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| Theorie

Gibt es so etwas wie einen "grünen Faktor"?

Die neueste Publikation des EDHEC-Lehrstuhls beschäftigt sich mit der Frage, ob der grüne Faktor (Dekarbonisierungsfaktor) auch tatsächlich besteht oder nur eine Fata Morgana darstellt. Der Titel des Papers lautet: "The DeCarbonisation Factor: A New Academic Fiction?".

Abraham Lioui, Professor of Finance an der EDHEC Business School und Member of the EDHEC-Scientific Beta Research Chair
Abraham Lioui, Professor of Finance an der EDHEC Business School und Member of the EDHEC-Scientific Beta Research Chair© EDHEC

2019 unterstützte Scientific Beta die Einrichtung eines Forschungslehrstuhls bei der EDHEC Business School, der sich mit Fragen des ESG Faktor Investing beschäftigt. Dabei handelt es sich um den EDHEC-Scientific Beta "Advanced Factor & ESG Investing" Research Chair. Dieser hat sich nun mit der möglichen Existenz eines Dekarbonisierungsfaktors auseinandergesetzt.

Zu früh für ein endgültiges Urteil
Die von Abraham Lioui, Professor of Finance an der EDHEC Business School und Member of the EDHEC-Scientific Beta Research Chair, verfasste Arbeit untersucht zwei Publikationen aus dem letzten Jahr, die die Auswirkungen der CO2-Emissionen von Unternehmen auf die Finanzmärkte untersuchen. Es handelt sich dabei um die Arbeiten von ?Cheema-Fox et al. (2019) sowie von Bolton und Kacperczyk (2019).

Widersprüchliche Ergebnisse
Ersteres Papier von Cheema-Fox mit dem Titel "Decarbonization Factors" kommt zur Erkenntnis, dass Firmen mit geringem CO2-Ausstoß solche mit hohem CO2-Ausstoß outperformen und ist damit Wasser auf die Mühlen derer, die der Einführung eines grünen Faktors als Bestandteil des Faktor-Allokation-Menues das Wort reden. Diese Arbeit wird deswegen auch gerne von Klimajüngern zitiert. Das zweite Papier, das Professor Lioui untersucht, kommt zum genau gegenläufigen Resultat, nämlich dass ein hoher CO2-Ausstoß eine positive Auswirkung auf die Rendite hat.

DeCarbonisation als Faktor? Entscheidung muss warten
Angesichts dieses offenkundigen Widerspruchs argumentiert Lioui, dass beide Arbeiten nicht genug Licht auf die Faktenlage würfen, um verlässliche Schlussfolgerungen ziehen zu können. Zudem würden die beiden Studien starke methodische Limitierungen aufweisen. Die Frage, ob "Decarbonisation" einen Faktor darstellt, der Investmentrenditen mitbestimmt, kann somit zumindest bis auf weiteres noch nicht definitiv beantwortet werden.

Unbezahlte Faktoren sind keine renditefördernden Faktoren
Gibt es keinen Carbon-Faktor, sollte man annehmen, dass es keine positive Risikoprämie dafür gibt, wenig CO2 auszustoßen, und dass es auch keine negative Risikoprämie in diesem Zusammenhang gibt. Daher ist es nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft heute möglich, auf Basis der allgemein anerkannten und mit einer Risikoprämie ausgestatteten Faktoren Portfolios zu konstruieren, die große CO2-Emittenten ausschließen und damit Portfolios mit einem kleinen CO2-Fußabdruck und sehr guter risikoadjustierter Performance zu bilden.

Integrierte Portfoliokonstruktion: bis auf weiteres bitte nicht!
Dieser Ansatz ist einer integrierten Portfoliokonstruktion vorzuziehen, die - indem sie das Portfolio einem Exposure zu einem nicht bezahlten Risikofaktor aussetzt - die risikoadjustierte Rendite verringert, da sich dadurch das Exposure zu den allgemein anerkannten und bezahlten Risikofaktoren reduziert. (kb)



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