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Asset Owner-Studie über Netto-Null-Ambitionen offenbart Überraschendes

Der kürzlich von Ninety One veröffentlichte „Planetary Pulse Report“ zeigt, dass im internationalen Vergleich relativ wenige westeuropäische Großanleger den Klimawandel als strategisches Ziel ihrer Fonds bezeichnen. Das ist aber noch nicht alles.

Nazmeera Moola, Chief Sustainability Officer, Ninety One
Nazmeera Moola, Chief Sustainability Officer, Ninety One© Ninety One

Investieren Asset Owner in die Umstellung auf Netto-Null-Emissionen? Diese und andere Fragen untersuchte eine Studie von Ninety One: Der diesjährige Planetary Pulse Report mit dem Titel "The rise of transition finance" (Finanzierung der Net-Zero-Transition) beleuchtet den Ausblick für Transitionsfinanzierung – welchen Stellenwert diese bei Asset Ownern einnimmt und wie sie zur Eindämmung des Klimawandels beiträgt.

Für die Studie wurden 300 Investoren in leitenden Positionen aus Kapitalsammelstellen in Großbritannien, dem südlichen Afrika (Südafrika, Botswana und Namibia), Asien-Pazifik (Hongkong, Singapur und Australien), Westeuropa (Deutschland, Niederlande, Dänemark und Schweiz) sowie Nordamerika (Kanada und USA) befragt, darunter Vertreter von Pensionsfonds, Versicherungsgesellschaften, Stiftungen, Zentralbanken und Staatsfonds.

Realwirtschaftliche Veränderung erwünscht
Transitionsfinanzierung ist ein Ansatz, der auf realwirtschaftliche Veränderungen abzielt, indem Investitionsnehmer bei ihren Klimastrategien unterstützt werden. So sollen CO2-Emissionen reduziert und attraktive Anlagerenditen ermöglicht werden, zum Beispiel durch:

  • Investitionen in CO2-intensive Branchen, damit Unternehmen Kapital und Hebel zur Transformation ihrer Geschäftsmodelle erhalten
  • Investitionen in Innovationen und Projekte, die vielleicht nicht von Anfang an profitabel sind
  • Finanzierung weitreichender Umbauten von Infrastruktur
  • Ein zunehmendes Engagement in Schwellenländern, deren Emissionen weiter am schnellsten steigen und wo der Bedarf für jegliche Form von Unterstützung am größten ist

ESG-Anlagestrategien in der Kritik
Die Investmentlandschaft ist durch eine immer größere Vielfalt von ESG-Anlagestrategien, -Fonds und -Dienstleistungen geprägt. Im Jahr 2022 werden die globalen ESG-Anlagen voraussichtlich auf 41 Billionen USD anwachsen, was fast doppelt so viel wäre wie im Jahr 2016 (22,8 Billionen USD). Bis 2025 soll das in ESG-Lösungen angelegte Vermögen die Marke von 50 Billionen USD übersteigen und ein Drittel der weltweiten AUM ausmachen. Viele unter dem ESG-Label gehandelte Vermögenswerte fördern jedoch nicht den Wandel von braun zu grün in der Realwirtschaft. Im Jahr 2021 wurde so viel CO2 freigesetzt wie in noch keinem anderen Jahr, was vor allem auf den erhöhten Kohleeinsatz zurückzuführen war.

Nazmeera Moola, Chief Sustainability Officer, Ninety One: „ESG-Strategien sind häufig auf einen geringen CO2-Fußabdruck ausgelegt. Zum Teil leisten sie dadurch jedoch keinen Beitrag zur Dekarbonisierung der Realwirtschaft. Es werden Portfolios aufgebaut, die das Problem umgehen, anstatt es zu lösen. Häufig wird das Anlageuniversum dafür einfach auf die saubersten Branchen beschränkt. Derart saubere Portfolios lösen die Klimakrise jedoch nicht – sie verschärfen sie.“

So haben sich Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie von Geschäftsbereichen mit einer sehr negativen Umweltbilanz getrennt oder umweltschädliche Prozesse an Drittanbieter ausgelagert, wodurch die Emissionen – zumindest auf dem Papier – nicht mehr in ihren Verantwortungsbereich fallen. Die tatsächlichen Umweltauswirkungen der Industrie reduzieren sich dadurch nicht.

Investieren für Netto-Null-Emissionen?
Der Umfrage zufolge legen 48 Prozent der globalen Asset Owner, die Klimaziele haben, diese auf Ebene des Gesamtportfolios fest, während 46 Prozent Ziele für bestimmte Mandate, Portfolios oder Fonds definieren. Nur 28 Prozent legen Ziele auf Ebene der einzelnen Anlageklassen fest.

Rund 60 Prozent der Studienteilnehmer bezeichnen die Bekämpfung des Klimawandels als ein strategisches Ziel ihres Fonds; 51 Prozent geben an, Emissionssenkungsziele für ihren Fonds zu haben. Das zeigt, dass die meisten aktiv Klimarisiken und -chancen adressieren.

Weniger positiv sind die Ergebnisse in Bezug auf die realwirtschaftliche Wirkung. Nur 19 Prozent der Befragten geben an, überhaupt Transitionsfinanzierung zu nutzen. Noch geringer ist der Anteil der Studienteilnehmer, deren Fonds derartige Anlagen in Schwellenmärkten tätigt (16 Prozent). Dabei sind dies die Regionen, in denen Emissionen und Bevölkerung am schnellsten wachsen.

Die Mehrheit (87 Prozent) der in der Studie vertretenen Asset Owner hat nur etwa die Hälfte ihres verwalteten Vermögens in klimaorientierte Strategien investiert; bei 46 Prozent beträgt der Anteil sogar nur ein Viertel. Bei lediglich elf Prozent der Befragten machen klimaorientierte Strategien die Hälfte bis drei Viertel des verwalteten Vermögens aus; mehr als drei Viertel sind es bei nicht einmal ein Prozent. 19 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass klimaorientierte Strategien in den nächsten drei Jahren die Hälfte bis drei Viertel ihrer AUM ausmachen werden; bei zwei Prozent werden es mehr als drei Viertel sein.

Westeuropa : Relativ geringer Anteil
Jeder fünfte der westeuropäischen Studienteilnehmer nutzt bereits Transitionsfinanzierung und 32 Prozent planen dies für die nächsten zwölf Monate. Ein deutlich größerer Anteil (54 Prozent) betrachtet Transitionsfinanzierung als wichtige kommerzielle Chance für Asset Owner und 60 Prozent erwarten, dass der Bereich in den nächsten drei Jahren stark wachsen wird. Das deutet darauf hin, dass Transitionsfinanzierung mittelfristig weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Mit 56 Prozent ist der Anteil der Asset Owner, die den Klimawandel als strategisches Ziel ihrer Fonds bezeichnen, in Westeuropa jedoch geringer als in Großbritannien (76 Prozent), Asien-Pazifik (68 Prozent) und Nordamerika (60 Prozent). Darüber hinaus geben 54 Prozent der westeuropäischen Asset Owner an, dass ihr Fonds neben Risiko- und Renditezielen keine weiteren Ziele verfolgt. (aa)

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