Logo von Institutional Money
| Regulierung

Commerzbank: Ist eine Übernahme durch ING oder UniCredit realistisch?

Deutschlands zweitgrößte börsennotierte Privatbank könnte zukünftig ausländische Eigentümer haben. Denn das Geldhaus benötigt laut einer Analyse von Kames Capital eine „radikale Lösung“. Für eine Übernahme müssten aber hohe Hürden überwunden werden.

Die Deutsche Bank hat bei der Commerzbank abgewunken. Nun gibt es immer wieder Gerüchte, dass UniCredit oder ING bei der Commerzbank einsteigen könnten. Für Alex Pelteshki, Co-Manager des Kames Strategic Global Bond Fonds, ist klar, dass die Commerzbank eine radikale Lösung braucht. Pelteshki führt in seiner Analyse wichtige Pro- und Contra-Argumente für eine Fusion der Commerzbank mit einem der beiden ausländischen Häuser an und erklärt, ob eine Übernahme in der Praxis tatsächlich durchführbar sei.

UniCredits Anreize und Hindernisse bei einem Commerzbank-Einstieg
Pelteshki nennt nachfolgend Fusions-Anreize aus der Sicht der Italiener:

  • Erhöhung der Präsenz in Deutschland und Zusammenlegung der lokalen Einheit HVB mit der Commerzbank, um Kostensynergien zu schaffen.
  • Langfristige Senkung der Finanzierungskosten, wenn es gelingt, die Zentrale nach Frankfurt zu verlegen.
  • Zugang zu den überschüssigen Einlagen auf Commerzbank-Ebene, die kalkulatorisch ertragswirksam wären.

Für Pelteshki gibt es jedoch nach gibt es jedoch viel mehr Schwierigkeiten als Möglichkeiten. Er nennt folgende Gegenargumente:

  • Das Fehlen eines Einlagensicherungsfonds in der EU (den es wahrscheinlich auch nicht in nächster Zeit geben wird, wenn überhaupt) wird Ertragssynergien aus dem hohen Einlagenüberhang bei der Commerzbank aufheben.
  • Es gibt starken politischen Widerstand dagegen, die Ersparnisse des deutschen Steuerzahlers angeblich minderwertigen Vermögenswerten in der Peripherie auszusetzen.
  • Es wird sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein, Kostensynergien zu erzielen ("viel Blut wird vergossen werden, bevor wir mit den Italienern fusionieren", so ein Gewerkschafter und Arbeitnehmervertreter im Vorstand der Commerzbank).

INGs Anreize und Hindernisse
Betrachtet man eine mögliche Konstellation aus der Perspektive von ING - dem anderen angeblichen "Bewerber" -, so mache eine Fusion laut Pelteshki noch weniger Sinn.

Der offensichtlichste Grund für eine Fusion wäre eine Art regulatorische "Arbitrage". Niederländische Banken sind derzeit aufgrund der Größe von ING im Finanzsektor im Vergleich zur niederländischen Wirtschaft mit drei Prozent Kernkapitalzuschlag konfrontiert. Theoretisch würden also laut Pelteshki eine Standortverlegung nach Frankfurt und eine Reduzierung des fusionierten ING/Commerzbank-Unternehmens im Verhältnis zur Größe der deutschen Wirtschaft diese niederländische Anforderung beseitigen und die perfekte Win-win-Situation schaffen - wodurch überschüssiges Kapital frei werden würde.

Darüber hinaus gibt es in den Niederlanden nach wie vor eine Bonusobergrenze von 200 Prozent für die Vergütung von Finanzdienstleistungsfachkräften, die wesentlich strenger ist als die für den Rest von Europa geltende Richtlinie der allgemeinen Europäischen Bankaufsichtsbehörde (EBA).

Man könnte daher Pelteshki zufolge argumentieren, dass die Verlegung der Zentrale nach Frankfurt zumindest in erster Linie den finanziellen Interessen der Aktionäre und Mitarbeiter zugutekäme. Allerdings wäre dies eine deutliche Abkehr von der derzeitigen Strategie der ING, ein Digital-/Innovationsführer mit einem flächendeckenden und filiallosen Netzwerk in vielen Ländern zu werden.

„Interessanterweise gehört die ING zu den wenigen Banken, die nahe ihrer Eigenkapitalkosten tatsächlich einen Return on Equity (RoE) erwirtschaftet - gerade wegen ihres Cost-Light- und Filialnetz-Light-Ansatzes“, erinnert Pelteshki.

Die zweite Schwierigkeit sei, dass der ROE bei einer Fusion negativ werden würde und das wäre kaum im langfristigen Interesse von Aktionären und Gläubigern abgesehen von einem einmaligen theoretischen Gewinn.

Commerzbank ist nur am ersten Blick günstig bewertet
„Vergessen wir nicht, dass die Commerzbank ein strukturell herausforderndes Unternehmen ist und kein wertvoller Vermögenswert, um den sich jeder bemüht. Wenn es also einen Deal-Impuls gibt, geht er von der Commerzbank selbst aus und nicht von jemand anderem. Die nicht beneidenswerte Kapital- und Ertragslage ist zum Teil auf eigene Entscheidungen aus der Vergangenheit und zum Teil auf die strukturelle Verfassung der deutschen Bankenlandschaft zurückzuführen“, erklärt Pelteshki.

Der Hauptanreiz einer möglichen Transaktion liege nach Ansicht vieler Marktexperten daher im Preis. Einige meinen, dass der 0,4x Price to Net Asset Value (NAV) der Commerzbank sehr günstig ist. Die erwarteten Renditen auf das "materielle" Eigenkapital von unter fünf Prozent - unter Berücksichtigung von Marktübereinstimmungen - machten die Commerzbank jedoch nicht "billig".

„Weitere Tricks der Buchhalter in Bezug auf den Goodwill könnten das Geschäft aus der Sicht eines potenziellen Bewerbers begünstigen, aber die Europäische Zentralbank wird solche Schwindeleien eher nicht dulden“, prophezeit Pelteshki.

Probleme des europäischen und deutschen Bankensektors
Die Commerzbank habe ein Problem zu lösen, ebenso wie das EU-Bankensystem. Das Fehlen eines gemeinsamen Einlagensicherungsmechanismus, auch bekannt als Fungibilität der Einlagen für die gesamte Europäische Union, verhindere Pelteshki zu Folge die Schaffung eines einheitlichen Bankenmarktes – und das lähme den Bankensektor der EU. Die Unfähigkeit, Überkapazitäten abzubauen und Kosten durch grenzüberschreitende Fusionen zu senken, versetze den Sektor in eine dauerhaft hinter den US-Banken zurückbleibende Position.

Hinzu komme der laut Pelteshki „unglaublich zersplitterte“ Bankensektor in Deutschland. Diese Aufspaltung stelle das Umsatzwachstum und die Kostensituation von Tausenden von Niederlassungen in Frage und schaffe eine nicht nachhaltige Kostenbasis.

„Diese Faktoren, zusammen mit einer Gewerkschaft, die sich vehement gegen jede signifikante Rationalisierung wendet, erhöhen die Komplexität. Ohne die Lösung mindestens eines dieser Faktoren wird es für jede deutsche Bank, einschließlich der Commerzbank, äußerst schwierig sein, auf EU-Ebene wettbewerbsfähig zu sein. Keine Art von M&A kann diese wesentliche Tatsache ersetzen“, erklärt Pelteshki abschließend. (aa)

Dieses Seite teilen

Weitere News zu diesem Thema