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Will die EZB am Ende gar CoCos abschaffen?

Die EZB veröffentlichte im März eine Stellungnahme zur Anfrage der Europäischen Kommission zum makroprudenziellen Rahmen für europäische Banken. Darin werden mehrere Vorschläge gemacht, die sich auf die Additional Tier 1 (AT1) CoCo-Sparte in Europa auswirken könnten... Oder doch nicht?

Jérémie Boudinet, Credit Portfolio Manager bei La Française Asset Management
Jérémie Boudinet, Credit Portfolio Manager bei La Française Asset Management© La Française Asset Management

Die Überprüfung ist von der Kommission breit angelegt und umfasst mehrere Themen, darunter auch die Nutzung der AT1 CoCos durch die Banken. Die EZB ist in diesen Fragen beratend tätig. Und obwohl auch andere Regulierungsbehörden Empfehlungen abgeben werden (EBA, ESRB), ist nicht von der Hand zu weisen, dass die EZB ein starkes Gewicht bei diesen makroprudenziellen Anpassungen hat. Die EU-Kommission sollte ihre Ergebnisse bis Ende Juni 2022 veröffentlichen. Auf mögliche Gesetzesvorschläge bis Ende Dezember (oder später) würden die Fassungen des Parlaments und des Rates folgen, bevor die Gesetzesänderungen möglicherweise 2024 oder 2025 endgültig verabschiedet werden.


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Noch nicht in Stein gemeißelt....
"Hervorzuheben ist, dass erstens nicht alle hier vorgeschlagenen Änderungen umgesetzt werden, da sie mit Sicherheit von den verschiedenen Stakeholdern, die das Gesetz ausarbeiten - einschließlich der Bankenlobby -, verwässert oder unterbunden werden", sagt Jérémie Boudinet, Credit Portfolio Manager bei La Française Asset Management. "Zweitens ist der Zeitpunkt für eine Änderung höchst ungewiss, aber wir erwarten nichts vor 2024, die Umsetzung frühestens ein Jahr später. Wir sind der Ansicht, dass das meiste von dem, was hier vorgeschlagen wird, vernünftig und langsam umgesetzt werden wird, um Marktverwerfungen zu vermeiden, wie es bei Regulierungsvorschlägen oft der Fall ist."

Die wichtigsten Vorschläge der EZB
Diese sind entsprechend ihren Auswirkungen auf die drei wichtigsten strukturellen Risiken, die CoCos mit sich bringen, gereiht:

Aktuelle Bewertung der CoCo-Risiken seitens La Française AM

Quelle: La Française AM.

1. Risiko der Verlustübernahme (CoCo-Schwellenwerte)
Die EZB räumt ein, dass die derzeitigen Solvenzschwellen für AT1 CoCos (d. h. 5,125 Prozent und/oder 7,0 Prozent) zu niedrig sind, um jemals erreicht zu werden. "Das stimmt", sagt Boudinet. "Diese Schwellenwerte sind völlig nutzlos. Der „eigentliche“ Schwellenwert ist der sogenannte „Point of non-viability“ (PONV). Mit anderen Worten: Die Aufsichtsbehörden können beschließen, die Verlustübernahme einzuleiten, wenn sie die Bank für nicht lebensfähig halten, was sie ohne eine spezifische Solvabilitäts-/Liquiditätskennzahl festlegen. So erging es der Banco Popular im Juni 2017, als die Solvabilitätskoeffizienten der Bank weit über den automatischen Schwellenwerten waren und die EZB die Abwicklung einleitete. Der EZB-Vorschlag ist recht vage und besagt, dass die Schwellenwerte auf ein Niveau festgelegt werden sollten, „bei dem die Abschreibung oder Umwandlung erfolgt, bevor das Institut für zahlungsunfähig oder ausfallgefährdet erklärt wird”.

Was könnte das bedeuten?
Die wahrscheinlichste Auswirkung wäre das Verschwinden der sogenannten „Low-Trigger AT1 CoCos“ (d. h. mit einem CET1-Schwellenwert von 5,125 Prozent). Sie könnten entweder einen Mindestschwellenwert von 7,0 Prozent für alle AT1-CoCos durchsetzen, wie es in der Schweiz bereits der Fall ist (und es gibt viele Banken, die in ihren Anleihendokumenten in Europa bereits 7,0 Prozent-Schwellenwerte haben), einen noch höheren Mindestschwellenwert einführen (8,0 Prozent, 10,0 Prozent?), was nach Ansicht von Boudinet sehr unwahrscheinlich ist (und die Lobbys würden sich heftig dagegen wehren), oder die Solvenz-Schwellenwerte ganz abschaffen und nur den PONV-Schwellenwert beibehalten. Das wäre nach Meinung von La Française AM die klügste Entscheidung, da viele Länder außerhalb Europas keine Solvenz-Schwellenwerte vorsehen, wie etwa die USA. Dies würde weder ein Hindernis für Bankenabwicklungen darstellen, noch steht es im Widerspruch zu Basel III. Dies würde jedoch das Ende der CoCos bedeuten, die durch Non-CoCo-AT1-Anleihen ersetzt würden, was theoretisch zu höheren Ratings und niedrigeren Spreads für neu emittierte Anleihen führen würde. Grundsätzlich sollten europäische AT1-Anleihen dann gleichberechtigt mit ihren US-Pendants (US Preferreds) gehandelt werden, was sich insgesamt positiv auf das Segment auswirken würde.

