch zu wenig und zu spät. Auch wenn die Wirtschaft aufgrund von Engpässen bei der Versorgung mit Rohstoffen, Vorleistungen und Arbeitskräften durchaus in eine Rezession geraten kann, müsste sie die Inflation viel schneller einholen.

Daher stimme ich erneut für eine Anhebung um 75 Basispunkte auf der nächsten Sitzung. Darauf sollten im weiteren Verlauf des Jahres zwei weitere Schritte von je 75 Basispunkten folgen, und auf der letzten Sitzung im Jahr 2022 sollte die quantitative Straffung eingeleitet werden. Wenn es zum Jahreswechsel immer noch keine Anzeichen dafür gibt, dass die Inflation auf weniger als zwei Prozent zusteuert, sollten sie die Zinsen so lange anheben, bis sie die Gesamtinflationsrate übersteigen.

Wir befinden uns mitten in einer Stagflation, wie sie in den 1970er Jahren herrschte. Damals konnte die Stagflation nur mit deutlich positiven realen Leitzinsen durchbrochen werden. Als wir zuletzt Inflationsraten wie heute hatten, waren die Leitzinsen der Bundesbank zweistellig. Aber all dies ist ein frommer Wunsch. Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion war ein Kind der niedrigen Inflation, die es ermöglichte, die EWWU durch niedrige Zinssätze zusammenzuhalten. Dies ist nun vorbei, und die EZB steht am Scheideweg: Sie kann die Inflation bekämpfen und das Auseinanderbrechen der EWWU riskieren oder sie kann eine hohe Inflation und die Entwertung des Euro akzeptieren. Obwohl ihr Mandat etwas anderes besagt, wird sich die EZB für Letzteres entscheiden. Die Geschichte der Banca d'Italia und der italienischen Lira weist auf die Zukunft der EZB und des Euro hin." (kb)

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