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| Regulierung

Gibt es zu viele ESG-Regelwerke?

CSR-Richtlinie, Offenlegungsverordnung, Taxonomie...... Sophie Flak, Managing Partner ESG und Digital Director bei der börsennotierten Investmentgesellschaft Eurazeo befasst sich damit ausführlich in einem Kommentar und gelangt zur Erkenntnis, dass man diese Regulierung trotzdem befürworten sollte.

Sophie Flak (Bild), Managing Partner ESG und Digital Director bei der börsennotierten Investmentgesellschaft Eurazeo
Sophie Flak (Bild), Managing Partner ESG und Digital Director bei der börsennotierten Investmentgesellschaft Eurazeo© Eurazeo

Vor nunmehr sieben Jahren verankerte die Europäische Union (EU) im Rahmen der CSR-Richtlinie, die inzwischen in „Non-Financial Reporting Directive“ (NFRD) umbenannt wurde, eine ESG-Berichtspflicht für börsennotierte und große Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. "Die Zeiten, in denen die sogenannte extrafinanzielle Berichterstattung eine gänzlich freiwillige Übung war, sind damit passé", weiß Sophie Flak, Managing Partner ESG und Digital Director bei der börsennotierten Investmentgesellschaft Eurazeo."

ESG-Transparenz wird zunehmend Bestandteil unternehmerischer Routine
Die EU ist zu diesem Schritt zu beglückwünschen, so Flak weiter, denn sie habe mit dieser Richtlinie den weltweit ersten regulatorischen Leitfaden dieser Art geschaffen. Denjenigen, die sich in ihrer täglichen Arbeit mit seiner Umsetzung befassen, könne er jedoch Kopfschmerzen bereiten, denn die Indikatoren (rund 150 an der Zahl) seien nicht normiert. Für die Angabe der Arbeitsplätze etwa ist nahezu jede Variante von der Gesamtzahl der Beschäftigten über die Zahl der Vollzeitäquivalente bis hin zur durchschnittlichen Mitarbeiterzahl pro Monat zulässig. Schon dieses vereinfachende Beispiel zeigt, wie ambitioniert das Vorhaben ist, die extrafinanzielle Leistung eines Unternehmens mit der eines anderen zu vergleichen. Aktuell steht die Überarbeitung der CSR-Richtlinie zur „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) an, deren Wirkungsbereich gleichzeitig auf Unternehmen ab einer Größe von 250 Beschäftigten ausgeweitet werden soll. Die neue Fassung wird dann, so hofft man bei Eurazeo, auch die Frage der Standardisierung adressieren.

Regulatorische Lücken schließen sich
Verglichen mit dem heutigen Stand der Regulierung muten die Anforderungen der CSR-Richtlinie aber (fast) wie ein Spaziergang an. Denn seit der Einführung der CSR-Richtlinie wurden zwei weitere wesentliche Regelwerke veröffentlicht, die nun auch auf den Finanzsektor abzielen: die EU-Taxonomieverordnung für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten und die EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR). Sie bieten eine echte Handhabe gegen Greenwashing.

Taxonomieverordnung soll den definitorischen Rahmen darstellen
Die noch in Entwicklung befindliche Taxonomieverordnung soll den definitorischen Rahmen stellen, um wirtschaftliche Aktivitäten unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu klassifizieren. Das Ziel der Verordnung besteht darin, Kapitalströme in Unternehmen zu lenken, die einen Beitrag zur Minderung des Klimawandels und zur Erreichung der Pariser Klimaziele leisten. Unternehmen müssen demgemäß angeben, welcher Anteil ihrer Umsätze oder Finanzprodukte den Kriterien entsprechen.

Die Taxonomie ermöglicht dabei eine sehr detaillierte und gründliche Analyse
Um als ökologisch nachhaltig zu gelten, müssen wirtschaftliche Tätigkeiten in einem von sechs Umweltzielen einen deutlich positiven Effekt erreichen und gleichzeitig keine erheblichen Beeinträchtigungen auf die anderen fünf haben. Für alle sechs Umweltziele werden technische Bewertungskriterien entwickelt, wie z.B. der Ausstoß von CO2 und Schadstoffen, der Energie- oder Wasserverbrauch.

Offenlegungsverordnung stellt die Entsprechung zur CSRD im Kapitalmarkt dar
Sie fordert von den Finanzinstituten, extrafinanzielle Informationen für jedes ihrer Produkte zu veröffentlichen und sie gemäß ihres ESG-Wirkungsgrades zu typisieren. Ergänzend dazu müssen Unternehmen weitere Informationen über Umwelt- und soziale Aspekte liefern. Für einige davon gibt es (mathematisch anspruchsvolle) Berechnungsmethoden zur Normierung, andere erlauben einen „kreativeren“ Zugang. Auch die extrafinanziellen Daten von Finanzprodukten sind also nicht ohne Weiteres vergleichbar, aber der Weg dorthin ist eingeschlagen.

Herausforderung auch für erfahrene Praktiker
Zusätzlich zur Herausforderung der Normierung verlangt die Vielschichtigkeit der verschiedenen Richtlinien Praktikern einiges ab, denn sie macht es schwer, diese zu verstehen und simultan umzusetzen. Sophie Flak dazu: "Ich spreche aus Erfahrung: Die CSR-Berichtspflicht - einschließlich der Änderungen der CSRD - bei gleichzeitiger Erfüllung der Taxonomie- und der Offenlegungsverordnungen umzusetzen, kann regelrechten Schwindel erzeugen. Abhängig von der Jurisdiktion kommen noch nationale Regelungen obendrauf. So gilt es beispielsweise in Frankreich zusätzlich eine Reihe von komplexen Anforderungen aus dem Gesetz zur Energiewende sowie dem Energie- und Klimagesetz zu beachten, die für Fonds mit einem Investmentvolumen von mehr als 500 Millionen Euro gelten – ganz zu schweigen von den uneinheitlichen Empfehlungen verschiedener Institutionen, wie diese Texte korrekt anzuwenden sind. All diesen Regelungen zugleich zu entsprechen, ist praktisch unmöglich." Die Geltungsbereiche variieren von einer Regelung zur anderen, die Fristen ebenfalls und die Berichtspunkte addieren sich auf – sind es drei-, vier-, fünfhundert?

Auf dem richtigen Weg
Trotz gelegentlicher Frustration dieser Art überwiegen für Sophie Flak die positiven Aspekte der EU-Nachhaltigkeitsregulierung: "Es ist gut, dass es sie überhaupt gibt, sie entwickelt sich ständig weiter, und ihre gegenwärtige Komplexität ist auch ein Produkt ihres Ehrgeizes. Das sollte uns nicht schrecken und ihren Nutzen nicht schmälern. Wichtiger als die Anlaufschwierigkeiten sind die Handlungsgrundlage, die sie bietet, und die Tatsache, dass Asset Owner den Wert von Artikel 8- und 9-Produkten erkennen. Sie entsprechen ihren Anforderungen und erleichtern es ihnen, „stranded assets“ zu vermeiden – also Unternehmen, die schnell an Wert verlieren könnten, weil sie sich der ökologischen und sozialen Transformation nicht gestellt haben. Wir stellen eine große Nachfrage nach solchen Finanzprodukten fest, die finanzielle und extrafinanzielle Werte miteinander verbinden. Die europäische Regulierung liefert eine ganze Reihe nützlicher Grundlagen und einen immer besser definierten Rahmen, um solche Produkte zu entwickeln." (kb)

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