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Felix Goltz/ Scientific Beta: Es gibt kein Alpha durch ESG-Strategien!

Ein neues Paper von Scientific Beta, dem Research-Arm von EDHEC, zeigt, dass es keine belastbaren Beweise dafür gibt, dass jüngst getätigte Behauptungen, ESG-Strategien würden konventionelle outperformen, tatsächlich stimmen. ESG-Analysen spiegeln den Quality-Faktor wider. C'est tout.

Studienautor Dr. Felix Goltz, Director Research von Scientific Beta, dem wissenschaftlichen Arm von EDHEC in Nizza
Studienautor Dr. Felix Goltz, Director Research von Scientific Beta, dem wissenschaftlichen Arm von EDHEC in Nizza© EDHEC

In der unter dem Titel "Honey, I Shrunk the ESG Alpha" publizierten Studie finden die Autoren Dr. Felix Goltz, Director Research bei Scientific Beta sowie die beiden Quant-Analysten Giovanni Bruno und Mikheil Esakia heraus, dass Aktienstrategien, die die in ESG-Ratings enthaltenen Informationen zur Erzielung von Alpha einsetzen wollen, zwar in vielen wissenschaftlichen Arbeiten positive Renditen zeigen, jedoch bei Vornahme einer Risikoadjustierung diese Überschussrenditen verschwinden.

Es gibt kein ESG-Alpha
Mit diesem klaren Statement bringt Felix Goltz die Ergebnisse auf den Punkt. Die Behauptungen in verschiedenen Arbeiten, es gäbe ein solches, hielten einer genauen wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand, vielmehr seien hier analytische Fehler begangen worden. Scientific Beta analysierte 24 ESG-Strategien, von denen in anderen Studien behauptet wurde, sie würden outperformen. Tatsächlich gebe es eine Tendenz hin zu Outperformance, weil ESG Leaders die ESG Laggards mit fast drei Prozentpunkten Renditedifferenz schlagen. Allerdings stellt das Autorentrio sowohl in den USA als auch in den anderen Industriestaaten fest, dass drei Viertel dieser Outperformance qualitativen Faktoren wie der Profitabilität oder der konservativen Investitionspolitik geschuldet sind. Der Qualitäts-Faktor wird schon seit längerem als einer der Investment-Faktoren betrachtet, der traditionell dazu tendiert, Überrenditen zu erzeugen.

Quality-Faktor tut es auch
"Obwohl sie sich auf nicht-finanzielle Informationen von hunderten ESG-Analysten zu stützen, performen ESG-Strategien genauso wie einfache Qualitätsfaktorstrategien, die rein mechanisch aus Bilanz- und GuV-Kennzahlen extrahiert werden können", steht da zu lesen. "Von den 24 Strategien hat keine einzige signifikant outperformt, wenn man eine Adjustierung im Hinblick auf den Qualitätsfaktor vornimmt, was ich bemerkenswert finde", so Felix Goltz. "Es handelt sich bloß darum, dass im letzten Jahrzehnt Qualität outperformte, und wenn man ESG-Scores verwendet, hat man inhärent einen Tilt in Richtung Qualität."

Sind ESG-Analysen überhaupt von Wert?
Diese Frage darf man sich angesichts des niederschmetternden Befundes von Goltz und Kollegen tatsächlich stellen. Wenn die Auswertung von Bilanzdaten reichen, das gleiche Ergebnis zu erzielen, verblassen die teuren Nachhaltigkeitsübungen. Die Studie argumentiert, dass ESG-Strategien keine signifikante Downside Protection anbieten. Auch finde sich die angebliche Outperformance erst seit 2013, als das Interesse an ESG im Wesentlichen startete. Das lasse vermuten, dass die Renditen von Aktien mit hohem ESG-Score durch einen Momentum-Push künstlich aufgebläht seien.

Aufgeblähte Renditen, weil wir es so wollen
"Wir sind befangen und voreingenommen in unserer Sichtweise auf ESG-Performance, so man nicht annimmt, dass die Aufmerksamkeit auf das Thema permanent steigt", so Goltz weiter. "Sollte die Aufmerksamkeit nicht mehr zulegen, würden wir erwarten, dass die Performance zu ihrem langfristigen Durchschnitt und damit den Marktrenditen zurückkehrt. Aber es ist schlimmer als das, weil die Bewertungen gestiegen sind, sodass die erwarteten langfristigen Renditen unterhalb der früheren Renditen liegen müssen."