Ausgewählte Strukturmerkmale von AT1 CoCos im Vergleich zu US-Preferred Shares

* Eine Klausel, die eine Bank daran hindert, eine Dividende an die Stammaktionäre zu zahlen, wenn sie den Kupon für ihre hybriden Wertpapiere nicht zahlt.

Quelle: La Française AM

Wie wird die Europäische Kommission entscheiden?
Bei La Française AM glaubt man nicht, dass die Schwellenwerte abgeschafft werden (würde als Lockerung der Anforderungen angesehen, was politisch schwer zu rechtfertigen wäre), sondern dass ein Mindestschwellenwert von 7,0 Prozent für alle CoCos festgelegt wird. Der CoCo-Markt unterscheidet nicht zwischen 5,125 Prozent und 7,0 Prozent CET1 Schwellenwerten und hat dies auch nie getan, da sie für die Risikobewertung der Verlustübernahme ohnehin nicht relevant sind. Folglich sieht das Haus keine signifikanten Auswirkungen auf den Markt, würde ein solcher Vorschlag angenommen werden. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Änderung ist ziemlich hoch. Potenzielle Auswirkungen auf den Markt wären vernachlässigbar für neue Anleihen und positiv für Anleihen mit niedrigem Schwellenwert und Bestandsschutz, die gekündigt werden müssten.

2. Kündigung von Kupons
Die EZB betont, dass „die CRR-Definition (Capital Requirements Regulation) von ‚ausschüttungsfähigen Positionen‘ (...) überprüft werden sollte, um sicherzustellen, dass nur profitable Banken oder Banken mit positiven Gewinnrücklagen AT1-Kupons / CET1-Dividenden ausschütten können”. Vereinfacht gesagt, dürfen Banken derzeit AT1-Kuponzahlungen leisten, solange sie über positive ausschüttungsfähige Mittel verfügen, zu denen positive Gewinnrücklagen und einige andere in der Regel sehr hohe Rücklagen gehören. Eine Einschränkung dessen, was zu diesen „ausschüttungsfähigen Positionen“ gehört, könnte möglicherweise bedeuten, dass die Deutsche Bank wieder in die Stresssituation von Anfang 2016 geraten könnte. Die Deutsche Bank verfügte damals über nur geringe Rücklagen, um Zahlungen zu leisten. Grund hierfür waren lokale Bilanzierungsvorschriften. Paradoxerweise wurden die Regeln seitdem in Europa vereinfacht und vereinheitlicht, um eine solche Situation zu vermeiden!

Wie wird die Europäische Kommission entscheiden?
"Es wäre sehr schwierig im Falle eines Nettoverlustes eine automatische Kündigung des Kupons tatsächlich umzusetzen", findet Jérémie Boudinet. "Denn sowohl die Dividenden als auch die Boni der Mitarbeiter müssten vollständig gestrichen werden. Die durchschnittlichen Kapitalkosten der Banken würden sich erheblich erhöhen, und die Auswirkungen auf AT1-Anleihen und Aktien könnten sehr groß sein, da Kupon-/Dividendenausfälle sehr viel verbreiteter wären."

Die realistischere Möglichkeit wäre eine geringfügige Anpassung der Definition von „ausschüttungsfähigen Mitteln“, so Boudinet weiter. Dies würde immer noch gegen die Vorschriften außerhalb Europas gehen, die die Annullierung von AT1-Kupons „gelockert“ haben, wenn die Banken nicht mehr in der Lage sind, ihre Mindestsolvabilitätsanforderungen zu erfüllen (Großbritannien und USA). Dadurch könnten die europäischen Banken benachteiligt werden. Lobbys und nationale Regulierungsbehörden neigen oft dazu, Banken gegen solch strenge Vorschläge zu schützen, und dieses Mal dürfte keine Ausnahme sein. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Änderung wird mit "voraussichtlich nicht signifikant" von La Francaise eingestuft. Mögliche Auswirkungen auf den Markt wären schwer abzuschätzen, aber negativ für die Spreads, wenn die EU-Kommission die Definition von „ausschüttungsfähigen Mitteln“ wirklich einschränken wollte.

3. Ausübung von Calls
Die EZB schlägt lediglich eine Beschränkung der Möglichkeit vor, „den Call nur auszuüben, wenn es durch ein CET1-Instrument oder ein billigeres AT1-Instrument ersetzt wird". So funktioniert es eigentlich schon mehr oder weniger. "Sollte dieser Vorschlag zu einer verbindlichen aufsichtsrechtlichen Regelung gemacht werden, könnte dies die Unsicherheit und Volatilität bei CoCos erhöhen, wenn ihre Call-Option einige Monate vor dem Call-Fenster aus dem Geld geht", meint Jérémie Boudinet. "Allerdings haben sich die CoCo-Anleger bereits daran gewöhnt, die Call-Erwartungen zu berücksichtigen, wenn die Anleihen ihrem Ausübungsdatum näher kommen. Das Verlängerungsrisiko ist in den Anleihekursen bereits weitgehend eingepreist." Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Änderung wird von La Française mit "voraussichtlich nicht signifikant" eingestuft. Potenzielle Auswirkungen auf den Markt wären vernachlässigbar.

Zusammenfassung
Abschließend lässt sich sagen, dass dieses Papier der EZB einige Änderungen für AT1 CoCos bewirken könnte. Allerdings glauben die Experten von La Française AM nicht, dass sich dieses Marktsegment nennenswert verändern wird. Konkrete Änderungen werden sich erst in einigen Quartalen abzeichnen und werden am Ende sehr wahrscheinlich verwässert werden. Ein „Viel Lärm um nichts“ wäre denkbar. (kb)

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