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BlackRock: Investoren unterschätzen Marktrisiko der US-Wahl

Die Entscheidung von US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden für Kamala Harris als seinen "Running Mate" sowie der Linksruck der Demokraten könnten im Falle eines Wahlerfolgs Corporate America teuer kommen und damit auch Investoren ins Kontor schlagen, warnt BlackRock-Stratege Felix Herrmann.

Felix Herrmann, Blackrock
Felix Herrmann, Blackrock© Blackrock

Investoren sollten nicht nur auf die aktuelle Pandemie-Entwicklung, sondern viel stärker auch auf die politischen Entwicklungen in den USA achten, empfiehlt Felix Herrmann, Kapitalmarktstratege bei BlackRock, in seiner jüngsten Ausgabe der Publikation "Aktueller Blick auf die Märkte".

Ambitionierte, schwarze Frau soll viele Stimmen bringen
Für Herrmann ergibt die Nominierung Kamala Harris' als Vizepräsidentin für das demokratische Lager gleich in mehrfacher Sicht Sinn. Zum einen – und dieses Argument wiegt laut Herrmann wohl am schwersten – liefert sie der Gegenseite eine doch sehr überschaubare Angriffsfläche, was am besten daran zu erkennen ist, dass dem US-Präsidenten als Reaktion auf ihre Nominierung kaum mehr einfiel, als sie in Trump-Manier als „nasty“ zu verunglimpfen.

Aus Sicht von Biden sei diese kleine Angriffsfläche ganz entscheidend, da er mit der Nominierung der Vizepräsidentin vor allem eines erreichen wollte: eine anhaltend geringe Volatilität in den entscheidenden Umfragen, in denen Biden nach wie vor vorne liegt.

Harris stehe Herrmann zufolge im weitesten Sinne für die breite Linie der demokratischen Partei. Ähnlich wie die Partei selbst, seien ihre Positionen in den letzten Jahren allerdings weiter nach links gedriftet, was an ihren Stimmverhalten im US-Senat erkennbar sei, wo sie den Bundesstatt Kalifornien vertritt. "Trotz einiger Ausreißer, wie etwa in diesem Jahr, als sie an der Seite von Bernie Sanders für ein weitaus umfassenderes Corona-Hilfspaket plädierte, verkörpert Harris – im Gegensatz etwa zu Elizabeth Warren – den Mainstream der US-Demokraten", erklärt Herrmann.

Für Harris Nominierung sprach darüber hinaus aber wohl vor allem auch ihre Kompetenz im Bereich der Klimapolitik, die Biden in das Zentrum seiner Präsidentschaft rücken möchte. In Kalifornien ist es Harris immer wieder gelungen, die klimapolitische Agenda voranzutreiben. Im demokratischen Vorwahlkampf vertrat sie zudem auch immer wieder harte Positionen gegen die fossile Industrie in den USA.

Biden gehe mit Harris auf Nummer sicher, habe dafür aber eine ambitionierte Politikerin an seiner Seite, die perspektivisch unverhohlen selbst nach dem höchsten Amt im Lande strebt und die sich nach der Ära Biden womöglich an der Spitze der demokratischen Partei wiederfindet. Ihre Nominierung könnte somit vor allem mittel- bis langfristig eine durchaus wichtige Weichenstellung für die Politik in den USA gewesen sein.

Kurzfristig kann sie laut Herrmann dem Kandidaten ohne Eigenschaften – das ist aktuell das öffentliche Bild von Biden – mehr Profil verleihen. Der größte Gegner für Biden bleibt angesichts seiner immer wieder vorkommenden rhetorischen Missgeschicke allerdings weiterhin niemand anderes als er selbst.

Auswirkungen auf die Anlagestrategie
Die US-Wahl und das Coronavirus dürften Herrmann zufolge noch eine ganze Weile die dominierenden Themen an den Kapitalmärkten bleiben. Während der jüngste Anstieg der Fallzahlen das Kurspotenzial für europäische Aktien nach oben vorerst ein Stück weit limitiert, findet das zweite Thema, die US-Wahl, in den Kursen bislang eher wenig Berücksichtigung. Vermutlich zu Unrecht.

"Gerade die Auswirkungen des aus heutiger Sicht wahrscheinlichsten Szenarios, das eines deutlichen Sieges von Biden und den Demokraten, scheint am Markt unterschätzt zu werden. Insbesondere die negativen Folgen für den US-Technologie-Sektor könnten etwas schmerzhafter ausfallen als gemeinhin gedacht", warnt Herrmann.

Engere Daumenschrauben
Wenngleich die Trump-Administration bereits begonnen habe, die Daumenschrauben für die Industrie leicht anzuziehen (etwa durch die Ankündigung von kartellrechtlichen Untersuchungen), könnte der Gegenwind für die Branche unter Biden gleich an mehreren Fronten zunehmen. Neben der höheren Besteuerung von Gewinnen aus Übersee dürfte die Regulierung deutlich strenger werden.

Bislang sind Online-Plattformen wie Facebook in den USA kaum reguliert und können weitestgehend schalten und walten wie sie wollen. Biden hat mehrfach angekündigt dies zu ändern. Eine einschneidende rechtliche Änderung wäre zum Beispiel, dass soziale Medien fortan für die Inhalte Dritter verantwortlich sind. "Letztlich dürfte der Tech-Sektor in den USA aber zu wichtig sein, als dass eine neugewählte US-Regierung ihr den Garaus macht", erklärt Herrmann abschließend. (aa)

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