Logo von Institutional Money
| Regulierung

Immer mehr ESG-Fonds geben dunkelgrünes Artikel 9-Fonds-Label zurück

Die Fondssparte der größten europäischen Bank BNP Paribas streicht das höchste europäische ESG-Gütesiegel von Fonds im Umfang von 16 Milliarden Euro. Sie reiht sich ein in eine Serie solcher Herabstufungen, für die die Branche unklare Regeln verantwortlich macht. Bei Investoren wächst der Ärger.

Anastasios Pavlos, Berater von PensionsEurope
Anastasios Pavlos, Berater von PensionsEurope© Anastasios Pavlos

Die Herabstufung von 26 so genannten Artikel 9-Fonds durch die BNP erfolge wegen Interpretationsunklarheiten bezüglich des Regelwerks der Europäischen Union für nachhaltige Investionen. Bei den betroffenen Fonds handele es sich bei 24 um Indexfonds, wie BNP mitteilte. Die aktiv verwalteten Artikel 9-Fonds mit einem Volumen 19 Milliarden Euro sei nicht davon betroffen.

Zurück zu Artikel 8-Fonds
Zuletzt hatten auch die Fondssparte DWS der Deutschen Bank, BlackRock, Amundi und die Allianz-Tochter Pimco die Herabstufung eines Milliardenvolumens von Artikel 9-Fonds angekündigt.

Greenwashing-Verdacht
Bei Investoren löst dies zunehmen die Sorge aus, sie könnten zuvor Opfer von Greenwashing geworden sein. Der Chef des Kleinanlegerverbands Better Finance sucht deshalb das Gespräch mit Politik und Behörden. “Wir brauchen viel klarere Leitlinien von den Behörden, um sicherzustellen, dass wir nicht in die Irre geführt werden und uns keine grün gewaschenen Anlageprodukte verkauft werden”, sagte Guillaume Prache von Better Finance im Bloomberg-Interview. Die Gruppe, die rund vier Millionen Kunden in 25 Ländern repräsentiert, habe Treffen mit der EU-Kommission und der Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) anberaumt. Auslöser für die Herabstufungen waren neue Leitlinien der EU-Kommission zur Auslegung der Vorschriften.

Ehrgeiziges, extrem komplexes Offenlegungsregime der EU
“Vermögensverwalter werden ihren Kunden erklären müssen, dass sie sich in einem unsicheren und sich schnell entwickelnden regulatorischen Umfeld bewegen”, sagt Hortense Bioy, Chefin des Bereichs Nachhaltigkeitsanalyse bei Morningstar. “Die EU hat ein sehr ehrgeiziges, aber auch extrem komplexes Offenlegungsregime geschaffen.”

Da kommen wohl noch mehr Abstufungen
Morningstar schätzt, dass in den kommenden Wochen und Monaten mindestens 85 Milliarden US-Dollar Artikel 9-Fonds zu Artikel 8-Fonds herabgestuft werden und damit weniger strengen Vorschriften unterliegen. Die EU fordert von Artikel 9-Fonds seit neuestem zu praktisch 100 Prozent nachhaltige Anlagen, was den Großteil der Branche vor den Kopf gestoßen hatte. “Die Situation ist im Moment etwas chaotisch”, sagt Bioy. Die Marktanalystin schätzt, dass weniger als fünf Prozent der Artikel-9-Fonds derzeit die EU-Anforderungen an die hundertprozentige Nachhaltigkeit erfüllen. Hunderte weiterer Fonds könnten somit herabgestuft werden müssen.

Definition einer "nachhaltigen Anlage" soll endlich kommen
Einige Vermögensverwalter zögern indessen mit Neueinstufungen in der Hoffnung, dass weitere Präzisierungen der EU-Behörden es ihnen ermöglichen werden, die Einstufungen beizubehalten. Die ESMA hat die Kommission gebeten zu klären, was sie unter einer “nachhaltigen Anlage” versteht. Die Kommission gab an, sich der Problematik bewusst zu sein und daran zu arbeiten.

Welche Berechnung des Portfoliorisikos für nachhaltige Investitionen ist gestattet?
“Es ist dringend notwendig, dass die Aufsichtsbehörde nicht nur klärt, was als nachhaltiges Investment gilt und was nicht, sondern auch, welche Methoden zur Berechnung des Portfoliorisikos für nachhaltige Investitionen akzeptabel sind”, sagt Bioy. Der derzeitige Mangel an Klarheit könne den Ruf des europäischen ESG-Regelwerks, der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), beschädigen.

Auch europäische Pensionsfonds äußern Bedenken
Da es derzeit keine Richtlinien für nachhaltige Investitionen gibt, “besteht ein ernsthaftes Risiko, dass die Praxis auseinanderläuft und es an Vergleichbarkeit der Produkte mangelt”, so Anastasios Pavlos, Berater von PensionsEurope, deren Mitglieder zusammen ein Vermögen von sieben Billionen Euro verwalten. (kb)

Dieses Seite teilen