Gewichtige Unterstützung
Vitali Kalesnik (Bidl), Director of Research bei Research Affiliates in Europa, einem Smart Beta Pionier, sagte in einem Interview mit der FT, die Schlussfolgerungen von Scientific Beta stünden im Einklang mit dem meisten, das man selbst verfasst habe. Die Überschneidung zwischen ESG und hier im Speziellen beim Governance-Faktor mit dem Faktor Quality sei ziemlich groß. Im gleichen Artikel wird auch Sony Kapoor, Geschäftsführer des Nordic Institute for Finance, Technology and Sustainability, eines Think-Tanks, zitiert. Kapoor meinte, nun habe man es schwarz auf weiß, was man sich in den Gängen der Finanzindustrie schon seit längerem zuraune: ESG-Investing sei ein Kniff, um die Reputation aufzupolieren, maximiere Gebühren und lindere Schuld. Es gebe unzählige Wege, ESG-Score zu messen und zu gewichten, ESG zu integrieren. Zudem würde die Realität vielmehr sektorale Tilts und Qualitätsfaktoren als Umwelt-, soziale und Governance-Treiber widerspiegeln. Das ganze Feld des ESG-Investierens stehe auf wackeligen Fundamenten, die bei näherer Analyse zerbröselten.

ESG-Strategien können trotzdem von Wert sein
Trotz der ernüchternden Ergebnisse von Scientific Betas Studie meint das Haus selbst, dass ESG-Strategien trotzdem von substantiellem Wert für Investoren sein können. Aber jene Investoren, die einen zusätzlichen Wert in Outperformance finden wollen, sind auf der falschen Fährte.

Warum die Studie für Investoren wichtig ist
Zum einen zeigt die Arbeit exemplarisch auf, wie man Outperformance dokumentieren kann, wo es tatsächlich keine gibt: Man muss bloß Risikoadjustierungen außer Acht lassen. Zum anderen stellen die Ergebnisse die weithin geübte Praxis ins Abseits, dass man ESG als Alpha-Signal-Generator verwenden könnte. Wer einen Wert in anderen Dimensionen sucht, etwa weil er das Risiko, dass sich Extremrisiken materialisieren, verringern möchte, kann hier weiter voranschreiten. Gleichwohl meint Scientific Beta, dass auf diesem Gebiet noch viel Research geleistet werden muss, bis man zu einem endgültigen Urteil gelangen kann.

Conclusio
Dr Noël Amenc (Bild), CEO von Scientific Beta, meinte anlässlich der Vorstellung der neuen Studie: "Behauptungen in populären Branchenpublikationen, ESG-Anlagen produzierten positives Alpha, sind nicht valide, denn die zugrundeliegenden Analysen sind fehlerhaft. Nötige Risikoanpassungen nicht vorzunehmen und sich einen Zeitabschnitt mit erhöhter Aufmerksamkeit für das Thema herauszusuchen, der angeblich die Outperformance belegt, ist unseriös. Stattdessen sollten sich Investoren fragen, wie ihnen ESG-Strategien helfen könnten, andere Ziele als Alpha zu erreichen - etwa, indem sie ihre Investments mit ihrem Wertekanon und ihren Normen in Einklang bringen. Das kann durch positiven sozialen Impact geschehen oder durch die Verringerung von Umwelt- und Prozessrisiken. Unsere Resultate stellt aber auch in Frage, wie ESG-Anbieter und die Investmentindustrie im Allgemeinen mit der ESG-Agenda verfahren sollen. Indem man sich auf unausgewogene und verzerrte Research-Ergebnisse stützt, die wertlos sind, gehen die Förderer von Alpha beim ESG-Investing das Risiko späterer Enttäuschungen auf Investorenseite ein, wenn die vermutete Outperformance schließlich nicht eintrifft. Zudem besteht das Risiko, dass Investoren dadurch von einem Thema weggeführt werden, das für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung wichtig ist." (kb)

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