Logo von Institutional Money
| Kongress-News

Prof. Barry Eichengreen warnt: „Die Märkte sind zu sorglos“

Der Topökonom Prof. Barry Eichengreen sprach am Institutional Money-Kongress über die jüngsten Entwicklungen an den Finanzmärkten und erörterte zwei bedeutende Risiken, die Investoren auf längere Sicht beschäftigen werden.

Prof. Barry Eichengreen
Prof. Barry Eichengreen© Nikola Haubner / Institutional Money

Barry Eichengreen, Professor für Ökonomie und politische Wissenschaften an der University of California, Berkeley, eröffnete den zweiten Kongresstag mit einer Keynote Speech, die er mit „Whither the Dollar (and the International Monetary System)“ betitelte.

Zu Beginn seines Vortrages erörterte Eichengreen jene Treiber, die für die US-Dollar-Entwicklung maßgeblich sind. Dazu zählt insbesondere die zukünftige Geldpolitik der US-Notenbank. Vor dem Hintergrund, dass die US-Inflation weiterhin zu hoch und der US-Arbeitsmarkt sehr stark ist, glaubt Eichengreen, dass die Märkte zu optimistisch gestimmt sind, was ein baldiges Ende des laufenden Zinserhöhungszyklus‘ und vor allem zukünftige Zinssenkungen anbelangt. „Aus all diesen Gründen würde ich behaupten, dass die Märkte die Wahrscheinlichkeit überschätzen, dass die Fed die Zinsen bis Ende des Jahres von 5,0 auf 4,25 Prozent senken wird.“ Aufgrund nunmehr doch länger höher bleibender Zinsen im US-Dollarraum im Vergleich zur Eurozone sollte der US-Dollar laut Einschätzung Eichengreens gegenüber der Gemeinschaftswährung wieder an Stärke gewinnen. „Wenn die USA in eine Rezession fallen, sind natürlich alle diese Annahmen obsolet“, merkte Eichengreen an. Im zweiten Teil seines Vortrages ging Eichengreen auf zwei Risiken ein, die institutionelle Investoren zukünftig genau im Auge behalten sollten

Zwei drohende Gefahren
Eines dieser Risiken ist der mittlerweile erreichte Schuldendeckel in den USA, der dafür sorgen könnte, dass die USA im Laufe des Jahres Teile ihrer Rechnungen nicht bezahlen können. Bis zum Sommer hat das US-Finanzministerium aber noch genug Geld bei den Banken geparkt. Falls das Geld aber wirklich ausginge, drohen Shutdowns staatlicher Institutionen wie in den Jahren 2011 oder 2013 und im Worst Case zumindest ein technischer Default, falls Zinszahlungen oder Tilgungen auf US-Treasuries zu spät geleistet würden.

Während in der Vergangenheit nach längerem politischen Gezerre immer eine Lösung in Form einer Anhebung der US-Schuldengrenze gefunden wurde, könnte es dieses Mal enger werden beziehungsweise der Worst Case eintreten. Denn Teile der US-Republikaner sind strikt gegen zusätzliche Schulden und beharren auf der Einhaltung der Schuldengrenze und der Einführung staatlicher Sparmaßnahmen. „Ein Kompromiss ist also weniger wahrscheinlich“, warnte Eichengreen.

Als Reaktion darauf könnten Ratingagenturen die Bonitätseinschätzung der USA kritischer betrachten und Abstufungen vornehmen. Jedenfalls leiden wird der Ruf der USA als verlässlicher Staatsanleihenemittent und in Folge eventuell auch der der US-Dollarkurs.

Internationale Konflikte
Ein weiteres Problemfeld sind die internationalen Konflikte, die die USA derzeit und vor allem zukünftig beschäftigen werden. Dazu zählen der Konflikt mit Russland und bald auch mit China. Auf Betreiben der USA wurden 2022 Gelder der russischen Zentralbank und anderer russischer Finanzadressen eingefroren, obwohl dies laut geltendem, internationalem Recht nicht erlaubt ist. „Diese Sanktionen waren ein Schock, denn nach dem Übereinkommen der Vereinten Nationen von 2004 über die juristische Immunität von Staaten und deren Eigentum fallen Zentralbankreserven unter die staatliche Immunität“, erinnerte Eichengreen.

In Reaktion darauf könnten viele Staaten, die in Opposition zu den USA oder dem Westen stehen, ihre Zentralbankgelder aus Furcht vor Beschlagnahmung nicht mehr in US-Staatsanleihen und anderen sicheren Papieren investieren, sondern sich vom US-Dollar und Co abwenden und sich Alternativen suchen. Im Ergebnis könnten zukünftig große und verlässliche Käufer von US-Treasuries wegfallen und die USA müssten wohl andere Käufer finden, die zukünftig aber höhere Kupons als bislang fordern werden.

In Folge arbeitete Eichengreen heraus, in welchen Segmenten „Schurkenstaaten“ ihre Gelder parken könnten und schlug vor: China, Gold und Kryptowährungen. Alle drei sind aber keine brauchbaren Lösung: Chinas kommunistischer Diktatur sei als Rechtsstaat nicht zu vertrauen und dessen länderübergreifendes Abrechnungssystem noch nicht leistungsstark genug, Gold sei zwar sicher, für internationale Bezahlvorgänge aber zu umständlich und Kryptowährungen derzeit noch zu volatil.

Im Ergebnis wird der US-Dollar seine dominante Rolle als weltweite Leitwährung noch viele Jahre innehaben. Zu beobachten sei jedoch, dass Währungen wie der Renminbi und Rohstoffwährungen, wie der australische oder der kanadische Dollar, über die Jahre langsam aber sicher an Bedeutung im internationalen Währungssystem gewonnen haben und dies auch zukünftig werden.

„Das bedeutet, dass wir uns langsam, auf ein stärker diversifiziertes internationales Währungs- und Finanzsystem zubewegen. Was meiner Meinung nach eine gute Sache ist“, erklärt Eichengreen abschließend. (aa)

Dieses Seite teilen