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BNP Paribas: Droht ein radikaler Neubeginn?

Für Mark Lewis von BNP Paribas Asset Management könnte der Ölpreisverfall ein Zeichen dafür sein, dass der Ölmarkt vor einem radikalen Neubeginn steht.

© mochisu / stock.adobe.com

Vor dem Hintergrund eines kollabierten Ölpreises werden am Ölmarkt derzeit die Karten neu gemischt. So kündigte Saudi-Arabien eine Steigerung seiner Ölproduktion und einen Preiskampf mit Russland an. „So weit, so einfach: Der saudische Schachzug war ein Machtspiel, der darauf abzielt, die Vormachtstellung des Königreichs gegenüber den anderen Anwärtern auf den Titel als größten Ölproduzenten der Welt zu behaupten“, erklärt Mark Lewis (Bild links), Leiter für Nachhaltigkeitsforschung bei BNP Paribas Asset Management. Lewis fragt weiter: „Aber was ist, wenn an der Sache mehr dran ist? Was, wenn dies ein radikaler Neubeginn in der Geschichte der Ölmärkte ist?”

Für Lewis bestünde durchaus die Möglichkeit, dass Saudi Arabien, in Zeiten der Dekarbonisierung, seine Strategie ändert. Denn wer auf den billigsten und reichlich sprudelnden Ölvorräten der Welt sitzt, könnte laut Lewis doch ein Interesse daran haben, in den nächsten Jahrzehnten so viel wie möglich davon zu verkaufen, während das globale Energiesystem von Kohlenwasserstoffen Abstand nimmt. „Es könnte daher auch eine radikale Neubewertung hinter dem dramatischen Schritt Saudi-Arabiens stehen. Wenn nämlich Saudi-Arabien Ländern wie China und Indien langfristige Kaufverträge für große Mengen Öl zu einem Festpreis von – sagen wir mal – 40 bis 50 Dollar pro Barrel anbietet, wäre dies eine Win-Win-Strategie, sowohl für das Königreich als auch für die größten Importländer. Saudi-Arabien bekäme langfristige Planbarkeit und einen Preis, der immer noch enorme Gewinne abwirft. Und China und Indien würden langfristige Versorgungssicherheit zu erschwinglichen, stabilen Preisen erhalten“, erklärt Lewis.

Dafür stellt der BNP Paribas-AM-Mann folgende Berechnung an: Geht man von erforderlichen Investitionen von geschätzt 25 bis 30 Milliarden Dollar pro einer Million Barrel pro Tag zusätzlicher Kapazität aus, würde es Saudi-Arabien im nächsten Jahrzehnt etwa 200 Milliarden Dollar kosten, 7,5 Millionen Barrel pro Tag zusätzlich zu fördern. Das erhöht sein Potenzial auf 20 Millionen Barrel pro Tag. (Das Königreich produziert derzeit etwa 10 Millionen Barrel pro Tag, hat aber noch etwa 2,5 Millionen freie Kapazitäten.)

Araber denken langfristig
200 Milliarden Dollar seien, selbst für Saudi-Arabien, eine Menge Geld. Aber: unter der Annahme, dass die operativen Förderkosten zehn Dollar pro Barrel betragen und dass eine Hälfte der künftigen Produktion weiter zu Marktpreisen verkauft wird, während die andere Hälfte zu einem Festpreis von 45 Dollar pro Barrel an asiatische Importeure geht, beträgt der jährliche Betriebsgewinn allein aus diesen zehn Millionen Barrel pro Tag 130 Milliarden Dollar im Jahr – oder 2,6 Trilliarden Dollar über 20 Jahre.

Mit anderen Worten: Die Vorabinvestitionen dieser hypothetischen Zusatzproduktion wären in nur 18 Monaten gedeckt. Gleichzeitig ermöglicht dieses Szenario dem Königreich, die Preisflexibilität für die anderen zehn Millionen Barrel zu erhalten und so von eventuellen Preisspitzen zu profitieren.

Saudi Arabien am besten positioniert
Die Geschwindigkeit, mit der die Regeln des Energiemarktes derzeit umgeschrieben werden, bedeutet laut Lewis, dass der größte Ölproduzent der Welt jeden Anreiz hat, ein solches Szenario durchzuspielen. Die aktuelle Volatilität auf den Ölmärkten ändert nichts an dem grundlegenden Punkt: Von nun an wird Öl zunehmend mit den erneuerbaren Energien konkurrieren und von allen Ölproduzenten der Welt ist Saudi-Arabien bei weitem am besten positioniert, um auf diese Herausforderung zu reagieren.

„Kurz gesagt, so dramatisch wie die Ereignisse der letzten Zeit auch waren, in dieser Ära der Umwälzungen in der Energieversorgung sind sie womöglich nur ein Vorgeschmack, verglichen mit dem, was mit dem Ende des Ölzeitalters in Sicht kommt“, erklärt Lewis abschließend. (aa)

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