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CureVac-IPO an der Nasdaq: Armutszeugnis für Deutschland

Es mutet traurig an, dass interessante Börsengänge europäischer Unternehmen immer häufiger anderswo stattfinden. Dabei wollte doch das Capital Market Union-Programm der EU den Abstand zu den anderen großen Wirtschaftsblöcken verringern. Aktienkultur statt steigende Staatsquote, lautet das Rezept.

© immimagery / stock.adobe.com

?Das für seine Forschungen an einem Corona-Impfstoff bekannte Tübinger Biotech-Unternehmen CureVac BV hat mit seinem Börsengang in den USA informierten Kreisen zufolge den oberen Rand der anvisierten Preisspanne erreicht. Die Notierung an der Technologiebörse Nasdaq wird demnach 213 Millionen US-Dollar einspielen, berichtete Bloomberg News kürzlich. CureVac platzierte 13,33 Millionen Aktien zu jeweils 16 US-Dollar. Parallel zum Börsengang brachte das Unternehmen auch 100 Millionen Euro über eine Privatplatzierung auf, wie aus einer SEC-Mitteilung hervorgeht. Der Börsengang implizierte eine Bewertung von rund 2,8 Milliarden US-Dollar.

Die weitere Wertentwicklung wird davon abhängen, ob CureVac einen zugelassenen Impfstoff auf den Markt bringen kann. Die Bundesregierung hatte vor zwei Monaten über die Kreditanstalt für Wiederaufbau mit 23 Prozent am Unternehmen beteiligt. CureVac hatte im Juni mitgeteilt, grünes Licht für den Start einer Phase-I-Studie für einen Corona-Impfstoffkandiaten erhalten zu haben. Ergebnisse sollen im vierten Quartal vorliegen. Der Wert der Curevac-Aktie war am ersten Börsentag im New Yorker Technologie-Index Nasdaq um knapp 250 Prozent gestiegen. Nach einem Einstiegspreis von 16 US-Dollar kletterte der Aktienwert am Freitag bis Börsenschluss auf 55,90 US-Dollar. Man kann nur hoffen, dass die staatliche KfW nicht einen lukrativen Ausstieg verpasst.

So weit, so gut - oder besser, so schlecht....
Zwei Dinge sind es, die einem Verfechter einer ordoliberalen Wirtschaftspolitik daran missfallen müssen: Zum einen ist der deutsche Kapitalmarkt anscheinend nicht in der Lage, mit den Amerikanern bei IPOs mitzuhalten und zwingt innovative deutsche Unternehmen zu einer Börsennotiz im Ausland, wo es einen funktionierenden Risikokapitalmarkt gibt. Den sucht man nicht nur in Deutschland allerdings leider vergebens. Sieht man von Großbritannien und Skandinavien ab, kann man diesen in Europa getrost vergessen. Und das ist wirklich schade, wirft es doch Europa im Kampf der Giganten - also mit den USA und Asien - weit zurück. Ein Blick auf die Veränderung der Rangliste der größten Konzerne der Welt spricht Bände.

Dinosaurier sind zu wenig, um die Zukunft gestalten zu können
Bis auf ein paar Dinosaurier, also Stars der Old Economy wie Nestlè, Unilever, Glencore, BP, Royal Dutch, Total, VW und Daimler, hat Europa wenig in der ersten Liga zu bieten. Die europäische Kapitalmarktunion (CMU) wäre hier beispielsweise gefordert, einen nationenübergreifenden Risikokapitalmarkt einzurichten, der technisch, organisatorisch und regularisch mit Nasdaq, Hongkong & Co. mithalten kann. Flankierende steuerliche Maßnahmen in den Mitgliedstaaten könnten das junge Pflänzlein gedeihen lassen.

Doch dazu müssten die Politiker über ihren (kleinen) Schatten springen, was angesichts der mangelnden Berufserfahrung der Parlamentarier, die meist auf keine Karrieren vor ihrem politischen Engagement in der freien Wirtschaft zurückblicken können, wohl zuviel verlangt scheint. Mit hochrangigen Politkern, die anlagetechnisch nicht über das Festgeld hinausgekommen sind (Zitat Finanzminister Olaf Scholz aus 2019: "Ich lege mein Geld nur auf einem Girokonto an."), kann man nicht zukunftsfit am Kapitalmarkt werden. Da doch lieber einen von Goldman Sachs wie in den USA, der entsprechend kapitalmarktaffin ist.

Staatswirtschaft voraus
Der zweitem, verstörende Punkt bei CureVac - und nicht nur dort, man denke auch an die Lufthansa - ist, dass sich der Staat nun als Entrepreneur versucht, indem er Beteiligungen eingeht, und das obwohl er damit in der Vergangenheit immer kolossal gescheitert ist. Warum es dieses Mal anders sein soll, kann einem niemand erklären. Der Anteil des Staates am Bruttosozialprodukt ist in Europa ohnehin immens hoch. So liegt die Staatsquote in Frankreich schon länger jenseits der 50-Prozent-Marke (siehe Grafik). Das die Staatsquote aufgrund der interventionistischen Attitüde der Staaten im Corona-Jahr 2020 weiter ansteigen wird, gilt als ausgemacht.

Staatsquotenvergleich 2019

Quelle: Statista

Abstiegsliga West
Die Steuerwüste Kontinentaleuropa ist alles andere als gut aufgestellt, um in Zukunft vorne mitmischen zu können. An Talenten fehlt es nicht, doch diese reüssieren im Ausland. Zukunftsträchtige Arbeitsplätze entstehen dann ebenfalls woanders. Hierzulande wird zuerst ans Umverteilen des Kuchens gedacht, bevor man ihn überhaupt gebacken hat.

Anstatt darüber nachzudenken, wie man den Kuchen größer und saftiger macht, damit man mehr Esser bedienen kann, schaffen es Regulierungen, ihn möglichst klein und trocken ausfallen zu lassen. Das Brüsseler Gefasel selbsternannter, bürokratischer Pseudoeliten vom Agieren auf Augenhöhe mit den Amerikanern und Asiaten ist bestenfalls Zukunftsmusik.

Ein auf die Mobilisierung der Wachstumskräfte ausgerichteter ordoliberaler Rahmen sieht jedenfalls anders aus. Stattdessen denkt man in Brüssel über neue Steuereinnahmen nach, und Deutschlands Politik freut sich schon auf die Einführung der Finanztransaktionssteuer. Der Abstieg ist damit vorprogrammiert.

Großbritannien als liberaler Stachel im welken Fleisch der Rest-EU
Das einzige Land, das eine solche Entwicklung verhindern kann, ist Großbritannien vor den Toren der EU, das durch eine konträre Politik als Oase des Unternehmertums und vielleicht mit einer Flat Tax agiert und einen alternativen Weg vorzeigt.

Nicht zuletzt durch die Angst der Bürokratie in Brüssel und jene der Hochsteuerländer macht man dem UK den Ausstieg so schwer wie möglich. Wenn sich Großbritannien mit den richtigen Incentives wie Phönix aus der Asche erhebt, wird hoffentlich ein Umdenken in den Staatskanzleien am Kontinent einsetzen. Falls es dann nicht schon zu spät ist... (kb)

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