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Schweiz: mögliche Verschlechterung der Aktionärsrechte in Sicht

Ethos befürchtet, dass die Statutenänderungen im Zusammenhang mit der Überarbeitung des Obligationen-(Anleihen)-Rechts manche Unternehmen veranlassen könnten, den für die Traktandierung - d.i. die Aufnahme in die Tagesordnung - eines Verhandlungsgegenstandes nötigen Schwellenwert heraufzusetzen.

Vincent Kaufmann, Direktor von Ethos
Vincent Kaufmann, Direktor von Ethos© Ethos

Dies schlägt jedenfalls Swiss Prime Site vor, das als erstes Unternehmen im SPI seine Statuten anpasst. Ethos, die Schweizerische Stiftung für nachhaltige Entwicklung, fordert deshalb die Aktionäre auf, sich gegen diese Verschlechterung ihrer Rechte auszusprechen und den Punkt 7.1 der Traktandenliste abzulehnen. Ethos zeigt sich ferner besorgt darüber, dass nur wenige Unternehmen in diesem Jahr eine physische Generalversammlung durchführen wollen, obwohl die Beschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie aufgehoben worden sind. Die Aktionäre können so von ihrem Recht, ihre Meinung zu äußern und dem Verwaltungsrat Fragen zu stellen, nicht Gebrauch machen.

Generalversammlungssaison 2022 hat eben erst begonnen
Sie gibt aber schon Anlass zu Sorgen. Insbesondere könnte die Revision des schweizerischen Obligationenrechts eine unerwünschte Wirkung haben und zu einer Verschlechterung bestimmter Aktionärsrechte führen. Gemäß dem revidierten Obligationenrecht haben Aktionäre, die 0,5 Prozent des Unternehmenskapitals halten, das Recht, einen Verhandlungsgegenstand an der Generalversammlung traktandieren zu lassen. Derzeit wird dieser Schwellenwert bei den meisten Unternehmen als Nennwert des Kapitals ausgedrückt. 23 der 48 Unternehmen im SMI Expanded haben gegenwärtig einen Schwellenwert, der unter 0,5 Prozent des Aktienkapitals liegt. Die Änderung im Obligationenrecht könnte daher zur Folge haben, die Traktandierung eines Verhandlungsgegenstandes durch die Aktionäre in Zukunft zu erschweren.

Erhebliche Schwächung der Aktionärsrechte befürchtet
Die meisten Unternehmen werden bis 2023 warten, bevor sie ihre Statuten an das revidierte Obligationenrecht anpassen. Das Immobilienunternehmen Swiss Prime Site hingegen schlägt schon an seiner Generalversammlung vom 23. März 2022 eine Statutenänderung vor. Dabei will es insbesondere den für die Einreichung eines Aktionärsantrags nötigen Schwellenwert auf 0,5 Prozent seines Aktienkapitals festsetzen, anstelle des derzeitigen Nennwerts von 500.000 Schweizer Franken, der 0,04 Prozent des Aktienkapitals darstellt. Wird diese Statutenänderung genehmigt, werden die Aktionärsrechte erheblich geschwächt. Die Aktionäre müssten nämlich 20-mal mehr Aktienkapital als bisher halten, um die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen zu verlangen. «Nichts hindert jedoch die Unternehmen daran, einen niedrigeren Schwellenwert als den im revidierten Obligationenrecht vorgesehenen beizubehalten», betont Vincent Kaufmann, Direktor von Ethos.

Irreführung
Ethos stellt außerdem mit Bedauern fest, dass die Traktandenliste des Unternehmens irreführend ist. Diese gibt nämlich an, dass die unter Punkt 7.1 der Traktandenliste vorgeschlagenen Änderungen die Aktionärsrechte stärken. Dies stimmt zwar in Bezug auf die Änderung hinsichtlich der Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung (der Schwellenwert würde hier von zehn auf fünf Prozent des Aktienkapitals sinken), gilt aber nicht für das Recht der Aktionäre, einen Verhandlungsgegenstand traktandieren zu lassen. Ethos empfiehlt daher den Aktionären von Swiss Prime Site, den Punkt 7.1 der Traktandenliste abzulehnen und gegenüber Unternehmen, die ihre Statuten in diesem oder dem kommenden Jahr ändern, sehr aufmerksam zu bleiben.

Rückkehr zu physischen Generalversammlungen gefordert
Ein weiterer Aspekt, der in diesem Jahre die Besorgnis von Ethos erregt, ist die Durchführung der Generalversammlungen (D,A: Hauptversammllungen). Dies ist das dritte Jahr in Folge, in dem die Generalversammlungssaison unter dem Regime der Covid-Verordnung abläuft. Diese gibt den Unternehmen die Möglichkeit, ihre Generalversammlungen ohne die physische Teilnahme der Aktionäre abzuhalten. Obwohl der Bundesrat im Februar die Beschränkungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie weitgehend aufgehoben hat, kommen die Unternehmen immer noch in den Genuss einer Vorzugsregelung, welche die Aktionärsdemokratie stark beschneidet.

Kein direktes Fragerecht
Die Aktionäre können nämlich weiterhin weder an der Generalversammlung intervenieren noch dem Verwaltungsrat direkt Fragen stellen. Diese Situation ist insbesondere bei Unternehmen problematisch, deren Geschäfte bei ihren Aktionären zahlreiche Fragen aufgeworfen haben, wie etwa bei der Credit Suisse in den letzten Monaten.

Ethos bedauert diese Situation sehr und fordert die Unternehmen auf, ihre Haltung zu überdenken und die physische Teilnahme ihrer Aktionäre an den Generalversammlungen zu ermöglichen, insbesondere an denjenigen, die ab April 2022 stattfinden (natürlich unter Einhaltung der grundlegenden Gesundheitsmaßnahmen). (kb)

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Ethos, Schweizerische Stiftung für nachhaltige Entwicklung, schließt 235 Pensionskassen und gemeinnützige Stiftungen zusammen. Sie wurde 1997 zur Förderung einer nachhaltigen Anlagetätigkeit gegründet und setzt sich für ein stabiles und gesundes Wirtschaftsumfeld ein, das die Interessen der Gesellschaft als Ganzes langfristig wahrt. Die Ethos Stiftung ist eine Stiftung schweizerischen Rechts, deren oberstes Organ der Stiftungsrat ist. Die Versammlung der Mitstifter gibt Empfehlungen an den Stiftungsrat, insbesondere betreffend die Charta und die Statuten.

Zur Erreichung ihrer Ziele hat die Ethos Stiftung das Unternehmen Ethos Services gegründet. Dieses ist auf nachhaltige Anlagen (Socially Responsible Investment, SRI) spezialisiert und richtet sich vorrangig an institutionelle Investoren. Ethos Services ist im Besitz der Ethos Stiftung und 16 ihrer Mitglieder. Die Generalversammlung wählt den Verwaltungsrat, der seinerseits die Geschäftsleitung ernennt und kontrolliert. Ethos Services beschäftigt mehr als 30 Mitarbeitende in den Büros in Genf (Hauptsitz) und Zürich.

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